EM

Darum zählt Oranje zu den Titelkandidaten

Von Daniel Börlein
Sneijder, van Bommel, van Marwijk: Die Schlüsselfiguren des niederländischen Nationalteams
© Getty
Cookie-Einstellungen

Die Mehr-Ebenen-Verteidigung

Die Niederländer werden von vielen Kontrahenten vor allem aufgrund ihrer herausragenden Offensivqualitäten gefürchtet - und das seit Jahrzehnten. Das erfolgreiche Abschneiden unter van Marwijk hängt allerdings auch damit zusammen, dass der Bondscoach seiner Mannschaft ein passendes Defensivkonzept eingeimpft hat.

Maßgebend dafür sind die beiden Sechser und einige Grundsätze, die gelten, wenn der Gegner den Ball hat.

Nummer eins: Von der Qualität des Gegners und der Spielsituation hängt ab, ab welchem Abschnitt des Platzes der Gegner unter Druck gesetzt wird - mit einer Einschränkung: Spätestens 40 Meter vor dem eigenen Tor soll aktiv gestört werden.

Nummer zwei: Sobald der Gegner dort ist, wo man ihn bearbeiten will und kann, wird der ballführende Spieler von einem niederländischen Akteur sofort gestellt und so unter Druck gesetzt, dass er vom Tor weggetrieben wird.

Nummer drei: Jeder Niederländer, der gegen den ballführenden Spieler arbeitet und sich nach Abspiel teilweise für ein paar Sekunden auf Balljagd begibt, wird abgesichert, für den Fall, dass er überspielt wird. Das Motto lautet: Nicht wer einen Zweikampf verliert, macht den Fehler. Sondern derjenige, der den Zweikämpfer nicht absichert.

Ziel des Ganzen ist im Idealfall natürlich die Balleroberung. Klappt es damit nicht, soll der Gegner durch das niederländische Defensivverhalten gezwungen werden, die eigene Spieleröffnung immer wieder abzubrechen, damit dieser immer wieder neu anlaufen muss.

Im Spiel sieht das niederländische Defensivverhalten dann so aus: Aus dem 4-2-3-1 wird bei gegnerischem Ballbesitz schnell eine Art 4-1-3-1-1. Der ballnahe Sechser schiebt nach vorne und pendelt zwischen dem zweiten Sechser und der offensiven Mittelfeldreihe. Der andere Sechser hält den Platz vor der Abwehr und sichert ab.

Bewegt sich nun ein gegnerischer Stürmer in die Lücke, die der aufrückende niederländische Sechser hinterlassen hat, schiebt ein Abwehrspieler sofort hinterher, um dem Angreifer Druck zu machen, ihn weit vom Tor wegzuhalten und ihm nicht die Möglichkeit zum Aufdrehen zu geben. Wenn man so will, entsteht dann für einen Moment ein 3-2-4-1, ehe der niederländische Abwehrspieler wieder seinen Platz in der Viererkette einnimmt.

Durch dieses Verhalten kontrolliert die Elftal bei gegnerischem Ballbesitz viel mehr Ebenen, als wenn sich die Abwehrlinien geschlossen verschieben würden und macht es dem Gegner so extrem schwer, in den Raum zwischen Viererkette und defensivem Mittelfeld zu kommen.

Allerdings: Die Abläufe müssen bei diesem Verteidigungsverhalten gut aufeinander abgestimmt sein und die Automatismen greifen, sonst drohen vor allem im Abwehrzentrum gefährliche Lücken zu entstehen.

Die deutsche Nationalmannschaft nutzte diese Räume beim Testspielsieg im November 2011 vor allem beim 1:0 durch Thomas Müller perfekt aus (siehe Bilder).

Teil 1: Die Grundsätze

Teil 2: Der Schlüsselspieler

Teil 3: Die "falschen" Stürmer