München - Nach der EM ist vor der WM.
Grund genug für SPOX.com, alle 23 Nationalspieler noch mal unter die Lupe zu nehmen. Wer hat überzeugt, wer enttäuscht und auf wen kann Bundestrainer Joachim Löw in der anstehenden WM-Qualifikation bauen?
Jens Lehmann: Nach fehlender Spielpraxis machte ihm angeblich der Flatterball das Leben schwer. Hatte das Spielgerät aber gut im Griff und im Laufe des Turniers auch seine Form. Nach dem Stotter-Start gegen Polen und Kroatien fand Lehmann zu seinem Spiel. Im Finale mit seiner besten Leistung.
Robert Enke: Bei seinem ersten Turnier der erwartet leise Bankdrücker. Wie und in welcher Rolle es für Enke im DFB-Dress weitergeht, hängt nicht zuletzt von Lehmanns Karriereplanung ab.
Rene Adler: Gute Entscheidung von Joachim Löw, den Leverkusener Turnierluft schnuppern zu lassen. Die kommende Nummer eins, ohne Wenn und Aber.
Per Mertesacker: Zu Beginn des Turniers schleppte Mertesacker den unfitten Christoph Metzelder quasi mit durch - gegen Ende war er es selbst, der durchgeschleppt werden musste. Die Leistungskurve des Bremers zeigte kontinuierlich nach unten, insgesamt spielte Mertesacker eine schwache EM.
Christoph Metzelder: Hatte das Problem, dass sich die zumeist einzige gegnerische Spitze immer auf ihn stürzte. Seine fehlende Spritzigkeit machte sich dabei dann leider zu oft bemerkbar. Die Kollegen mussten immer wieder aushelfen. Seine vereinzelten Vorstöße blieben wirkungslos.
Arne Friedrich: Spielte sich erst im dritten Spiel in die Mannschaft. Gegen Portugal mit einem sehr guten Auftritt, ansonsten wie eigentlich gewohnt nur Mittelmaß. Offensiv kommt viel zu wenig vom Berliner, seine solide Defensivleistung reicht für europäisches Top-Niveau einfach nicht aus.
Philipp Lahm: Entwickelte sich bei der EM zum Führungsspieler. Zuerst auf der bevorzugten rechten Seite, später dann auf links hinten. Bis zum Halbfinale eine Bank, souverän, sicher und mit Zug nach vorne. Gegen die Türken aber schon mit einigen Aussetzern und im Finale der Riesen-Patzer gegen Torres. Trotzdem eine gute EM des Müncheners.
GettyMarcell Jansen: Hatte seine stärksten Szenen bei Aktionen in der Offensive. Defensiv aber zu hölzern und anfällig. Nach einer Schulterverletzung verlor er seinen Stammplatz an Friedrich, respektive Lahm. Muss noch viel lernen und beständiger werden.
Clemens Fritz: Starker Turnierbeginn gegen die Polen, im zweiten Spiel dann aber der Einbruch. Opfer der Systemumstellung, nach der kein Platz mehr war für den Bremer, der seinen Platz an Schweinsteiger verlor.
Heiko Westermann: Spielte keine einzige Minute. War aber angeblich immer mal wieder nah dran an der Mannschaft, ob als Außen- oder Innenverteidiger. Durfte zumindest schon einmal Turnierluft schnuppern.
Torsten Frings: War nicht zu 100 Prozent fit und wurde nach dem Österreich-Spiel dazu noch von einem Rippenbruch geplagt. Defensiv ordentlich, aber längst nicht mit der gewohnten Aggressivität. In der Spieleröffnung mit zu vielen leichten Aussetzern. Eine mittelmäßige EM für den Routinier.
Simon Rolfes: Joachim Löw lobt seine Ballsicherheit und seine "Druckresistenz". Gegen Portugal im neuen System sehr gut, gegen die Türkei ganz schwach. Muss sich in der Rolle als Frings' Kronprinz noch hinter Hitzlsperger anstellen.
Thomas Hitzlsperger: Erwies sich als der erwartete Rollenspieler. Im defensiven Mittelfeld gut aufgehoben, gegen die Türkei dort aber mit erheblichen Schwierigkeiten. Hat sich bei seinem zweiten Turnier ganz dicht an die erste Elf herangearbeitet.
Michael Ballack: Ging topfit und hoch motiviert ins Turnier. Erzielte ein befreiendes Tor gegen Österreich und zeigte gegen Portugal echte Leader-Qualitäten - die dann aber im Halbfinale und Finale plötzlich wieder weg waren. Ging nicht voran, als es bei der Mannschaft nicht lief. Eine durchwachsene Leistung bei seiner womöglich letzten EM.
Bastian Schweinsteiger: Keiner verdeutlichte das Auf und Ab der Mannschaft so sehr wie Schweinsteiger. Erst aus der Mannschaft, dann nach der Roten Karte quasi raus aus dem Turnier - und gegen Portugal dann plötzlich seine beste Leistung im DFB-Dress. Auch danach einer der Besseren.
Lukas Podolski: Der beständigste deutsche Spieler. Auf seiner neuen Position im linken Mittelfeld die Entdeckung des Turniers. Wenn er dort aber seine neue Profession finden soll, muss er an seiner Defensivleistung arbeiten. Trotzdem: Sehr gutes EM-Turnier.
Tim Borowski: Einer der großen Verlierer. Hatte Pech, dass er wegen einer hartnäckigen Erkrankung im Trainingslager den Anschluss verlor. Nur zwei Kurzeinsätze, ist weiter weg von der ersten Elf als noch bei der WM vor zwei Jahren.
David Odonkor: Die "Waffe" wurde zum völlig falschen Zeitpunkt eingesetzt und damit komplett verheizt. Wird jetzt vermutlich mindestens wieder für zwei Jahre in der Versenkung verschwinden.
Piotr Trochowski: Spielstände und -situationen gab es genügend, um Trochowski zu bringen. Löw dachte aber noch nicht mal dran. Warum der Hamburger überhaupt dabei war, erschließt sich deshalb nicht.
Miroslav Klose: Sehr unglückliches Turnier. Harmonierte zuerst nicht mit Gomez, war dann im 4-5-1 Alleinunterhalter im Sturm. Vor dem Tor zu brav, den nötigen Killerinstinkt zeigte er nur zweimal, bei seinen Toren gegen Portugal und die Türkei. Aber: Immer noch Stürmer Nummer eins unter Löw.
Mario Gomez: Der größte Verlierer der EM, zahlte unheimlich viel Lehrgeld. Verlor von Spiel zu Spiel jegliches Selbstvertrauen, die Diskussionen um seine sportliche Zukunft konnte er danach nicht mehr ausblenden. Auf lange Sicht aber der kommende Mann im deutschen Sturm.
Kevin Kuranyi: Kam zwar dreimal zum Einsatz, wirkte aber insgesamt nur wie ein Tourist in Schwarz und Weiß. Völlig wirkungsloser Einsatz im Finale. Wird es in Zukunft gegen den aufstrebenden Patrick Helmes sehr schwer haben.
Oliver Neuville: Als ortskundiger Tessiner eine Stütze für das Team. Machte bis auf ein paar Minuten gegen die Polen einen gut bezahlten Urlaub in der Heimat.