Als Korkenzieher in der zu Beginn sehr abwehrlastigen Partie diente ein Eigentor (die Partie im LIVETICKER zum Nachlesen). Merih Demiral, der beim italienischen Rekordmeister Juventus seine Brötchen verdient, stand so unglücklich in der Flugbahn einer scharfen Flanke von Domenico Berardi, dass er den Ball zum 1:0 ins Tor für die Italiener befördern musste. Goalgetter Ciro Immobile, dem nur während seiner Zeit beim BVB kurz sein Torinstinkt abhanden gekommen war, besorgte im Nachsetzen das 2:0 und bereitete auch Lorenzo Insignes 3:0 vor.
Durch den klaren Auftaktsieg unterstrich die homogen zusammengestellte Mannschaft von Trainer Roberto Mancini, die nunmehr seit 28 Spielen unbesiegt ist und seit neun Spielen kein Gegentor mehr kassiert hat, ihre Stellung als Geheimfavorit bei der paneuropäischen EM.
"Ich bin super glücklich. Wir gewinnen unser erstes Spiel vor unseren eigenen Fans, das ist super, Adrenalin pur", sagte Matchwinner Ciro Immobile in der ARD. "Die Türken haben gut verteidigt, haben uns kaum Raum gelassen, wir sind in der ersten Halbzeit nicht durchgekommen, aber in der zweiten Halbzeit haben wir das Spiel dann entschieden." Und Lorenzo Insigne meinte: "Wir waren emotional ein bisschen blockiert zu Beginn. Aber nach dem 1:0 war die Blockade weg und wir haben sehr gut gespielt."
Italiens Trainer Roberto Mancini lobte unmittelbar nach Schlusspfiff bei Rai: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht, auch in der ersten Halbzeit schon, als es uns die Türkei nicht leicht gemacht hat. Das Publikum hat uns sehr geholfen."
Der bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag stehende türkische Rechtsaußen Kenan Karaman sagte in der ARD: "Die Italiener haben es sehr gut gemacht und uns das Leben schwer gemacht. Wir haben versucht, die Null zu halten, standen sehr tief. Nach dem 1:0 ist das Spiel für uns ein bisschen dahin geplätschert und wir haben ihnen dann zu viel Räume gegeben. Aber wir sind eine junge Mannschaft, müssen jetzt daraus lernen. Es ist noch alles drin."
Türkei - Italien: Die Analyse
So stimmig und Lust aufs Turnier machend die kurze Eröffnungsfeier in ihrer Schlichtheit noch gewesen war, so zäh entwickelte sich im Anschluss zunächst das Eröffnungsspiel dieser mit einjähriger Verspätung gestarteten EM. Erst in der zweiten Halbzeit drehte Italien auf und machte Lust auf mehr.
Die Türkei schien von der ersten Minute an nur darauf aus, das Spiel der Italiener zu zerstören. Die Mannschaft stand gut gestaffelt im Raum, arbeitete aggressiv gegen den Ball, verlor ihn aber nach Ballbesitz sehr schnell wieder. Die Azzurri taten den Türken zunächst auch den Gefallen, sich den Ball mit vielen gefälligen, aber zumeist wenig überraschenden Pässen zuzuspielen.
Die Mannschaft von Trainer Roberto Mancini kam so zwar zu für italienische Verhältnisse geradezu obszön viel Ballbesitz (67,2 Prozent allein in der ersten Halbzeit), aber bekam die Kugel eben kaum ins letzte Drittel. Oder nicht zwingend genug - von den 14 Torschüssen in der ersten Halbzeit war eigentlich nur ein Kopfball von Abwehrchef Giorgio Chiellini nach einer Ecke von Lorenzo Insigne wirklich gefährlich.
Während Italien anfangs das Überraschungsmoment fehlte und auf eine geniale Aktion von Lorenzo Insigne zu hoffen schien, dauerte es auf der Gegenseite 50 Minuten (!) bis zum ersten (reichlich ungefährlichen) Konter und dem ersten (ungefährlichen) Torschuss.
Beinahe im Gegenzug düpierte Domenico Berardi nach einem unwiderstehlichen Flankenlauf erst Linksverteidiger Umut Meras und zwang dann Juventus-Innenverteidiger Merih Demiral mit seiner scharfen Flanke zum Eigentor. Nach der Führung drehte Italien auf, Ciro Immobile schaltete nach einer Glanzparade des türkischen Keepers Ugurcan Cakir gegen Leonardo Spinazzolas Schuss blitzschnell und netzte ein.
Geradezu traumhaft geriet dann das 3:0 durch Lorenzo Insigne. Nach einer katastrophalen Spieleröffnung von Keeper Cakir kombinierten sich die nun ziemlich entfesselten spielenden Italiener zum Traumstart in das Turnier
Türkei - Italien: Die Aufstellungen
Türkei: Ugurcan Cakir - Celik, Söyüncü, Demiral, Meras - Yokuslu (65. Kahveci) - Karaman (76. Dervisoglu), Yazici (46. Ünder), Tufan (64. Ayhan), Calhanoglu - Yilmaz.
Italien: Donnarumma - Florenzi (46. Di Lorenzo), Bonucci, Chiellini, Spinazzola - Barella, Jorginho, Locatelli (74. Cristante) - Berardi (85. Bernardeschi), Immobile (81. Belotti), Insigne (81. Chiesa).
Türkei - Italien: Die Daten des Spiels
Tore: 0:1 Demiral (ET/53.), 0:2 Immobile (66.), 0:3 Insigne (79.)
Der Star des Spiels: Ciro Immobile (Italien)
Blitzschnell reagiert bei seinem Tor zum 2:0, klug mitgespielt bei seiner Vorlage zu Insignes 3:0: Was kann man von einem Torjäger mehr verlangen? In einer Mannschaft ohne echte Superstars ist der frühere Dortmunder und Lazio-Stürmer nicht nur an diesem Abend der x-Faktor gewesen.
Der Flop des Spiels: Kenan Karaman (Türkei)
Ein in ein paar Wochen vertragloser Offensivspieler vom Zweitligisten Fortuna Düsseldorf in einer der Startaufstellungen des EM-Eröffnungsspiels? Was schon vor Spielbeginn reichlich komisch anmutete, wurde im Lauf des Spiels noch unverständlicher. Der gebürtige Stuttgarter Kenan Karaman sah auf der ungewohnten Position als sehr defensiv ausgerichteter Spielzerstörer auf rechts kaum Land, erlitt 15 Ballverluste bei insgesamt nur 30 Ballaktionen und brachte nur elf von 21 Pässen an den Mann.
Der Schiedsrichter: Danny Makkelie
Der Niederländer hatte mit der Spielleitung des EM-Eröffnungsspiels keinerlei Probleme. Verschaffte sich durch seine ruhige, aber bestimmte Art schnell den Respekt der Spieler und deutete auch die neue und endlich verständliche Handspiel-Auslegung (ohne Absicht kein strafbares Handspiel) richtig. Gut.