Die Obdachlosen-EM rückt Menschen vom Rand der Gesellschaft in den Fokus. Manches läuft besser als bei der "echten EM", mehr Unterstützung vom DFB ist dennoch erwünscht.
Litauen stemmt jubelnd den EM-Pokal in die Luft, die deutsche Mannschaft muss sich mit Rang sieben begnügen. Klingt unrealistisch? Ist es auch - zumindest in Bezug auf die "echte" Fußball-EM. Da ist das Team aus dem Baltikum nämlich gar nicht dabei und siebte Plätze werden nicht ausgespielt. Ganz anders aber bei der Homeless-EURO, der Obdachlosen-EM, die am Freitag in Hamburg zu Ende ging.
Fünf Tage lang spielten acht Nationen den Titel aus und feierten ein kleines, aber feines Fußball-Fest. Begeistert seien die Teilnehmer aus den acht Nationen vor allem davon gewesen, Teil der offiziellen EM-Fanzone zu sein, sagte Straßen-Sozialarbeiter und Linken-Politiker Johan Graßhoff im Gespräch mit dem SID. Er und der Verein "Anstoß!" haben das Kleinfeld-Turnier am Hamburger Heiligengeistfeld organisiert: "Ich finde es wichtig, dass sie an diesen Tagen im Mittelpunkt standen. Das Turnier wird wahrgenommen."
Man wolle bewusst Irritationen verursachen, Vorurteile aufdecken und zeigen, dass "obdachlose Menschen mehr sind als nur alkoholkrank und drogenabhängig", so Graßhoff. Die vereinigende Wirkung, die sich die UEFA bei der diesjährigen EM auf die Fahnen schreibt? "Ich glaube, das praktizieren wir etwas besser als die echte EM, wenn ich ehrlich bin", sagte der 36-Jährige.
Er selbst nominiert als Bundestrainer den Kader für die jährlich stattfindende WM und weitere internationale Turniere. Teilnehmen dürfen nur Menschen, die "obdach- oder wohnungslos sind oder waren, das darf aber nicht zu lange her sein, da gibt es strenge Kriterien", betont Graßhoff.
Die Teilnehmenden unterscheiden sich von Land zu Land deutlich, sind von jungen Straßengeflüchteten bis zu jahrelangen Suchtkranken breit gefächert. Das Ziel ist es, die Menschen zusammenzubringen. Schlafen können alle Teilnehmer in Hostels, für Essen ist durch die etwa 100 Ehrenamtlichen gesorgt. Insgesamt wurden etwa 75.000 Euro für die Umsetzung des Turniers investiert. Geld, welches dem sozialen Projekt durch einen Ideenwettbewerb der Stadt Hamburg und durch Spenden zur Verfügung gestanden hatte.
Verbesserungspotenzial gibt es dennoch, etwa in Sachen Ausrüstung. "Wir wünschen uns eine Art Kooperation mit dem DFB", sagt Graßhoff: "Es ist leider nicht so, dass der DFB sagt: Hey, das ist ein tolles Projekt. Ihr vertretet unsere Farben im Ausland."
Stattdessen müsse das deutsche Team immer wieder beim Verband nachhaken, um an Trikots zu kommen. Die DFB-Trikots, die das deutsche Team zur letztjährigen WM in Sacramento tragen sollte, kamen erst am Tag nach der Abreise an. "Bei den anderen Ländern ist es auf jeden Fall eine bessere Kooperation mit den nationalen Fußballverbänden", sagt Graßhoff: "Wir wollen in den Nationalfarben antreten, auch mit den richtigen Trikots vom DFB."
Und doch: Für die Spieler bleiben tolle Erinnerungen - ganz unabhängig von der Platzierung. "Es hat sehr viel Spaß gemacht, eine tolle Erfahrung", sagt Deutschland-Spieler Manuel Timmermann, der mit seinem Team zumindest das letzte Turnierspiel gewann: "Da können wir sehr viel Kraft und Motivation für den weiteren Weg rausziehen".