Twente Enschede: Exotik in der Festung

Von Anant Agarwala
Twente beendete die letzte Saison als Tabellenzweiter hinter AZ Alkmaar
© Getty

Twente Enschede hat klammheimlich die Phalanx der großen Drei der Eredivisie durchbrochen. Heute Abend trifft das Team von Steve McCLaren in der Europa-League-Zwischenrunde auf Werder Bremen (18.50 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY). Das Rezept des Werder-Gegners: Zwei Baumeister, ein Haufen Exotik und ein bisschen Pfannkuchen.

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Christoph Daum war enttäuscht. "Wir haben es nicht geschafft, Twente vom Toreschießen abzuhalten", lautete seine lakonische Erklärung nach dem Auftakt der Europa League. Twente hatte soeben durch einen Doppelpack von Blaise N'Kufo das Sükrü Saracoglu gestürmt, das nicht gerade als leichtes Pflaster für Auswärtsteams bekannt ist. Feners Heimbilanz in dieser Saison weist immerhin 14 Siege in 17 Spielen auf.

Das Spiel machte eines deutlich: Twente kann für Überraschungen sorgen. In der Eredivisie hat man die Phalanx der großen Drei - Ajax, PSV, Feyenoord - längst durchbrochen. Nicht nur deswegen ist Werder vor dem Hinspiel in der Zwischenrunde der Europa League gewarnt.

Mit Peter Niemeyer steht ein Ex-Spieler aus Enschede im Werder-Kader, der vor seinem alten Team gehörigen Respekt hat: "Wir müssen uns zu hundert Prozent auf die Partie vorbereiten." Von einem Duell zwischen einem niederländischen David und dem Goliath von der Weser zu sprechen, sei "absolut unbegründet", so Niemeyer.

Champions-League-Qualifikation als Ziel

In Schlagdistanz zu Spitzenreiter PSV Eindhoven steht Twente auf Platz zwei der Eredivisie und ist auf Hattrick-Kurs. Wie in den letzten beiden Jahren möchten die Tukker erst in die Champions-League-Qualifikation und, anders als bisher, dann auch in die Königsklasse einziehen.

Noch ist die Champions-League-Hymne Zukunftsmusik. Nicht auszuschließen jedoch, dass sie bei Twente-Boss Joop Munsterman schon heimlich auf CD läuft. Denn, so Twente-Experte Youri Mulder zu SPOX: "Munsterman ist ein Visionär, der Mann hinter den Ideen von Twente." Mulder kennt den Verleger, der 2004 das Ruder übernahm, aus seiner Zeit als Stürmertrainer unter Fred Rutten persönlich.

Nur eine Heimniederlage

Zwischen 1990 und 1993 machte der spätere Schalke-Angreifer in Enschede seine ersten Schritte als Profi. "Damals haben wir vor 6000 Zuschauern gespielt, jetzt wird das neue Stadion (De Grolsch Veste, 24.000 Plätze, Anm. d. Red) bald schon wieder ausgebaut. Der Vorsitzende hat Ideen, da denkt man: Das geht mit Twente doch gar nicht."

Demnächst soll sogar eine U-Bahn direkt unter dem Stadion halten. Dass die Veste (zu Deutsch: Festung) ihren Namen zurecht trägt, zeigt die Saisonbilanz von nur einer Heimniederlage - ausgerechnet im Rückspiel gegen Fenerbahce.

Zweiter Baumeister des Twente-Erfolges ist nicht etwa Coach Steve McClaren, sondern: Fred Rutten. Der Vorgänger des Engländers war es, der Eljero Elia, Edson Braafheid, Marko Arnautovic und Douglas für kleines Geld verpflichtete.

Elia und Braafheid wurden später für elf Millionen veräußert. "Von diesen Verkäufen wurde der Stadionausbau finanziert", berichtet Mulder. Mindestens dieselbe Summe dürften Douglas und der an Inter verliehene Arnautovic einbringen.

Dazu kommen die gestiegenen Zuschauer- und Sponsoring-Einnahmen, die Verpflichtungen wie die von Topstürmer Brian Ruiz (knapp 6 Millionen Euro) möglich machen. So greift beim organischen Wachstum des Vereins mit dem Pferd im Wappen ein Rädchen ins andere.

Mit McClaren steht seit 2008 ein international bekannter Trainer an der Seitenlinie, der erst die Three Lions vor die Wand fuhr und dann mit Twente Vizemeister wurde. Unter seiner Ägide hat sich die Kultur in Enschede ein wenig verschoben. "Früher war Twente ein Nachwuchs-Verein, jetzt ist es sehr schwierig für die Jugendspieler. Das liegt auch daran, dass die Engländer es gewohnt sind, viele Spieler einzukaufen", sagt Mulder über die Schattenseite des Aufschwungs.

Multi-Kulti-Truppe

Twente hat sich in der Tat zu einer echten Multi-Kulti-Truppe entwickelt. Im Kader der Roten sind 20 Nationalitäten vertreten. Aber - und das ist das Problem - viele der neuen Ausländer spielen kaum oder gar nicht.

"Spieler aus dem Ausland verdienen in den Niederlanden circa das anderthalbfache der einheimischen Spieler, durchschnittlich knapp 500.000 Euro im Jahr. Beispielsweise sitzen Nashat Akram, Wellington oder Bernard Parker nur auf der Bank und verdienen für Twente-Verhältnisse wahnsinnig viel Geld." Und für die Ersatzspieler ist es schwer, McClaren setzt fast immer auf dieselben elf Spieler.

Der Angriff veranschaulicht dagegen die erfolgreiche Seite der Twente-Exotik: Der kongolesische Schweizer N'Kufo wird flankiert vom Costaricaner Ruiz und dem Slowaken Miroslav Stoch. Ein brandgefährliches Trio, das wettbewerbsübergreifend 41 Tore erzielte, 18 davon gehen auf das Konto von Ruiz. McClaren vertraut in vorderster Front auf das Verkehrtrum-Prinzip.

"Ruiz spielt als Linksfuß auf rechts, Stoch als Rechtsfuß auf links. Sie sind keine klassischen Außenstürmer, die sich bis zur Grundlinie durchdribbeln und dann flanken. Beide ziehen nach innen und suchen selbst den Abschluss", erklärt Mulder. Während Ruiz konstant knipst und zwischenzeitlich in zehn Spielen hintereinander erfolgreich war, steckt Chelsea-Leihgabe Stoch im Formtief. Mulder: "Zurzeit spielt er wie ein Pfannkuchen."

Offensive Verteidigung

Mittelstürmer N'Kufo wird oft durch Flanken der Außenverteidiger Ron Stam (kleiner Bruder von Jaap) und Peter Wisgerhof aus dem Halbfeld eingesetzt - "und dann ist er gefährlich! Bremen muss die Flanken auch aus vermeintlich ungefährlichen Regionen kurz hinter der Mittellinie verhindern", sagt Mulder. Und er hat weitere Tipps für Thomas Schaaf: "Du musst Twente mit Kraft, Einsatz und Aggressivität bekämpfen. Sie verteidigen sehr offensiv. Wenn Werder mit zwei Stürmern tief in die gegnerische Hälfte vorrückt, bekommt Twente Probleme."

Außerdem empfiehlt Mulder aggressives Pressing gegen Abwehrchef Douglas, der für viele Angriffe der Ausgangspunkt ist: "Den muss ein Stürmer permanent beschäftigen. Eine seiner Schwächen sind unnötige Fouls und daraus resultierende Verwarnungen." Über die Werder-Spiele hinausblickend traut Mulder Douglas auch den Sprung in eine Topliga zu: "Sein Marktwert liegt bei etwa zehn Millionen. Für die Bundesliga, Italien und England ist er aufgrund seiner robusten Spielweise sehr interessant."

Schritt für Schritt

Bei Topscorer Ruiz hat Mulder dagegen seine Zweifel: "Er ist für die Eredivisie super, aber ich glaube nicht, dass er in der Bundesliga gut aufgehoben wäre."

Dass ein Abschied aus Twente nicht jedem Spieler gut tut, zeigen einige Beispiele. Orlando Engelaar, Arnautovic und Braafheid scheiterten etwa außerhalb der "Grolsch Veste".

In Zukunft sollen die besten Spieler nach Möglichkeit auch länger in Enschede gehalten werden, mit Geld aus der Champions League. Mulder sieht Twente auf einem guten Weg: "Sie gehen Schritt für Schritt."

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