Dabei verlief sein Start im Internat in Salzburg alles andere als reibungslos, Hinteregger stand mehrere Male kurz davor, alles hinzuschmeißen. Wie es der 27-Jährige dann doch noch in den Profifußball geschafft hat und was ihm an diesem sehr speziellen Beruf so gar nicht gefällt, verrät er im Interview mit SPOX und DAZN.
Sie machen eine Ausbildung zum Hubschrauberpiloten und sagen: "Fliegen ist einfacher als Autofahren". Was ist daran einfacher?
Martin Hinteregger: Es gibt kaum Gegenverkehr. Bei Start und Landung muss man natürlich aufpassen, in der Luft ist es aber recht einfach.
Gab es schon brenzlige Situationen?
Hinteregger: So weit bin ich noch nicht. Derzeit lerne ich die Notverfahren, wenn es also mal eng werden sollte. Da geht's um schnelle Handgriffe - aber zum Glück bisher alles noch inszeniert und nicht real.
Was motiviert Sie zum Fliegen?
Hinteregger: Ich sehe das nicht nur als Hobby. Mein Ziel ist es schon, nach der Karriere vielleicht Rettungspilot zu sein oder bei der Polizei zu arbeiten. Vielleicht aber auch nur Rundflüge anbieten. Das könnte mich - nach langen Überlegungen - schon ziemlich fesseln. Bis dahin ist aber noch Zeit und es bleibt vorerst ein Hobby. Ich genieße es, wer hat schon dieses Privileg, einen Hubschrauber fliegen zu dürfen?
Haben Sie ein Helfersyndrom?
Hinteregger: Ich finde es schön, einem Kind mit einem Autogramm, einem kurzen Gespräch oder einem Besuch im Krankenhaus etwas zu geben. Und ich mag Verantwortung. Ich habe gehört, dass Rettungspiloten gar nicht so wertgeschätzt werden für das Risiko, das sie eingehen, wenn sie anderen helfen. Aber ich möchte diesen Druck. Als Fußballprofi hat man den permanent und ich glaube es wird schwer, wenn dieser nach der Karriere vom einen auf den anderen Tag ganz weg ist.
Hinteregger: "Ich gehe auch mal mit Jagdjacke in die Kabine"
Wie blicken Sie auf das Jahr 2019 zurück?
Hinteregger: Es war mein schwierigstes Jahr. Auf der einen Seite die Höhenflüge mit der Eintracht, die EM-Qualifikation mit Österreich. Auf der anderen Seite das Dilemma mit Augsburg. Der neue Fokus, der in Frankfurt auf mir liegt.
Sie gelten mittlerweile als "Kult-Profi". Was ist das eigentlich?
Hinteregger: Keine Ahnung. Ich habe vielleicht ein paar ungewöhnliche Eigenschaften. Nicht böse oder gut, aber komisch vielleicht. Eigentlich bin ich ganz normal, ich gehe auch mal mit einer Jagdjacke und diesem komischen Hut in die Kabine. Und wenn ich dann neben Kevin Trapp oder Timothy Chandler stehe, die immer gut gekleidet sind, dann schaut das vielleicht schon schräg aus. Aber mir macht das nichts aus. Die Mitspieler gewöhnen sich daran. Und wenn ich jetzt mit Gucci oder Louis Vuitton, oder wie die Dinger heißen, da auflaufen würde: Das wäre wohl ein bisschen eigenartig. Da würde ich mich unwohl fühlen.
Hatten Sie einen Berufswunsch als Kind?
Hinteregger: Fußballprofi. Alternativ hätte ich wohl wie mein Vater einen Job bei der Gemeinde übernommen. Den Job hat jetzt einer meiner besten Freunde, passt also.
Sie sagen, Sie hätten in jungen Jahren auch "viel Scheiß" gebaut. Was denn?
Hinteregger: Schule schwänzen. Nicht so schlimm, hat wohl jeder schon mal gemacht. Ich wäre zweimal fast aus dem Internat in Salzburg geflogen. Da herrschte Internet-Verbot, also habe ich mir so einen Surfstick zugelegt. Und um zehn Uhr abends ist eigentlich Bettruhe gewesen - also bin ich um elf Uhr raus zu McDonald's, weil ich Hunger hatte. In dem Moment fand ich das nicht schlimm, aber wenn alle anderen sich korrekt verhalten und du nicht, fällst du aus der Reihe.
Wie war Ihre Erziehung zu Hause?
Hinteregger: Ein gutes Mittelmaß. Aber ich bin ja mit zwölf Jahren schon von zu Hause weg, aus einem 700-Einwohner-Dorf nach Salzburg auf die Schule. 35 Schüler in der Klasse, 25 davon ohne Deutsch als Muttersprache. Das war für mich als Dorfkind schon ein Schock. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Aber ich habe auch viele gute Sachen daraus mitgenommen. Da hatte ich Glück.
Martin Hinteregger über Heimat und sein Haus in Kärnten
Wie wichtig ist Ihnen Heimat?
Hinteregger: Wenn es mir nicht gut geht oder wir mal zwei, drei Spiele verloren haben - dann muss ich weg! Den Kopf frei bekommen in den Bergen, am liebsten natürlich in Kärnten. Und wenn es nur ein paar Stunden sind. Nach der Karriere werde ich ziemlich sicher wieder in Kärnten leben.
Sie haben sich schon längst ein Haus dort gebaut.
Hinteregger: Mit 20 wollte ich mir ein Auto kaufen, das gab es dann aber von RB Salzburg für jeden Spieler. "Sei nicht dumm, Junge", hat mein Vater dann gesagt, "bau dir hier ein Haus." Bei uns ist der Grund günstig, also habe ich mir ein Haus gebaut. Das kann man abbezahlen, man lernt den Umgang mit Geld. Das war extrem wichtig. Das Haus ist der Mittelpunkt meiner großen Familie, derzeit wohnt meine Schwester mit ihrer Familie darin. Dort treffen sich immer alle. Der Hausbau war außerhalb des Fußballs eine meiner besten Entscheidungen.
Was sind die Unterschiede zwischen Kärnten und Frankfurt?
Hinteregger: Wir haben die Seen, die Berge, sind immer draußen in der Natur. Das macht uns freier und als Südländer auch lockerer. Aber ich lasse mich immer gerne eines Besseren belehren. Alles nördlich von Frankfurt ist in Sachen Mentalität schon sehr anders als Österreich oder Kärnten. Aber Frankfurt ist super.
Hatten Sie Heimweh?
Hinteregger: In den ersten beiden Jahren im Internat nicht, da war alles zu aufregend. Danach war ich fast zwei Jahre durchgehend verletzt. Die Chance auf einen Profijob war sehr gering. Da wollte ich nach Hause. Zwei oder drei Mal stand ich zwischen 15 und 17 Jahren kurz davor, alles abzubrechen. Sportlich lief es nicht gut, in der Schule war ich schlecht. Und an den Wochenenden zu Hause gehen die Kumpels bei schönem Wetter um 14 Uhr zum Baden - und du musst wieder zum Zug nach Salzburg. Es hat dann aber "klick" gemacht und auf einmal ging die Leistung sprunghaft nach oben. Ich habe mich irgendwann doch durchgebissen.