Barca, Arsenal, Milan: Alle wollen Supertalent Nassim Ben Khalifa. Günter Netzer schwärmt von ihm, Ottmar Hitzfeld beobachtet ihn - und doch will der Schweizer bei den Grasshoppers bleiben. Wäre da nicht ein Millionen-Finanzloch...
Der Verdacht liegt nahe, dass es eher eine Geste des Respekts vor dem Gastgeber war, als während des Endspiels der U-17-WM zwischen Nigeria und der Schweiz unter den akkreditierten Journalisten der MVP des Turniers gewählt wurde.
Denn nachdem das Spiel beendet wurde und die Schweiz mit einem 1:0-Sieg einen der größten Erfolge der eidgenössischen Fußballgeschichte bejubelte, zeichnete FIFA-Präsident Sepp Blatter nicht Nassim Ben Khalifa, sondern Nigerias Stürmer Sani Emmanuel als wertvollsten Spieler aus.
Emmanuel gelang das Kunststück, vor heimischem Publikum alle fünf WM-Tore als Einwechselspieler zu erzielen - und doch sollte kein Zweifel darüber bestehen, wer der wahre MVP war: Ben Khalifa, Zweitplatzierter bei der Abstimmung und die neue Hoffnung der Schweiz.
"Ein außergewöhnlicher Stürmer"
Der 17-jährige Offensivspieler von Grasshoppers Zürich erzielte vier Tore und gab drei Vorlagen. Mit etwas mehr Fortune im Finale hätte er auch zum Torschützenkönig avancieren können, zweimal jedoch vergab er eine klare Möglichkeit.
Nichtsdestotrotz: Ben Khalifa gehört spätestens nach der WM zu den heißesten Talenten weltweit.
"Der Junge hat enorme technische Qualitäten und ist unglaublich torgefährlich. Wenn er vernünftig bleibt und sich durch den Erfolg nicht blenden lässt, hat er eine große Entwicklung vor sich ", schwärmt Günter Netzer. "Ein außergewöhnlicher Stürmer", sagt Dany Ryser, U-17-Trainer der Schweiz.
Im Blickfeld von Ottmar Hitzfeld
Ben Khalifa verkörpert einen seltenen und demnach begehrten Angreifertypus. Einerseits ist der Schweizer mit tunesischen Wurzeln fußballerisch ungemein begnadet, andererseits kann er dank seiner weit entwickelten, fast schon frühreifen Physis als Stoßstürmer spielen und Bälle halten, sollte das Mittelfeld nachrücken müssen.
"Die Schweiz hat bei der WM vor allem als Kollektiv überzeugt, aber Ben Khalifa stach sicherlich heraus. Für sein Alter ist er abgezockt und taktisch sehr diszipliniert. Er spielt professionell", sagt Grasshoppers-Legende Marcel Koller im Gespräch mit SPOX.
Der Ex-Bundesliga-Coach von Köln und Bochum weiter: "Im Achtelfinale gegen Deutschland und im Viertelfinale gegen Italien waren wir beispielsweise in Unterzahl, dennoch hat Ben Khalifa die Abwehrreihen sehr gut beschäftigt und nicht nur wegen den Toren das Weiterkommen gesichert."
Mehr noch: Ben Khalifa gehört nun zum Kandidatenkreis für die A-Nationalmannschaft und die WM 2010 in Südafrika. Trainer Ottmar Hitzfeld kündigte an, verstärkt auf ihn und andere Leistungsträger des Weltmeister-Teams wie Mittelfeldspieler Granit Xhaka (Basel) und Final-Torschütze Haris Seferovic (Grasshoppers) zu achten.
Barca, Arsenal, Milan: Alle wollen Ben Khalifa
Der fußballerischen Adoleszenz entwachsen ist aus der U 17 jedoch nur Ben Khalifa. Während Seferevoic beispielsweise noch in der U 21 der Grasshoppers eingesetzt wird, hat sich Ben Khalifa bei den Profis bereits als Stammspieler etabliert. Spektakulär sein Schlenzertor aus 17 Metern im Derby beim FC Zürich (3:4). Entdeckt und empfohlen wurde Ben Khalifa vom früheren Dortmund-Stürmer Stephane Chapuisat.
"Nassim ist vor dem Tor mit einer gewissen Kaltblütigkeit ausgestattet", lobt Grasshoppers-Trainer Ciriaco Sforza im sicheren Bewusstsein dessen, dass seine größte Nachwuchshoffnung nicht lange zu halten sein wird.
Der FC Barcelona, der FC Arsenal und AC Milan beobachten Ben Khalifa intensiv, zumal die verschuldeten Grasshoppers bis Ende November ein Finanzloch von über 2,5 Millionen Euro stopfen müssen. Sonst droht eine Punktstrafe, die sogar den Klassenerhalt in Gefahr bringen könnte. Die Tageszeitung "20 Minuten" titelte: "Kann sich GC mit Ben Khalifa sanieren?"
Blog zu Ben Khalifa: Das Schweizer Wundertalent
Zürich geht von Angeboten aus
Koller warnt jedoch: "Ich hoffe, dass ein potenter Finanzgeber im Hintergrund das nötige Kapital bereitstellt. Denn für Ben Khalifa ist es trotz seiner Qualitäten wohl am besten, in Zürich zu bleiben und in gewohnter Umgebung Spielpraxis zu sammeln", sagt er.
"Topklubs versuchen so früh wie möglich, Talente zu verpflichten und sie nach ihren Vorstellungen zu formen. Wenn das nicht gelingt, ist die Gefahr groß, durch das Sieb zu fallen."
Zwar habe noch kein Verein direkten Kontakt aufgenommen und die Grasshoppers hätten nicht vor, Ben Khalifa abzugeben, aber Geschäftsführer Georges Perego rechnet damit, "dass irgendwann Angebote eintreffen".
"Menge Probleme im Ausland"
Der Umworbene selbst registriert das immense Interesse um seine Person. Er sagt aber auch: "Ich möchte mich lieber erst in der Schweizer Super League durchsetzen, ehe ich ins Ausland wechsle. Dort kann man als junger Spieler eine Menge Probleme bekommen."
Nassim Ben Khalifa ist eben reifer als viele andere in dem Alter.
Nassim Ben Khalifa im Steckbrief