3. Oktober 2009: Gegen 17 Uhr brechen im Nationalstadion Islands Jubelstürme los. Der UBK Breidablik schlägt Fram Reykyavik im Finale des isländischen Pokals mit 7:6 im Elfmeterschießen. Es ist der erste Titelgewinn und der krönende Abschluss der erfolgreichsten Saison in der 59-jährigen Vereinsgeschichte Breidabliks.
Im Mittelpunkt des Jubels steht vor allem ein Mann: Alfred Finnbogason. Im Alter von gerade mal 20 Jahren schießt er Breidablik zum Titel. Er erzielt beide Treffer beim 2:2 in der regulären Spielzeit und auch als er im Elfmeterschießen antritt, zeigt er keine Nerven und trifft er trocken ins linke obere Eck.
Erfolge in Island
Auch für ihn ist dieser Tag der Höhepunkt einer herausragenden Saison. Nur ein Jahr nach seinem Erstligadebüt beendet er die Saison mit 13 Treffern in 18 Spielen auf Rang drei der Torjägerliste - die Ehrung zum Nachwuchsspieler des Jahres ist eine Selbstverständlichkeit.
Es ist der Startschuss zu einer Profikarriere, die seit diesem Tag fast durchgängig steil nach oben verläuft. Finnbogason schlägt einige Angebote aus dem Ausland aus und bleibt beim UBK. Ein Jahr später stehen die Torjäger-Kanone und die Auszeichnung zum Spieler des Jahres zuhause bei ihm im Schrank. Seinem Verein beschert er den ersten Meistertitel und die erste Teilnahme am internationalen Geschäft aller Zeiten.
Traumeinstand bei Heerenveen
Nach dieser Saison ist er für Breidablik nicht mehr zu halten. Es zieht ihn Belgien. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten beim KSC Lokeren kommt Finnbogason nach einer überzeugenden Halbserie bei Helsingborgs IF in Schweden schließlich für rund eine halbe Million Euro beim SC Heerenveen unter.
Bei den Friesländern tritt der damals 23-Jährige in die großen Fußstapfen von Stürmern wie Jon Dahl Tomasson, Ruud van Nistelrooy oder Klaas-Jan Huntelaar - und enttäuscht nicht. Bei seinem Heimspieldebüt erzielt der Isländer beide Treffer zum 2:2-Unentschieden gegen Ajax Amsterdam. Drei Wochen später netzt er beim 4:0 in der zweiten Pokalrunde gleich viermal ein.
Im dreimaligen Weltfußballer Marco van Basten hat Finnbogason den perfekten Lehrer als Trainer. Und der Niederländer setzt auf ihn. Für andere talentierte Stürmer im Kader, wie beispielsweise der niederländische U-21-Nationalspieler Rajiv van la Parra, bleibt nur die Reservistenrolle.
Ähnlichkeit zu van Nistelrooy
Die ausbleibenden Anpassungsschwierigkeiten Finnbogasons sind nicht selbstverständlich. "Er war kein klassicher Torjäger als er jünger war", verrät sein Berater Magnus Agnar Magnusson im Gespräch mit SPOX. "Alfred war keine traditionelle Nummer neun. Aber mittlerweile ist er ein hervorragender Mittelstürmer. In England sagt man 'a fox in the box'. Wenn der Ball im Strafraum zu ihm kommt, dann erzielt er auch das Tor."
Und der Ball kommt oft genug zu ihm. In 33 Pflichtspielen für Heerenveen traf Finnbogason 27-mal. Er erzielt rund die Hälfte aller Treffer seines Teams, am Ende der Saison steht er auf Rang drei der Torschützenliste der niederländischen Eredivisie. Jurie Koolhof vergleicht den 24-Jährigen bereits mit Fußballgrößen wie Ruud van Nistelrooy: "Er ist sehr beweglich und im Strafraum eiskalt", so der ehemalige niederländische Nationalspieler. "Darüber hinaus ist er aber auch ein echter Mannschaftsspieler und läuft in jedem Spiel unglaublich viel."
Weiterentwickelter Spielstil
Trotz Angeboten aus internationalen Topligen, darunter auch die Bundesliga, bleibt der Isländer in Heerenveen und spielt in dieser Saison noch stärker. "Alfred hilft seinem Team nicht nur als Torschütze, sondern auch als Vorbereiter. Das ist eine der Fähigkeiten, die er bereits in Island immer hatte", meint Magnusson. "Jetzt hat er seine Attribute kombiniert. Seine Spielmacherfähigkeiten von damals mit der Torgefährlichkeit aus der Vorsaison."
Finnbogasons Vielseitigkeit kommt ihm entgegen. Er ist ein Knipser, kann aber auch einige seiner Stärken ausspielen, wenn er das Spielfeld vor sich hat. "Er war lange Zeit eher klein und schwach und musste sich auf seine Cleverness und Technik verlassen. Jetzt ist er ein ausgewachsener Mann und somit auch ein besserer und kompletterer Spieler", erklärt Magnusson.
Internationale Topligen vor Augen
In elf der 14 Pflichtspiele Heerenveens in diesem Jahr traf Finnbogason. Insgesamt erzielt er 16 Treffer und bereitet vier weitere vor. Seine derzeitige Torquote in der Eredivisie ist noch besser als die von ehemaligen Stars wie Luis Suarez, Klaas-Jan Huntelaar oder Dirk Kuyt. Der letzte Spieler, der diese überbieten konnte war der Brasilianer Afonso Alves, der in 39 Einsätzen für Heerenveen 45-mal traf.
Im Nationalteam ist Finnbogasons Torquote allerdings noch nicht wirklich herausragend. In 18 Partien erzielte er vier Treffer - das ist ausbaufähig. Am Freitag gegen Kroatien hat er dazu direkt die Gelegenheit (ab 20 Uhr im LIVE-TICKER).
Sein Berater aber sieht ihn dennoch für höhere Aufgaben geschaffen. "Ich denke in naher Zukunft sollten wir Alfred in der Bundesliga, der Premier League oder der Serie A spielen sehen", verrät Magnusson. "Die Bundesliga sollte seinem Spielstil zudem sehr entgegenkommen." Er ist sich bewusst, dass dies durchaus ein Kriterium im weiteren Karriereverlauf seines Schützlings sein sollte.
Schicksale der Vergangenheit vermeiden
Aber: Die Liste erfolgreicher Stürmer aus der Eredivisie, die in einer der größeren Ligen scheiterten, ist lang. Die besten Torjäger der Saison 2011/2012, Bas Dost und Luuk de Jong, konnten in der Bundesliga bisher beide noch nicht wirklich Fuß fassen und Wilfried Bony, der in der Vorsaison 30 Treffer in den Niederlanden erzielen konnte, muss sich bei Swansea City derzeit noch häufiger hinter Michu einreihen.
Afonso Alves, der Wundertorschütze der Saison 2006/2007, kam in der Premier League zudem nie so wirklich an, erzielte in zwei Jahren nur zehn Treffer, ehe er die Flucht in die Wüste von Katar antrat und mittlerweile im Alter von 32 Jahren vereinslos ist.
Alfred Finnbogason hat Respekt vor diesen Schicksalen. Wie schon in Island ist er darauf bedacht den Schritt in die nächsthöhere Liga nicht zu früh zu wagen. Doch ein Wechsel ist geplant und könnte schon bald bevorstehen. Vielleicht schon im Winter? "Ich denke, dass es besser ist im Sommer zu wechseln", erklärte Magnusson und ergänzte vielsagend: "Wenn allerdings der richtige Klub mit dem richtigen Angebot kommt - kein Problem."
Alfred Finnbogason im Steckbrief