Mit dem VfB Stuttgart wurde er Meister und galt als der kommende Innenverteidiger der Nationalmannschaft. Dann geriet Serdar Tascis Karriere ins Stocken. Nach 14 Jahren verließ er seine Heimatstadt und wechselte zu Spartak Moskau. Im Interview spricht der 27-Jährige über seine anvisierte Rückkehr in die Nationalmannschaft, einen gescheiterten Wechsel zu seinem Lieblingstrainer Armin Veh und wie man den Ukraine-Konflikt in Russland wahrnimmt.
SPOX: Herr Tasci, während der Länderspielpause haben Sie einige Tage in Deutschland verbracht. Stehen Sie eigentlich noch mit Joachim Löw im Kontakt?
Tasci: Nein, mein letztes Länderspiel liegt ja auch schon vier Jahre zurück. Aber ich bin erst 27 Jahre alt und mein Ziel ist es, in die Nationalmannschaft zurückzukehren, dafür werde ich weiterhin Gas geben.
SPOX: Löw war ja immer von Ihrer Spieleröffnung begeistert.
Tasci: Ich war nie ein Bolzer. Technischer Fußball und das öffnende Spiel waren schon immer meine Stärken. Ich wollte nie ein Abwehrspieler sein, der den Ball einfach nur blind rauskloppt. Meine Philosophie ist es, stets einen schönen Spielzug einzuleiten.
SPOX: Wie haben Sie die Leistung der deutschen Innenverteidiger während der WM erlebt?
Tasci: Die haben das super gemacht. Jerome Boateng hat im Finale sehr gut gespielt. Argentinien hat alles in die Waagschale geworfen, um Weltmeister zu werden. Aber Deutschland war besser.
SPOX: Auch Antonio Rüdiger könnte zeitnah eine Konstante im DFB-Team werden. Was erwarten Sie sich von ihm?
Tasci: Mit Toni habe ich beim VfB zwei Jahre zusammengespielt, als er von den Amateuren hochgezogen wurde. Er macht seinen Job sehr gut und kann zu einem Führungsspieler in der Abwehr werden. Dass das in so jungen Jahren nicht einfach ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Hierfür muss man mutig sein, aber er befindet sich auf einem guten Weg.
SPOX: Der Mannschaft fehlt es an Konstanz, vor ein paar Wochen wurde Fredi Bobic entlassen. Steht dem VfB wieder eine Zittersaison bevor?
Tasci: Es lief einfach nicht, das habe ich auch in Russland mitbekommen. Deshalb musste die Führung wohl handeln. Aus unserer gemeinsamen Zeit hatte ich allerdings immer einen guten Eindruck von Fredi. Persönlich finde ich es deshalb schade, wir haben uns immer gut verstanden. Ich hätte es ihm gewünscht, dass er bleiben darf, denn er hat sicherlich einen guten Job gemacht. Der Kader ist nicht schlecht besetzt und mit Armin Veh hat man einen sehr, sehr guten Trainer. Das ist das große Plus und das wird sich hoffentlich bald zeigen.
SPOX: Veh war der Trainer, unter dem Sie mit dem VfB Meister wurden. Was zeichnet ihn aus?
Tasci: Ich war damals 19 Jahre alt und wir hatten mit Sami Khedira, Mario Gomez, Christian Gentner und Andreas Beck viele junge Spieler in unseren Reihen. Man hat genau gesehen, dass Veh mit Talenten umgehen kann. Er hat es geschafft, einen funktionierenden Mix aus Jung und Alt zu formen und so für eine gute Stimmung gesorgt. Er spricht viel mit den Jungen und aufgrund seines immensen Fachwissens kann er ein Team sehr gut einstellen. Die Lage ist ja heute genauso, deshalb bin ich mir sicher, dass Armin Veh der richtige Trainer ist.
SPOX: Können Sie sich noch daran erinnern, als Sie Veh von den Amateuren geholt hat?
Tasci: Das habe ich noch ganz genau vor Augen. Ich durfte damals während der Saisonvorbereitung mit ins Trainingslager fahren. Da wollte ich mich durchsetzen und habe dementsprechend Gas gegeben. Genau das hat er registriert. Armin Veh ist ein Trainer, der die Spieler bringt, die auch im Training Leistung zeigen. Am dritten Spieltag wurde ich dann gegen Bielefeld eingewechselt, so fing meine Karriere an. Deshalb hatte ich immer das Gefühl, sein Vertrauen zurückzahlen zu müssen und das ist uns mit der Meisterschaft perfekt gelungen.
SPOX: Als er dann beim Hamburger SV war, wollte er Sie auch wieder haben. Ist das richtig?
Tasci: Es gab Gespräche, aber wenn ich Stuttgart verlassen hätte, dann nur wegen Armin Veh. Ich habe immer gesagt, dass ich es mir wünsche, einmal wieder unter ihm zu spielen.
SPOX: Die momentane Kombination aus Armin Veh und VfB Stuttgart wäre für Serdar Tasci also eigentlich ein Sechser im Lotto?
Tasci: Als bekannt wurde, dass Veh wieder Trainer beim VfB wird, habe ich sofort einige Anrufe bekommen. Natürlich wäre die Konstellation überragend, aber nun habe ich eben den Schritt nach Russland gewagt.
SPOX: Wie entscheidend war eigentlich das Geld, als Sie damals Stuttgart verlassen haben?
Tasci: Nach 14 Jahren war das sehr schwer für mich. Ich hätte mir auch sehr gut vorstellen können, meine ganze Karriere dort zu verbringen. Ich hatte mehrmals die Möglichkeit, zu einem großen Verein in Italien, Spanien oder England zu wechseln, aber ich bin geblieben. Dann kam jedoch ein Wendepunkt: Mein Vertrag wäre ein Jahr später ausgelaufen, die Gespräche waren ins Stocken geraten und es sah nicht nach einer Einigung aus. Für mich war aber immer klar, dass der VfB etwas davon haben sollte, wenn ich den Verein verlasse. Da kam die Anfrage aus Moskau genau richtig und so ehrlich bin ich: Dieses Angebot war finanziell fantastisch. Das Geld gehörte natürlich auch dazu, war aber nicht das Wichtigste.
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SPOX: Wie lebt es sich denn in Moskau?
Tasci: Ich bin in Stuttgart geboren und aufgewachsen. Es war das erste Mal, dass ich von zuhause weggegangen bin. Moskau war schon eine Umstellung: Bei zwölf Millionen Einwohnern geht es rund um die Uhr zur Sache. Für die 40 Kilometer zum Trainingsgelände brauche ich anderthalb Stunden. Immer Stau, sehr viele Menschen - das sind andere Dimensionen. Privat bin ich noch nicht verreist, aber wir müssen oft auswärts ran. Zuletzt hatten wir einen Drittligisten im Pokal und mussten neuneinhalb Stunden fliegen.
SPOX: Wie sehr schlauchen solche Reisen?
Tasci: Als das ausgelost wurde, haben wir natürlich keine Luftsprünge vor Freude gemacht. Neuneinhalb Stunden hin, 90 Minuten Fußball, neuneinhalb Stunden zurück - und vier Tage später hatten wir unser Spitzenspiel in St. Petersburg. Da hat man keine Zeit, um sich zu erholen. Aber ich wusste ja, dass Russland ein bisschen größer ist als Deutschland.
SPOX: Was vermissen Sie am meisten?
Tasci: Das türkische Essen von meiner Mutter. Immer wenn mich meine Familie besucht, lasse ich mir einiges mitbringen. Ich war zuletzt zweieinhalb Monate nicht daheim, deshalb war die Vorfreude auf Familie und Freunde sehr groß. Stuttgart liegt mir einfach am Herzen.
SPOX: Haben Sie Heimweh?
Tasci: Ich bekomme oft Besuch und bald kommen meine Eltern wieder. Mir ist es wichtig, dass immer jemand da ist. Natürlich verbringt man auch Zeit mit den Teamkollegen, aber wenn man dann zuhause ist, ist es schön, wenn die Familie oder Freunde da sind. Englisch hilft hier nicht viel, auch weil die Leute es nicht sprechen wollen. Man muss sich oft mit Händen und Füßen verständigen. Deshalb lerne ich fleißig Russisch.
SPOX: Was sind denn die Tücken des Alltags?
Tasci: Wenn es im Restaurant keine Übersetzung gibt, fangen die Probleme schon bei der Bestellung an. Beim Einkaufen findet man oft ein paar Sachen nicht. Aber das sind letztlich Kleinigkeiten, die man in ein paar Minuten klären kann.
SPOX: Wie haben Sie denn die Menschen dort kennengelernt?
Tasci: Vor meinem Wechsel wurde mir erzählt, dass Russen verschlossener sein sollen. Dies habe ich aber so nicht erlebt. Meine russischen Mannschaftskollegen sind sehr offen, man kann sich hier schon akklimatisieren. Einen Kulturschock habe ich nicht erlebt.
SPOX: Ist Politik ein Thema im Mannschaftskreis?
Tasci: Der Krim-Konflikt ist schon ein Thema. Im Massageraum laufen immer die Nachrichten, dann unterhält man sich darüber. Aber für uns Sportler steht Politik nicht an erster Stelle. Auf den Straßen von Moskau bekommt man davon auch nichts mit. Das Leben geht dort ganz normal weiter. Wenn man das hingegen aus Deutschland verfolgt, sieht der Krieg dort sehr schlimm aus. Es ist ja auch sehr schlimm, aber eben kein öffentliches Thema. Ich habe auch viele Anrufe aus Deutschland erhalten, ob es Probleme gibt und wie es mir geht. Aber wenn man nicht die Nachrichten sehen würde, könnte man denken, dass es gar kein Problem gibt.
SPOX: Zurück zum Sport: Sie haben mit Murat Yakin im Sommer einen neuen Trainer bekommen. Wie läuft es mit ihm?
Tasci: In der Schweiz wurde er zweimal hintereinander Meister und hat mit dem FC Basel auch in der Champions League gezeigt, dass seine Mannschaften starke Gegner schlagen können. Er vermittelt den Spielern eine unglaubliche Siegermentalität. Im Training geht es richtig zur Sache, das war auch schon mal anders. Er arbeitet anders als die russischen Trainer, bringt deutsche Trainingsformen rein. Wir sind richtig fit und spielen sehr variabel, egal ob mit Dreier- oder Viererkette.
SPOX: Wie unterscheidet sich denn Ihr Aufgabenprofil als Innenverteidiger, von dem Job, den Sie früher in Deutschland zu verrichten hatten?
Tasci: Technisch ist die Bundesliga stärker und die Geschwindigkeit ist höher. Aber in Russland muss man mehr Zweikämpfe bestreiten. Die Liga ist im Kommen und entwickelt sich rasant. Das Spiel der Bayern bei ZSKA hätte ja auch ganz anders ausgehen können. Insgesamt ist die Bundesliga aber ausgeglichener. Da können kleinere Teams auch mal Bayern oder Dortmund schlagen, in Russland ist das weniger realistisch.
SPOX: Wie sieht denn Ihre persönliche Zielsetzung für die Saison aus?
Tasci: Ich bin endlich wieder fit, das ist das Wichtigste. Vor einem Jahr habe ich mich während des ersten Saisonspiels für den VfB noch verletzt, bevor ich zu Spartak gewechselt bin und wollte mich nicht operieren lassen. Nach einem Schlag aufs Knie musste ich dann aber doch noch am Meniskus operiert werden. Insgesamt war ich viereinhalb Monate außer Gefecht. So habe ich nur vier, fünf Spiele absolvieren können, bevor die Saison schon wieder zu Ende war. Die Operation war die erste in meiner Karriere und hoffentlich auch die letzte.
SPOX: Diese Behandlungsmethode war damals ein Streitthema in Stuttgart. Würden Sie sich wieder so entscheiden?
Tasci: Der Spieler weiß doch am besten, wie er sich fühlt. Klar sollte man sich die Meinungen der Mediziner anhören, aber letztlich muss man das selbst entscheiden. Ich habe mich gegen eine Operation entschieden und am Anfang sah es ja auch gut aus. Wenn ich gewusst hätte, wie es laufen würde, hätte ich es natürlich anders gemacht. Aber daran denke ich nicht mehr.
SPOX: Sie wollen auch einmal in der Türkei spielen. Verfolgen Sie einen genauen Karriereplan?
Tasci: Ich habe mir schon darüber Gedanken gemacht, als ich Profi geworden bin. Das so zu realisieren, ist allerdings schwierig. Es können immer Verletzungen dazwischen kommen oder die Trainer andere Vorstellungen haben, dann wechselt man eben doch woandershin. Aufgrund meiner Abstammung ist die Türkei schon immer interessant für mich. Auch wenn ich in Deutschland geboren bin, fühle ich mich auch als Türke und beherrsche die Sprache perfekt. Es ist schon realistisch, dass ich einmal dort spielen könnte.
SPOX: Und welcher wäre dann Ihr Lieblingsklub in der Türkei?
Tasci: In der Türkei hat man immer einen Klub, dem man besonders die Daumen drückt, weil das ein fußballverrücktes Land ist. Ich habe schon auch einen, aber den verrate ich nicht. Meine Freunde fragen mich auch immer, aber ich spiele professionell Fußball und deshalb bin ich gerade Spartak-Fan. Dieses Geheimnis klärt sich erst dann, wenn ich in der Türkei spiele (lacht).
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