Fenchel, Birnen, eckige Autoreifen

Oliver BirknerBen Barthmann
01. Februar 201621:10
Ist er ein Fenchel? Oder doch eher Trainer bei Inter Mailand? getty
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Im neuen Jahr will man sich ja möglichst gesund ernähren. Wie das funktioniert, macht die Serie A TIM vor - also zumindest ansatzweise. Auf der Insel ist's auch eher fifty-fifty und in Spanien gibt's beim kleinen Derby-Wochenende auch eher Grobgehacktes. Aber lest die Blitzlichter aus Europa doch einfach selbst.

Serie A

Von Oliver Birkner

Scheißdreck des Spieltags: Man hatte es inmitten der regelmäßigen Lethargie beinahe vergessen. Doch am Sonntagabend rief das offiziell 216. Mailänder Derby in Erinnerung, dass ein vollgepacktes, rumorendes San Siro fraglos zu den fantastischsten Arenen weltweit zählt. Und die Tifosi bekamen in der Scala des Calcio allerhand Spektakel geboten. Inter-Coach Roberto Mancini, kürzlich noch in der Rolle der selbsternannten Moralinstanz, stufte die Referees in die Kategorie "lächerlich" und wurde des Feldes verwiesen. Beim Gang in die Katakomben präsentierte er einigen Fans an der Balustrade den Mittelfinger und verteidigte sich: "Sie haben mich beschimpft und hätten dort eigentlich gar nicht stehen dürfen. Wo waren die Stewards?" Fans im Stadion in Rufweite, also wirklich. Nachfragen vom Berlusconi-Sender "Mediaset" beantwortete Mancini später sachlich: "Ihr quatscht euch wirklich völligen Scheißdreck zusammen."

Die Anhänger des 3:0-Siegers Milan blieben ebenfalls nüchtern. Als Mauro Icardi beim Stand von 1:0 einen Elfmeter an den Pfosten schoss, setzte Politiker Matteo Salvini auf der Ehrentribüne wiederholt zum "ombrello" an: eine flache Hand am Bizeps und den Arm per Faust zum Fuck off geschwungen. Vielleicht darf man von einem Rechtspopulisten keine feine Etikette erwarten, doch immerhin ist Salvini Parteisekretär und Abgeordneter im Europaparlament.

Coach Sinisa Mihajlovic feierte gleichzeitig an der Seitenlinie und verriet: "Beim Rutschen auf den Knien ist mir sogar meine Hose gerissen." Womöglich appetitlicher als Mancinis Menü der vergangenen zwei Wochen: Zunächst als Finocchio bezeichnet (Fenchel oder Schwuchtel), im nächsten Duell den späten Ausgleich durch Lasagna kassiert, dann drei "pere" (Birnen oder Buden) bei Juve kassiert und schließlich im Derby ein Gegentor von Bacca (Beere) hingenommen. Der kommende Gegner Chievo führt Gamberini und Pepe im Kader - bitteres Omen.

Clowns des Spieltags: Ziemlich pingelig erledigte der Referee in Genua seinen Arbeitstag. Dort stoppte Florenz-Coach Paulo Sousa einen Ball auf der Seitenlinie, um den Einwurf seiner Jungs zu beschleunigen, und sah deshalb Rot. Naja. Der Ex-Dortmunder nahm es mit Humor und schwärmte später: "Das war eine geniale Annahme, ich habe eben nichts verlernt." Vielleicht sollte die Fiorentina eine Funktion als Spieler-Trainer erwägen, denn mit den nötigen Defensiv-Transfers läuft es eher bescheiden. Eigentlich schien der Einkauf von Mammana fix, da meldete sich dessen River-Plate-Präsident D'Onofrio zu Wort: "Wir hatten uns auf neun Millionen Euro geeignet, plötzlich drückte Florenz deutlich seine Offerte und ich habe sie zum Teufel gejagt. Wir verhandelten mit echten Clowns." Ebenfalls ein genialer Stopp.

Und sonst? Wer vor dem kommenden Duell zwischen Juventus und den Bayern noch einen heißen Expertentipp für seinen Wetteinsatz benötigt, dem sei geholfen. Ex-Juventino Sergio Brio, der unter anderem vier Scudetti und alle drei Europapokale in Turin holte, legte sich fest: "Kurz nach der Auslosung gab ich den Bayern eine 55 Prozent Chance aufs Weiterkommen. Nach zwölf gewonnenen Spielen in Serie muss ich mich korrigieren: Juves Möglichkeiten sind auf 45 Prozent gestiegen."

Premier League

Von Ben Barthmann

Spiel des Spieltags: Es ist Pokal, es ist die vierte Runde, es ist eine Pflichtaufgabe. Welches dieser Wörter Liverpool nicht verstanden hat? Man weiß es nicht. Die Reds spielten im FA Cup 0:0 gegen West Ham United und müssen damit ins Wiederholungsspiel. Was den Physiotherapeuten des Klubs angesichts der zunehmenden Belastung jetzt schon ein Zeichen ist, die ein oder andere zusätzliche Liege zu bestellen, treibt auch Jürgen Klopp den Schweiß auf die Stirn.

Vielleicht sah der Plan aber auch anders aus, als der durchschnittliche SPOX-Redakteur erahnen kann. Denn unter der Woche klappte das doch super mit dem Pokal. Gegen Stoke City wurschtelten sich die Reds bis ins Elfmeterschießen - denn eines wissen wir ganz sicher: Dort kommt Liverpool immer weiter. Denn: Sie werden trainiert von einem Deutschen. Auf der Insel, im Mutterland des Scheiterns vom Elfmeterpunkt.

Was zweimal funktionierte (Norwich - Liverpool 4:5 n.E., Liverpool - Stoke 6:5 n.E.) lief also nicht gegen West Ham. Dabei war die moralische Unterstützung wieder einmal blendend. Nur Abwehrspieler Martin Skrtel dürfte nicht dabei gewesen sein. Wundern würde es zumindest nicht, wenn er nach diesem Jubel mit Hamstring-Injury auf einer der zusätzlichen LFC-Liegen am auskurieren ist.

Spieler des Spieltags: Müssen wir da lange herum reden? Nein. John Terry verkündete im Rahmen des glorreichen 5:1-Siegs über die Milton Keys Dons, den FC Chelsea am Ende der Saison definitiv zu verlassen. "Ich werde meine Karriere nicht hier beenden, das wird kein Märchenende", ließ er direkt springen und rechtfertigte damit mal wieder den ein oder anderen verträumt romantischen Mittelfinger von der Tribüne aus.

Terry und Chelsea. Das ist eine Ehe, die eigentlich niemals enden dürfte, ist der Klub doch ähnlich unromantisch wie der Spieler selbst. Ein simpler Anruf bei seinem Agenten reichte den Blues auch, um ihre Legende abzuschießen. Der Kapitän bat schließlich selbst um ein persönliches Gespräch. Schade, so Terry: "Ich wäre gerne geblieben, aber der Klub bewegt sich eine andere Richtung." Aber: "Dann werde ich eben woanders sein." Heißer Tipp: Terry spielt bald beim LFC. Aus Gründen.

Direkt wurde man ein wenig sentimental in London. Was macht man eigentlich, wenn Terry mal nicht mehr ist? Dann spielen nur noch Weicheier bei den Blues? Alan Shearer zumindest ist dieser Meinung. Der beschwerte sich in der Halbzeit des Pokal-Fights über Cesc Fabregas, der eine Grätsche vermied, um sein Schienbein zu retten: "Darüber kann man nicht lachen. Das ist armselig, das ist es wirklich. Du liegst 0:1 zurück und entscheidest dich, eine 50/50-Situation abzuschenken."

Wir behaupten mal: Wenn die 50/50-Situation Torchance oder acht Monate Pause bedeutet, hätte sich Alan Shearer definitiv mit Messer zwischen den Zähnen ins Getümmel geworden. Nicht.

Anything else? Social Media ist eine tolle Gelegenheit, um mit den Fans in Dialog zu treten. Das können manche besser, manche weniger. Und dann ist da Arsenal. Die schaffen es, mit einem einzigen Post den größten Shitstorm seit den White-Power-Oscars auszulösen. "Wir haben Özil. Mesut Özil. Ich denke nicht, dass du verstehst. Er ist Arsene Wengers Mann. Er ist besser als Zidane."

Dass die Macher des Accounts nur verzweifelt cool sein wollten, hat kaum jemand bemerkt. Vielmehr wurden die Gunners gleich auf eine Ebene mit Kanye West gestellt. Und den mag nun wirklich keiner. Außer Kanye West natürlich.

Primera Division

Von Ben Barthmann

Spiel des Spieltags: Das Topduell um die Spitze Spaniens ist auch immer eine Glaubenssache. Nachdem der Clasico in Zeiten wie diesen eher die 1B-Wahl darstellt, ist Barca gegen Atletico momentan das Duell um die Vorherrschaft. Feingeister gegen rüde Treter könnte man angesichts des Spielbogens sicher meinen, fehlen den Rojiblancos doch im nächsten Spiel immerhin vier Spieler gesperrt.

Filipe Luis versuchte sich noch in der ersten Halbzeit daran, Lionel Messis Kniescheibe operativ zu entfernen, Diego Godin nahm sich wohl ein Beispiel an Mario Balotelli. Diego Simeone: "Mach keinen Blödsinn. Du hast schon Gelb, wir sind ein Mann weniger." Wenig später: Wusch, Krach, Bumm. Luis Suarez halbtot, Godin beim Duschen - Atletico völlig erledigt? Von wegen. Sie sorgten auch mit neun Mann noch für Herzrasen beim durchschnittlichen Cule, mussten sich aber letztlich doch geschlagen geben.

Tomas Roncero, seines Zeichens Reporter der AS, hatten den Schuldigen schnell ausgemacht: "An dem Tag, an dem eine Mannschaft gegen Barca spielt und die Partie mit elf Spielern beendet, sind Autoreifen eckig." Böser Schiedsrichter! Gar nicht böse war übrigens Javi Mascherano. Als Atleticos Augusto, gekommen um den angeschlagenen Tiago zu ersetzen, verletzt vom Platz getragen werden musste, sprach ihm der Barca-Verteidiger gut zu und küsste seinen Landsmann auf die Stirn. Respekt.

Spieler des Spieltags: Bevor er uns noch auf die Palme rückt, machen wir Cristiano Ronaldo lieber schnell zum Spieler der Jornada. Der Portugiese ist wohl der einzige Mensch in Madrid, der sich vehement gegen eine Unabhängigkeit von Katalonien ausspricht. Warum? Ganz einfach: Wenn RCD Espanyol nicht mehr in LaLiga kickt, dürfte die Torausbeute von CR7 direkt um einiges einbrechen. Acht Tore hat er in den letzten beiden Partien gegen die kleinen Katalanen erzielt.

Im Derby gegen den FC Barcelona noch aufgetreten wie 300 Spartiaten, zeigte sich Espanyol gegen Real eher im Stile einer verunsicherten Kita-Krabbelstube. Neuzugang und Torhüter Giedrius Arlauskis kassierte direkt zum Einstand sechs Gegentreffer, Neuzugang und Verteidiger Oscar Duarte traf gleich mal ins eigene Tor. Immerhin: Das dürfte gleich mehrere Einstandsbierkästen für die Rückfahrt gegeben haben. Nötig wär's, erkannte auch Trainer Constantin Galca: "Warum Arlauskis gespielt hat? Weil ich ihm vertraut habe."

Und Ronaldo? Der wusste sogar selbst um seinen Lieblingsgegner: "Ich würde ihnen gerne ein paar meiner Tore schenken, damit sie die Liga halten." Ist eben ein Edelmann, der Crissi. Da dürfte ihn selbst die Aussage von Schauspielerin Chloe Grace Moretz (bekannt aus Blockbustern wie The Equalizer oder Kick-Ass 2) nicht allzu hart getroffen haben: "Ich liebe Fußball, bin großer Fan von Real Madrid!" Aber: "Lionel Messi ist der beste Spieler der Welt."

Algo mas? Jede Menge natürlich. Da wäre, wie schon in der letzten Woche, ein Lob für Sporting Gijon fällig. Der Aufsteiger siegte gegen Valencia - gut, das kann nun wirklich jeder - feiert aber Youngster Tony Sanabria abermals. Der junge Mann ballert sich langsam in der Torjägerliste immer weiter nach oben und ist neuerdings in einem auserwählten Kreis. Nur Lionel Messi und Kun Agüero erzielten bisher mit 19 Jahren zehn oder mehr Tore in einer LaLiga-Saison.

Lob entziehen muss man leider Celta Vigo. Die bisherige Überraschungsmannschaft tut sich derzeit dermaßen schwer, dass man offenbar entschieden hat, ein paar seiner Punkte aus Fairness in der Rückrunde wieder abzugeben. In den letzten Wochen verhalf man inzwischen Malaga (0:2), Rayo Vallecano (0:3) und Las Palmas (1:2) zu wichtigen Dreiern im Abstiegskampf. Womit dann doch wieder ein Lob fällig wäre. Grüne Karte anyone?

Einen haben wir noch. Zitatkurs, Teil I auf spanischen Journalistenschulen. Sergio Ramos sprach über die Wechselgerüchte rund um Neymar zu den Königlichen. Schreibt man für die Marca titelt man: "Neymar nach Madrid? Kann ich mir nicht vorstellen." Schreibt man dagegen für die AS titelt man: "Neymar nach Madrid? Der Fußball hat schon viele Überraschungen erlebt." Was Ramos eigentlich sagen wollte: Ein Sergio Ramos spielt nicht für den FC Barcelona. Was andere machen, kann er nicht sagen.