Kroatischer Messi, Wunderkind... Ante Coric hat viele Spitznamen und wird mit fast allen Top-Klubs Europas in Verbindung gebracht. Im Interview spricht der 18-Jährige von Dinamo Zagreb über Fans aus Fernost, ein Probetraining beim FCB und irre Angebote.
SPOX: Herr Coric, bei Dinamo Zagreb haben Sie zwei Tage nach Ihrem 17. Geburtstag debütiert, dazu sind Sie jüngster Torschütze der Europa-League-Historie. Wie schwer ist es, bei so vielen Schulterklopfern auf dem Teppich zu bleiben?
Ante Coric: Komplimente sind sicher für jeden Menschen angenehm. Die Lobeshymnen ehren mich natürlich, aber sie sind auch eine sehr große Verantwortung, denn gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung, vor allem die der Fans.
SPOX: Wie gehen Sie damit um?
Coric: Prinzipiell mache ich mir darüber keine großen Gedanken. Es ist ganz normal, dass die Erwartungshaltung wächst. Ich persönlich habe auch hohe Erwartungen an mich selbst, sodass diese automatisch mitwachsen. Ich bin sehr ambitioniert und mag es nicht, zu verlieren. Das möchte ich auch den Fans zeigen und sie mit vollem Einsatz glücklich machen.
SPOX: Können Sie als eines der größten Talente im Weltfußball überhaupt noch in Ruhe auf die Straße gehen?
Coric: Ich bin ja immer noch ein ganz normaler Junge, nicht besser als andere und auch nichts Besonderes. So wurde ich erzogen. Da kann ich auch mal mit dem Bus zum Training fahren. Gelegentlich gibt es aber schon den einen oder anderen verrückten Zwischenfall.
SPOX: Haben Sie ein Beispiel?
Coric: Als ich vor einiger Zeit mit Freunden in Zagreb spazieren war, kam ein Japaner auf mich zu, sprach mich mit meinem Namen an und fragte nach einem gemeinsamen Foto. Ich war völlig perplex, weil ich nicht wusste, woher er mich kannte. (lacht) Natürlich war ich über diese sympathische Begegnung aber sehr glücklich. Ich habe ihn nach seiner Adresse gefragt und ihm ein Trikot zugeschickt. Gelegentlich werde ich also schon erkannt, aber man unterhält sich ganz normal, wie jeder andere auch.
SPOX: Sieht Ihr Tagesablauf auch so normal aus?
Coric: Vor dem Frühstück und der Fahrt zum Training mache ich schon meine ersten Übungen. Wenn wir frei haben, lege ich eine Zusatzschicht ein. Dann steht das Mittagessen bei meiner Mutter Zdravka an, sie ist die beste Köchin der Welt. Ansonsten verbringe ich die Zeit mit Freunden, auch manchmal an der Playstation.
SPOX: Auch zu Ihren Brüdern wird Ihnen eine sehr enge Beziehung nachgesagt.
Coric: Mit meinen Brüdern rede ich viel, natürlich auch über die Zukunft und was auf uns oder mich zukommt. Ich konnte in den letzten Jahren viel von ihnen lernen, aber jetzt ist die Zeit gekommen, an der der Schüler die Lehrer überholt hat. (lacht)
SPOX: Wie schwer fiel Ihnen als Familienmensch der Umzug 2009? Sie sind als Elfjähriger nach Salzburg zu Red Bull gewechselt.
Coric: So schwer war es gar nicht, ich bin gemeinsam mit meinen Eltern nach Salzburg gezogen. Vielleicht war es für sie etwas schwieriger, aber wir haben es ganz gut hinbekommen.
SPOX: Die Strukturen bei RB waren sicher verwirrend. Wie ungewohnt war die Arbeits- und Lebensweise im neuen Umfeld mit einem höheren Druck?
Coric: In Salzburg war alles sehr organisiert. In allen Teams gab es Monatspläne, nach denen gearbeitet wurde. Auch auf die Noten wurde großen Wert gelegt, das war aber zum Glück nie ein Problem, genau wie die neue Sprache. Ich war ein guter Schüler. Einen großen Druck habe ich persönlich nicht gespürt, dafür liebe ich diesen Sport viel zu sehr.
SPOX: Sie haben damals auch Probetrainings beim FC Bayern und dem FC Chelsea absolviert. Wieso fiel die Entscheidung ausgerechnet für Salzburg?
"Tuchels Job will ich nicht": Benjamin Adrion im Interview
Coric: Von allen Klubs hat sich Red Bull am meisten um mich bemüht und sie hatten sehr schnell sehr konkrete Pläne. Zu diesem Zeitpunkt war das einfach am besten für meine Entwicklung. Percy van Lierop, der den Transfer initiiert hat, habe ich viel zu verdanken. Er war mir eine große Hilfe und auch der Grund, weshalb ich mich schnell zurechtgefunden habe.
SPOX: In England wehte ein anderer Wind. Die Begrüßung sei kälter gewesen als in Salzburg, wurden Sie damals zitiert.
Coric: Ich kann mich nicht genau an die Aussage erinnern, aber vielleicht fiel sie einfach aus dem ersten Eindruck heraus. Damals hatte Salzburg für mich den besten Plan.
SPOX: Wie genau sah der aus?
Coric: Das Gesamtpaket hat gestimmt. Die Trainingsmöglichkeiten und der kurz- und mittelfristige Plan waren extrem überzeugend. Selbstverständlich gab es auch schwierige Zeiten, in denen es einem nicht gut ging. In dieser Zeit war Percy sehr wichtig für mich. Ihn konnte ihn um Mitternacht anrufen und er hatte immer ein offenes Ohr.
SPOX: Trotz allem ging es nach vier Jahren in Salzburg wieder zurück nach Kroatien. Sie hatten damals sicher auch erneut attraktive Angebote aus dem Ausland?
Coric: Ja, es gab einige Angebote, sie waren finanziell auch ziemlich lukrativ. Aber gemeinsam mit meiner Familie habe ich entschieden, dass ich meine Karriere in Zagreb fortsetze. Seit der Kindheit schlägt mein Herz für Dinamo, da ging mit dem ersten Einsatz auch ein Traum in Erfüllung.
SPOX: Wie haben Sie Ihr erstes Profispiel in Erinnerung?
Coric: Ich habe es direkt vor Augen, als ob es gestern gewesen wäre. Natürlich war ich gewissermaßen aufgeregt, das wurde aber von der Möglichkeit, meinen Traum wahr werden zu lassen, überstrahlt. Auf dem Platz war alles weg, da lag der Fokus nur auf dem Spiel. Meine ganze Familie war im Stadion. Ich gehe davon aus, dass sie stolz auf mich war - da muss ich mal nachfragen. (lacht)
SPOX: Heutzutage sind viele Jugendliche entweder Fans des FC Barcelona oder von Real Madrid. Haben Sie das Gefühl, dass die Liebe zu regionalen Klubs abnimmt?
Coric: Jeder liebt Real und Barca, da sie zu den besten Klubs der Welt gehören. Es ist sehr schwer, sich über Sympathien ein Urteil zu bilden. Ich weiß nur, dass Dinamo früh in meinem Herzen war und dort auch immer sein wird.
SPOX: Mateo Kovacic, Luka Modric, Niko Kranjcar , früher Zvonimir Boban und Robert Prosinecki: Die Liste der großen Mittelfeldspieler bei Dinamo ist lang. Hat einer von Ihnen Sie am meisten geprägt?
Coric: Dinamo ist dafür bekannt, auf fast allen Positionen starke Spieler hervorzubringen. Aber klar, die erwähnten Spieler sind klasse. Modric muss ich nicht beschreiben, er ist mit seinen Leistungen zurzeit die Hauptfigur in Reals Spiel. Boban und Prosinecki waren Weltklassespieler, Spielgestalter - jeder auf seine eigene Art und Weise. Ich schaue mir viele Spiele und Spieler an, aber ich würde keinen besonders hervorheben, von dem ich am liebsten lerne. Ich analysiere mein eigenes Spiel, um die Sachen zu verbessern, mit denen ich nicht so zufrieden bin.
SPOX: Viele Experten sehen Sie sogar schon weiter als Modric in Ihrem Alter.
Coric: Der Vergleich mit einem der besten Mittelfeldspieler der Welt ehrt mich. Seine Ziele kann man aber nur durch harte Arbeit erreichen, und das ist auch mein Motto. Insofern nehme ich erst einmal jede Erfahrung mit. Jeder Mensch lernt täglich dazu, auch wir Sportler.
SPOX: Anders gefragt: Was kann Modric heute, was Sie noch lernen möchten?
Coric: Luka ist ein fantastischer Spieler, er ist sehr leichtfüßig und liest das Spiel phänomenal. Er ist ein Stratege und eine Persönlichkeit auf dem Platz. Von ihm können alle lernen.
SPOX: Modric und Mario Mandzukic wechselten erst im Alter von 23 beziehungsweise 24 Jahren von Dinamo Zagreb in eine europäische Top-Liga. Ist es für Sie auch vorstellbar, noch fünf Jahre zu warten?
Coric: Ich bin voll auf Dinamo fokussiert und denke an nichts anderes. Ich fühle mich hier wohl, der Verein hat mir die Gelegenheit gegeben, mein Hobby zum Beruf zu machen. Jetzt ist es erstmal an mir, das auch mit Leistung zu rechtfertigen. Wenn die Zeit kommt, entscheide ich zusammen mit meiner Familie über meine Zukunft, aber da gibt es keinen konkreten Zeitrahmen.
SPOX: Das Gegenbeispiel ist Mateo Kovacic. Er ging früh nach Italien zu Inter und jetzt zu Real Madrid. Ziehen Sie Ihre Schlüsse aus so einem Werdegang?
Coric: Mateo und ich kennen uns aus der U21, seine Karriere ist sensationell verlaufen. Ich beobachte das natürlich alles, aber am Ende muss es sich jeder selbst verdienen, deswegen bleibe ich voll auf mich fokussiert.
SPOX: Seit der U15 haben Sie alle U-Nationalmannschaften Kroatiens durchlaufen und mit 18 bereits für die U21 gespielt. Wann folgt der Schritt zum A-Team?
Coric: Es ist für jeden Spieler ein Traum, das Trikot der Nationalmannschaft überzustreifen. Ich versuche mir diese Chance tagtäglich zu erarbeiten. Ich bin jung und vor allem Realist. Ich muss von Schritt zu Schritt denken und so meine Ziele erreichen.
SPOX: Martin Ödegaard gilt als ähnliches "Wunderkind" wie Sie. Ist seine Entwicklung eine Warnung?
Coric: Martin ist ein sehr guter Spieler, das hat er in der Vergangenheit schon bewiesen. Ich bin sicher, dass er sein Talent zeigen und eine starke Karriere hinlegen wird. Eine Warnung muss das nicht sein, es kann ja keiner in die Zukunft sehen.
Ante Coric im Steckbrief