Lange galt Amin Younes als eines der größten Talente aus dem Fohlenstall, allerdings konnte sich der 23-Jährige bei Borussia Mönchengladbach nicht dauerhaft durchsetzen. Nach einem Intermezzo beim 1. FC Kaiserslautern wechselte Younes zu Ajax Amsterdam. Ein Gespräch über die Gründe für den Wechsel in die Eredivisie, sein Verhältnis zu Lucien Favre und ehrenamtliches Engagement.
SPOX: Herr Younes, Sie waren 14 Jahre bei Gladbach und wurden im Fohlenstall ausgebildet. Was bedeutet Ihnen die Borussia?
Amin Younes: Gladbach nimmt einen großen Platz in meinem Herzen ein, weil mich der Verein sowohl spielerisch als auch menschlich geprägt hat. Ich hatte eine unglaublich tolle Zeit dort und sehe es als Privileg, dass mich der Verein großgezogen hat. Umso glücklicher bin ich darüber, dass ich meine ersten Schritte in der Bundesliga im Fohlen-Trikot gemacht habe.
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SPOX: In Ihrer Zeit als Gladbach-Profi hieß Ihr Trainer immer Lucien Favre. Obwohl er früh von Ihnen schwärmte, konnten Sie sich nicht langfristig durchsetzen. Kamen die überschwänglichen Lobeshymnen zu früh?
Younes: In dieser Phase war es wichtig, dass mir jemand sagt, worin ich mich verbessern muss. Diesen Part hat bei mir auch Horst Hrubesch übernommen, weil er nicht nur gelobt, sondern auch draufgehauen hat. Das hat mir extrem geholfen. Auch Favre ist ein hervorragender Trainer und ich habe extrem viel von ihm gelernt.
SPOX: Favre wird nachgesagt, Spieler individuell weiter zu entwickeln. Wie haben Sie die Arbeit mit ihm erlebt?
Younes: Ich bin immer mit einem Lächeln ins Training gegangen, weil wir so gut wie alles mit dem Ball gemacht haben und immer Spaß hatten.
SPOX: Favre war nicht dafür bekannt, am laufenden Band junge Talente nach oben zu ziehen. Wie haben Sie als Top-Talent den Umgang mit ihm erlebt?
Younes: Das war teilweise schon schwierig, weil er immer gesagt hat: "Geduld, Geduld und deine Zeit kommt." Favre hatte eine gute Absicht, aber ich habe das als junger Spieler nicht wirklich verstanden, weil ich mich immer voll reingehängt und trotzdem kaum gespielt habe. Heute kann ich Favre besser verstehen. Er wollte die jungen Spieler auf den richtigen Moment vorbereiten.
SPOX: War das vielleicht sogar gewinnbringend, weil Sie nicht verheizt wurden oder empfanden Sie das als hinderlich?
Younes: Vielleicht sah es in diesem Moment schlecht aus, aber ich will immer das Positive aus jeder Erfahrung herausziehen. Es war eine tolle Zeit und ich mache weder Favre noch Max Eberl oder sonst wem einen Vorwurf. Am Ende bin ich dafür verantwortlich.
SPOX: In der Saison 2013/14 standen Sie kein einziges Mal in der Startelf. Wie bleibt man da als Spieler optimistisch?
Younes: Das war sehr belastend. Ich liebe Fußball, ich liebe es, darüber zu sprechen und ich liebe es zu spielen - für mich geht es rund um die Uhr um Fußball. Umso schwieriger ist es, wenn man nicht auf dem Platz steht. In dieser Zeit hat mir meine Familie und mein Glaube dabei geholfen, die Motivation hoch zu halten. Wenn ich damals nicht weitergearbeitet hätte, wäre ich heute nicht bei Ajax.
SPOX: Bevor Sie nach Amsterdam wechselten, spielten Sie auf Leihbasis beim 1. FC Kaiserslautern in der 2. Liga. Wie schwierig war die Umstellung?
Younes: In Lautern habe ich nicht nur wegen der härteren Gangart eine schwierige Zeit erlebt. Viele Spieler waren nur zur Leihe dort und wollten danach wieder zurück, es gab kein richtiges Teamgefüge. Aber durch dieses Jahr bin ich härter, selbstständiger und reifer geworden.
SPOX: Nach dem Ende der Leihe verließen Sie Gladbach endgültig. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, Ihren Jugendverein zu verlassen?
Younes: Es war eine schwierige Entscheidung, aber letztlich fiel sie mir einfacher als erwartet und ich bin froh, dass alles reibungslos über die Bühne ging. Ajax hilft mir dabei, Gladbach nicht zu sehr zu vermissen.
SPOX: Warum fiel die Wahl auf Amsterdam?
Younes: Es gab Angebote aus Deutschland, sowohl aus der 1. als auch 2. Bundesliga. Aus dem Ausland gab es auch aus Portugal und Italien Angebote, aber als ich von Ajax gehört habe, bin ich aus den Latschen gekippt. Beim Training habe ich manchmal das Gefühl, dass ich Fußball neu lerne. Ich bin ein Instinkt-Fußballer und sowohl die Mentalität als auch die Spielweise hier sind wie eine Wohlfühloase. Ich bin Gott dankbar dafür, dass mich mein Weg hierhin geführt hat.
SPOX: Sie sind ein kleiner und dribbelstarker Spielertyp. Arbeiten Sie speziell an Ihrer Durchsetzungsfähigkeit?
Younes: Auf jeden Fall. Ich muss auf eine gute Ernährung achten, um diese Beweglichkeit beizubehalten. Um ehrlich zu sein, war mir das in Gladbach nicht so bewusst, aber bei Ajax hat sich das geändert. Wir sind verpflichtet, zusammen zu frühstücken und bekommen ausschließlich glutenfreie Produkte. Außerdem gehe ich abends nicht mehr mit Freunden weg und esse nicht mehr jeden Müll, zusätzlich lasse ich weitgehend die Finger von Brot. Das ist nicht immer ganz einfach, weil das in meiner Kultur oft serviert wird.
SPOX: Offenbar zahlt sich das aus: In Ihrer ersten Saison bei Ajax waren Sie insgesamt an 17 Toren beteiligt.
Younes: Frank de Boer als Trainer war das Beste, was mir passieren konnte. Ich durfte endlich wieder Fußball spielen. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass ich zwar Gas geben muss, dann aber auch spielen werde. Vom ersten Gespräch an habe ich Ehrlichkeit gespürt.
SPOX: Sie loben de Boer in höchsten Tönen. Mittlerweile ist er zurückgetreten und Peter Bosz hat übernommen. Was macht er anders?
Younes: Peter Bosz spricht deutlich mehr als Frank de Boer. Ich habe unter ihm taktisch einige neue Ansätze kennengelernt und bin davon überzeugt, dass ich mich steigern werde. Aber ich musste auch erstmal lernen, über einen längeren Zeitraum jedes Spiel zu bestreiten. Das kannte ich aus meiner Zeit bei Gladbach ja gar nicht.
SPOX: Auch über Sport-Direktor Mars Overmars haben Sie sich positiv geäußert. Was zeichnet ihn aus?
Younes: Die Verantwortlichen von Ajax sind grundsätzlich einfach omnipräsent. Sie schauen sich das Training an, sprechen viel mit den Spielern und haben so auch Einfluss auf mich persönlich. Overmars strahlt Bescheidenheit aus und damit kann ich mich identifizieren, weil ich auch mit beiden Füßen auf dem Boden stehe.
SPOX: Ein Karriere-Highlight blieb Ihnen wegen Ajax allerdings verwehrt: Olympia 2016. Wie groß war die Enttäuschung, als Sie wegen der Champions-League-Playoffs nicht freigegeben wurden?
Younes: Die Enttäuschung war groß und ich hatte lange daran zu knabbern. Ich hätte Herrn Hrubesch gerne nochmal etwas zurückgegeben, immerhin hat er mir über die Jahre viel beigebracht. Aber auf der anderen Seite war es auch ein schönes Gefühl, dass Ajax mich braucht.
SPOX: Auch als Sie noch bei Gladbach nur Kurzeinsätze bekamen, waren Sie bei Hrubesch gesetzt. Wie haben Sie diesen Kontrast erlebt?
Younes: Die Nationalmannschaft ist wie eine Familie. Herr Hrubesch hat mir vertraut, aber eben auch nur deshalb, weil mir meine Mitspieler vertraut haben. Das Verhalten von ihm war einfach Weltklasse. Das beste Beispiel war die U21-EM 2015. Ich habe bei Lautern lange nicht gespielt und trotzdem hat er auf mich gesetzt - das war überragend von ihm. Bei diesem Turnier wurde Ajax dann auch noch mehr auf mich aufmerksam.
SPOX: Sie haben zahlreiche U-Nationalmannschaften Deutschlands durchlaufen. Wäre es für Sie dennoch denkbar, für den Libanon, das Heimatland Ihres Vaters, aufzulaufen?
Younes: Ich glaube daran, dass es auch in Deutschland möglich ist, für die A-Nationalmannschaft aufzulaufen, aber in der letzten Zeit habe ich das Interesse vom libanesischen Verband wahrgenommen. Da bin ich aber ganz entspannt.
SPOX: Im Libanon engagieren Sie sich stark für den Jugendfußball. Was genau machen Sie?
Younes: Ich habe das Privileg, dass ich in meinem Leben sehr viel bekommen habe und möchte etwas zurückzahlen. Deshalb engagiere ich mich besonders bei zwei Projekten. Einerseits habe ich gemeinsam mit meinem Onkel im Libanon eine kleine Jugend-Akademie aufgebaut. Dort haben Kinder, die in sehr armen Verhältnissen aufwachsen, einfach Spaß am Sport und einen Ausgleich zum Alltag.
SPOX: Und das zweite Projekt?
Younes: Das ist eine humanitäre Organisation, die Islamic Relief heißt und Events organisiert, unter anderem Fußball-Turniere. Die Einnahmen werden an Kinder aus armen Verhältnissen gespendet. Ich helfe da bei der Werbung für die Events, versteigere Trikots und habe einige Patenkinder.
Amin Younes im Steckbrief
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