"Nein", sagt der deutsche Generaldirektor Christoph Henkel im Gespräch mit SPOX etwas bedacht aber doch sehr entschieden und macht diesen ohnehin schon etwas kuriosen und auch mysteriösen belgischen Erstligisten KAS Eupen somit auf einen Schlag noch einen kleinen Tick kurioser und mysteriöser. "Nein, das ist nicht das Ziel dieses Projekts."
Es geht um die 14 afrikanischen Talente, die von der Aspire Academy im Senegal ausgebildet wurden und derzeit bei Eupen unter Vertrag stehen, alle zwischen 18 und 22 Jahre alt, und es geht natürlich um den Eigentümer des Klubs: Die Aspire Zone Foundation aus Katar. Es geht darum, was diese beiden Faktoren miteinander zu tun haben und darum, was das Ziel dieser Kombination ist.
Markovic, Boudiaf und die FIFA-Regularien
Die bereits fertig durchkalkulierte Rechnung liegt auf der Hand. Eine Variable eingeschlossen, die diese Rechnung denkbar und auch plausibel macht: Der Erfahrungswert aus einer anderen Sportart, dem Handball. 2015 richtete Katar die WM aus und wurde erstaunlicher Zweiter. Mit Spielern, die Rafael Capote heißen oder auch Zarko Markovic.
2022 richtet Katar die Fußball-WM aus und die Rechnung, die auf der Hand liegt, geht so: Sie werden dort nicht mit Spielern, die Ahamad Yasser oder Karim Boudiaf heißen, antreten, sondern eher mit welchen, die sich Henry Onyekuru oder Diawandou Diagne nennen. In Afrika gesichtet, in Eupen trainiert, irgendwann in Doha gefeiert.
"Nein", sagt also Henkel, "das ist nicht das Ziel des Projekts". Und die Argumente, mit denen er sein "nein" begründet, sind schlüssig und glaubhaft. Keiner der aktuell in Eupen unter Vertrag stehenden Afrikanern spielte bisher für das katarische Nationalteam und auch keiner wurde eingebürgert.
Kann ja noch werden. "Nein", sagt Henkel wieder und verweist auf die FIFA-Regularien. Will ein Spieler für eine andere Nation als seine Heimat spielen, muss er zuvor mindestens fünf volle Jahre in diesem Land gemeldet gewesen sein, dort gelebt haben. 2022 findet die WM statt, mit dem Jahr 2017 verstreicht diese Möglichkeit.
Uneigennützige Kataris
Was haben die Eigentümer dann von dieser Talentförderung? "Das ist ein komplett uneigennütziges Angebot des Staates Katar", sagt Henkel. Es ist eine aufhübschende Publicity für das schlechte Image des Landes, die den angenehmen Nebeneffekt hat, dass jungen, vielleicht ansonsten perspektivlosen Afrikanern, die Möglichkeit geboten wird, sich ihren Traum vom Profi-Fußball zu erfüllen.
Der Weg, den die aktuell 14 Afrikaner im Kader der KAS Eupen gingen, ist weitgehend deckungsgleich. Sie wurden einst von einem Scout der Aspire Acadamy, die den Kontinent durchstreifen, gesichtet. Sie wurden wieder gesichtet und wieder. Sie überzeugten auch wieder und wieder und bekamen schließlich ein fünfjähriges Stipendium für die Aspire Acadamy im Senegal.
15 bis 20 Spieler kommen jedes Jahr in diesen Genuss. Ein Genuss, der über zwei unterschiedliche aber in ihrer Kombination überzeugende Geschmacksrichtungen verfügt: Eine fußballerische Ausbildung und auch eine schulische. Sind die fünf Jahre vorüber, "kommen die talentiertesten Spieler nach Eupen", erklärt Henkel.
Die belgische Provinz als Abitur
Kommen sie nach Eupen, kommen sie in die ostbelgische Provinz zwischen Aachen und Lüttich. Knapp 20.000 Menschen wohnen hier im Grenzgebiet, sie sprechen überwiegend Deutsch und können sich täglich an ihrer 1726 errichteten St. Nikolaus-Kirche erfreuen. Und einmal im Jahr am "Eupen Musik Marathon". Oder sie gehen halt alle zwei Wochen ins Kehrwegstadion, der Heimstätte der Königlichen Allgemeinen Sportvereinigung Eupen.
Seit dieser Saison spielt die KAS in der ersten Liga, in den Jahrzehnten zuvor überwiegend in der zweiten. Ein Verein also, der gewöhnlicher und durchschnittlicher nicht sein konnte. Bis zum Jahr 2012, als die Aspire Zone Foundation den Klub kurzerhand übernahm.
Ganz reflexartig kommt die Frage: Warum Eupen? Henkel kann sie verständlich beantworten. Die katarischen Investoren wollten einen Klub auf dem Kontinent, in dem es die besten Ligen gibt. Europa. Sie wollten in ein Land, in dem es keine 50+1-Regelung und stattdessen recht problemlos Aufenthaltsgenehmigungen für Nicht-EU-Bürger gibt und auch Spielerlaubisse in den nationalen Profiligen. Belgien. Und damit sich die jungen Spieler auch gut entwickeln können und nicht durch großstädtische Verlockungen abgelenkt werden, wollten sie in die Provinz. Eupen.
Die KAS Eupen, das ist gewissermaßen das Abitur des Weges, den Aspire für seine Talente vorzeichnet. Jahrelang werden die Spieler in der konzerneigenen Akademie im Senegal an die Hand genommen, es wird ihnen das schulische und fußballerische Rüstzeug mit auf den Weg gegeben, bis sie mit 18 oder 19 Jahren bereit sind für die Reifeprüfung. In Eupen angekommen sind sie normale Vertragsspieler und "selbstständig verantwortlich für ihre weitere Karriere", erklärt Henkel.
Katarischer Kontakt mit hochklassigem Fußball
14 afrikanische Talente spielen derzeit in Eupen, sie wollen auf sich aufmerksam machen und sich aufdrängen für einen Wechsel in eine große Liga. Mit sechs Belgiern spielen sie zusammen und mit einem 21-jährigen Linksverteidiger aus Katar: Fahad Al Abdulrahman. Er steht für das andere große - und durchaus weniger mysteriöse - Ziel, das die Eigentümer mit dem Klub haben: Katarischen Spielern die Möglichkeit geben, "sich in einer offenen Liga in Europa weiterzuentwickeln" und "den hochklassigen Fußball kennenzulernen", sagt Henkel.
Neben Al Abdulrahman in der Profimannschaft spielen derzeit drei weitere Kataris in der U21 von Eupen. In der vergangenen Saison waren es insgesamt sieben. Sie kommen, sie sammeln Erfahrungen, sie gehen.
Gemeinsam haben die Eupener Kataris, dass sie in der Aspire Academy in Doha ausgebildet wurden und dann für einen bestimmten Zeitraum von ihren Heimatvereinen nach Ostbelgien verliehen werden. "Ziel ist es, dass sich diese Spieler leistungsmäßig durchsetzen und dem Wettbewerb stellen", sagt Henkel, "denn das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie eine gute Entwicklung nehmen".
Eine Stammplatzgarantie unter dem spanischen Trainer Jordi Condom Auli ist also nicht vorgesehen, sie wäre demnach sogar kontraproduktiv. Die Kataris sollen kämpfen und beißen und sich so vorbereiten auf ihre Heim-WM.
Spektakel statt Anfeindung
Womöglich profitiert bei dieser WM aber auch Belgien vom Projekt KAS Eupen. Denn auch das dritte Investoren-Ziel steht laut Henkel "unter dem Oberbegriff Talentförderung". Es ist "die Verbesserung des belgischen Fußballs in der Region". Identifikation mit den Fans soll somit wohl gestiftet werden - und das gelingt offenbar auch ganz gut. "Kurz nach der Übernahme war das Verhältnis mit den Fans sicherlich nicht einfach", erinnert sich Henkel, "aber wir haben uns mittlerweile eine gute Vertrauensbasis erarbeitet."
Es kommen zunehmend mehr Zuschauer ins Kehrwegstadion, die sich am offensiven und spektakulären Fußball der KAS Eupen erfreuen. Anfeindungen von anderen Fangruppen ob des gut betuchten fernöstlichen Eigentümers sind nicht bekannt. Vielleicht auch, weil sich die großen Vereine des Landes nicht direkt angegriffen fühlen. "Es ist kein Thema, eine teure Mannschaft zusammenzukaufen, damit wir um die Meisterschaft mitspielen können", sagt Henkel, "es geht uns nur um Talententwicklung".
Der Aufsteiger kämpft um den Klassenerhalt, steht aber für beste Unterhaltung. 82 Tore fielen in 21 Ligaspielen mit Eupener Beteiligung in dieser Saison, mehr als bei allen anderen Vereinen der Liga. 32 Treffer erzielte der Tabellen-13. bisher, nur Brügge, Anderlecht, Lüttich und Oostende netzten öfter. Fahad Al Abdulrahman war bisher allerdings an keinem einzigen Treffer beteiligt.
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