Von 2010 bis 2012 war Rouven Sattelmaier dritter Torwart des FC Bayern, mittlerweile spielt er in der dritten englischen Liga bei Bradford City. Im Interview spricht er über die unterschiedlichen Herangehensweisen seiner beiden ehemaligen Trainer Louis van Gaal und Jupp Heynckes und Schwierigkeiten beim ersten Training mit den Bayern-Profis.
SPOX: Herr Sattelmaier, Sie spielen seit Sommer 2016 in der dritten englischen Liga für Bradford City. Wie kam es zu diesem Engagement?
Rouven Sattelmaier: Der Kontakt kam über meinen Berater Niko Chatzis zustande. Er hat mir von der Vereinsübernahme und den Zukunftsplänen erzählt und gesagt, dass es Interesse gibt - aber ich müsse drei Wochen warten und dann ein Probetraining absolvieren. Das war mir eigentlich zu ungewiss, weil ich damals zwei konkrete Angebote vorliegen hatte und eine Entscheidung wollte.
SPOX: Wie ging es weiter?
Sattelmaier: Ich habe ein bisschen überlegt und mir dann gedacht, dass ich immer schon auf der Insel spielen wollte und das vielleicht meine letzte Chance ist. Einige Jahre zuvor scheiterte ein Wechsel zu den Glasgow Rangers knapp. Ich musste es diesmal einfach riskieren. Beim Probetraining waren dann noch sieben andere Torhüter. Da habe ich mich schon gefragt, ob es nicht zu riskant war. Letztlich hat aber alles funktioniert.
SPOX: Bisher sind Sie nicht über die Rolle des Ersatztorwarts hinausgekommen. Zum Einsatz kamen Sie fast ausschließlich in den Pokalwettbewerben.
Sattelmaier: Ich habe viel zu wenig gespielt und mir natürlich mehr ausgerechnet, sonst wäre ich nicht gekommen. In der vergangenen Saison lief es aber durchgängig gut für uns und unseren Torhüter Colin Doyle, der im November sogar in die irische Nationalmannschaft berufen wurde.
SPOX: Dritter Torwart ist Ihr Landsmann Lukas Raeder, der einst auch beim FC Bayern spielte.
Sattelmaier: Lukas kam im Sommer am letzten Transfertag, nachdem ich mich in einem Pokalspiel verletzt habe. Wir hatten nur zwei Torhüter und deshalb musste der Verein handeln.
SPOX: Unternehmen Sie in der Freizeit viel zusammen?
Sattelmaier: Eigentlich kaum, weil ich fast eine Autostunde entfernt in Leeds wohne und Lukas hier in Bradford. Das ist überhaupt ein großer Unterschied zwischen England und Deutschland: Während in Deutschland alle Spieler so nahe wie möglich am Vereinsgelände wohnen, sind sie hier in alle Himmelsrichtungen verstreut. Manche fahren jeden Tag eineinhalb Stunden zum Training und wieder zurück.
SPOX: Welche Unterschiede sind Ihnen ansonsten aufgefallen?
Sattelmaier: Mit 46 Ligaspielen pro Saison und drei Pokalwettbewerben gibt es deutlich mehr Spiele, weshalb das Trainingspensum automatisch viel niedriger ist. Prinzipiell nimmt der Fußball in England einen noch höheren Stellenwert ein als in Deutschland. Die dritte englische Liga steht in der öffentlichen Wahrnehmung und medial deutlich über der dritten deutschen Liga. Spiele werden auf Sky übertragen und es gibt eine viel umfassendere Berichterstattung.
SPOX: Sie überzeugten einst in der dritten deutschen Liga bei Jahn Regensburg, woraufhin Sie der FC Bayern verpflichtete. Wie kam der Wechsel zustande?
Sattelmaier: Deutschlandweit hat damals keiner so modern gespielt wie Wacker Burghausens Manuel Riemann und ich. Wir sind für diese Zeit brutal hoch gestanden, konnten einigermaßen gut Fußball spielen und sind deshalb aufgefallen. Das Funktionsteam des damaligen Bayern-Trainers Louis van Gaal um Andries Jonker, Frans Hoek und Walter Junghans hat mich sieben Spiele lang beobachtet. Danach wollte mich van Gaal unbedingt verpflichten, weil ihn meine Spielweise so begeistert hat. Er hat den Wechsel im Verein durchgedrückt.
SPOX: Wie lief die alltägliche Arbeit mit ihm?
Sattelmaier: Van Gaal hat mich persönlich gefördert und überall eingebunden. Hermann Gerland und einige andere wollten, dass ich in der U23 spiele und trainiere, aber das hat van Gaal strikt abgelehnt. Er war mein großer Pluspunkt im Verein. Für junge Spieler gibt es weltweit keinen besseren Trainer als van Gaal. Es ist unfassbar, wie vielen späteren Stars er zum Debüt verholfen hat.
SPOX: Was zeichnet van Gaal aus?
Sattelmaier: Er ist sehr distanziert zu den Spielern und ihm ist es völlig egal, wie ein Spieler heißt, wie alt er ist, welche Ablöse er gekostet hat oder was er verdient. Van Gaal macht keinen Unterschied, ob ein 18-jähriger Jugendspieler einen Fehler macht oder Franck Ribery. Beiden erklärt er danach exakt gleich, warum das nicht geht und was er anders machen muss. Für uns junge Spieler war diese Art natürlich überragend, aber den Stars hat das manchmal nicht gepasst.
SPOX: Im Laufe Ihrer ersten Saison beim FC Bayern wurde van Gaal entlassen. Wie haben Sie diese Entscheidung aufgenommen?
Sattelmaier: Ich war enttäuscht, aber es kam auch nicht überraschend. Es gab schon über einen längeren Zeitraum nicht mehr die richtigen Ergebnisse.
SPOX: Sein Nachfolger wurde Jupp Heynckes.
Sattelmaier: Dadurch hat sich für mich alles geändert. Heynckes ist den Stars menschlich viel näher als den Talenten und weiß genau, wie er sie handhaben muss. Er war zu der Zeit aber der richtige Trainer und sein Erfolg spricht für sich.
SPOX: Junge Spieler aus der eigenen Nachwuchsabteilung oder Reserve bekommen beim FC Bayern kaum Chancen, seit 2010 David Alaba hat sich keiner nachhaltig durchgesetzt. Woran liegt das?
Sattelmaier: Das ist der FC Bayern. Dort den Sprung in die Mannschaft zu schaffen, erfordert absolutes Toplevel. Wenn man das erste Mal mit den Profis trainiert und einige Fehler macht, fällt man sofort auf, weil da sonst keiner Fehler macht. Das ist der Unterschied zu jedem anderen Verein in Deutschland. Um beim FC Bayern als Jugendspieler überhaupt eine Chance zu haben, muss man deutschlandweit einer der besten sein, wie es damals Alaba, Thomas Müller und Holger Badstuber waren.
SPOX: Nach zwei Jahren verließen Sie den FC Bayern 2012 und wechselten zum 1. FC Heidenheim. Wie beurteilen Sie Ihre Zeit in München?
Sattelmaier: Ich gehe wohl als erster Spieler in die Geschichte ein, der zwei Jahre lang beim FC Bayern gespielt und dabei keinen einzigen wichtigen Titel gewonnen hat. (lacht) Es war zwar eine sehr lehrreiche aber das zweite Jahr vielleicht auch eine verlorene Zeit. Weil Hans-Jörg Butt und Thomas Kraft eigentlich nie verletzt waren, kam ich über die Rolle des dritten Torhüters nicht hinaus.
SPOX: Ihr letztes Pflichtspiel mit dem FC Bayern war das verlorene Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea in München.
Sattelmaier: So ein Spiel zu verlieren, ist brutal und es gibt als Fußballer nichts Schlimmeres. Wir haben komplett dominiert und Chelsea hatte nicht den Hauch einer Chance. In der Kabine hat nachher keiner geredet, jeder wollte nur für sich alleine sein und niemanden anderen mehr sehen. So wie meine zwei Jahre beim FC Bayern liefen, war dieses Finale der passende Abschluss. Ähnlich bitter hat sich für mich aber auch das verlorene Aufstiegs-Playoff-Finale im vergangenen Mai mit Bradford gegen Millwall angefühlt.