BVB und Juventus bei den Nachhaltigkeits-Awards vorn - FC Bayern nur im Mittelfeld

Justin Kraft
28. Januar 202212:01
Bei den Global Sustainability Benchmark in Sports Awards geht es um Nachhaltigkeit. Der FC Bayern München landet dort nur im Mittelfeld.imago images
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Bayern ist doch schlagbar: Zumindest in einem erstmals präsentierten Nachhaltigkeitsranking der Global Sustainability Benchmark in Sports spielt der FC Bayern München eine untergeordnete Rolle. Die großen Sieger sind direkte Konkurrenten: Borussia Dortmund und Juventus Turin.

Für den FC Bayern München ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Klimaschutz sei "zu Recht im Fußball ein zentrales Nachhaltigkeitsziel geworden", sagte Herbert Hainer beispielsweise im August 2021 und auch Oliver Kahn betont immer wieder die Priorität, nachhaltig arbeiten zu wollen. In einem aktuellen Nachhaltigkeitsranking landen sie aber hinter ihrer Konkurrenz. Wie konnte es dazu kommen?

Christian Hartmann ist der Geschäftsführer einer unabhängigen Non-Profit-Organisation, die basierend auf einem wissenschaftlichen Ansatz 41 einflussreiche Sportorganisationen auf ihre Nachhaltigkeit überprüft hat: Die Global Sustainability Benchmark in Sports (GSBS).

Im Gespräch mit SPOX und GOAL sagt Hartmann: "Während Themen wie Klimaschutz, Ressourcenverbräuche oder Gender-Pay-Gap in anderen Industrien bereits zur Tagesordnung gehören, sind die kontinuierlichen Datenerhebungen und die entsprechende Veröffentlichung dieser Daten in der Sportindustrie bisher noch nicht sehr ausgeprägt."

Das Ziel der GSBS sei es, "die Organisationen zum Sammeln der Daten anzuhalten, diese zu veröffentlichen und entsprechend verpflichtende Ziele zu setzen."

Nachhaltigkeit ist nicht nur Klimaschutz

Bewertet wurden neben vielen internationalen Organisationen unter anderem der FC Bayern München, Borussia Dortmund und Juventus Turin. Dabei geht es aber nicht nur um ökologische Themen, die wohl am häufigsten mit dem Begriff Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht werden. Unterteilt wird der Begriff Nachhaltigkeit maßgeblich in drei Kerngebiete: Soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. Wobei sich der ökonomische Bereich bei der GSBS nochmal in Unternehmensorganisation und Unternehmensführung aufteilt.

Es geht also dabei nicht nur darum, welchen Beitrag die Organisationen zum Klimaschutz leisten, sondern auch Themen wie finanzielle Nachhaltigkeit, Weiterbildungsmöglichkeiten, Umgang mit Menschenrechten, Gender-Pay-Gap, Diversität in Vorständen und allgemeines soziales Engagement sind relevant.

Insgesamt flossen über 1.200 Datenpunkte in die Bewertungen ein. Bei der Vorstellung der Ergebnisse bekräftigte Hartmann aber nochmals, dass die Datenverfügbarkeit sehr schlecht ist. Transparenz sei ein großes Problem, weshalb im Ranking Organisationen belohnt wurden, die viele Daten zur Verfügung stellten - was die Aussagekraft etwas abschwächt, in Zukunft aber vielleicht die eine oder andere Organisation zur Partizipation motiviert.

BVB und Juventus vor den Bayern im Nachhaltigkeitsranking

180 Organisationen wurden von der GSBS befragt, nur bei 41 reichte es für eine Bewertungsgrundlage und selbst unter diesen konnten nur 12 Prozent auf der Grundlage von selbst eingereichten Daten bewertet werden. Beim Rest war man abhängig von öffentlich verfügbarem Material. Der Bewertungszeitraum ist zudem etwas versetzt und umfasst die drei Spielzeiten bis zur Saison 2019/20, im finanziellen Sektor sind es ab 2020 rückwirkend fünf Spielzeiten. Ziel sei es laut Hartmann, die Entwicklung der Organisationen langfristig festzuhalten.

Und der Gewinner des Rankings? Nicht der FC Bayern, sondern seine internationale und auch nationale Konkurrenz stehen an der Spitze. In einem engen Rennen setzte sich Borussia Dortmund mit 72 Prozent gegen Juventus Turin (71 Prozent) durch. Die Gesamtpunktzahl einer Organisation wird als Prozentsatz ausgedrückt, um die Vergleichbarkeit der Organisationen untereinander und mit dem Branchendurchschnitt zu vereinfachen.

Als an der Börse gelistetes Unternehmen ist es seit einigen Jahren die Pflicht des BVB, einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Die dadurch gegebene Transparenz ist ein Grund dafür, dass der BVB an der Spitze steht. Im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit präsentiert sich der Klub selbstkritisch, offen und aufgeschlossen.

Als an der Börse gelistetes Unternehmen ist es seit einigen Jahren die Pflicht des BVB, einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.getty

BVB verpflichtet sich dem United Nations Global Compact

So verpflichtete sich der Klub beispielsweise Ende Oktober 2021 als erster Bundesligaverein den Prinzipien des United Nations Global Compact - dabei geht es um Richtlinien zum Schutz von Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten.

Auch der kontinuierliche Kampf gegen Rassismus, ein vielfältiges veganes Angebot im Stadion, der Zugewinn von nachhaltigen Partnern oder die im Ticketpreis enthaltene NRW-weite Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sind positive Beispiele. Der BVB geht sehr transparent mit diesem Thema um, hat dafür 2019 sogar eine eigene Abteilung eingerichtet, die nicht nur nebenher, sondern Vollzeit daran arbeitet, was in der Branche noch nicht üblich ist.

Bei Juventus wiederum sind beispielsweise vier Frauen im Vorstand tätig, was vorbildlich ist, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Darüber hinaus wird das "J-Village", also die Heimat des italienischen Rekordmeisters, mit hocheffizienter Energie betrieben. Wie der BVB stellen auch die Italiener viele Daten transparent in einem Nachhaltigkeitsbericht bereit, was ihnen im Ranking hilft.

Das J-Village von Juventus.imago images

FC Bayern München nicht transparent genug

Und die Bayern? Die spielten in diesem Ranking keine große Rolle, landeten nur auf Platz 14. Jürgen Muth (Geschäftsführer der Allianz Arena GmbH) und Christopher Keil (Abteilungsleiter Public Affairs & CSR beim FC Bayern) sprachen im November 2020 mit Miasanrot.de über die Nachhaltigkeitsstrategie des Klubs. Man wolle nicht mit "irgendwelchen medienwirksamen Maßnahmen Symbolpolitik betreiben", hieß es damals. Einige Punkte ließen sich schneller umsetzen, andere bräuchten Zeit.

Zwar spricht der FC Bayern häufig oberflächlich über Nachhaltigkeit, doch wirklich transparent gehen sie mit diesem wie auch mit vielen anderen Themen bisher nicht um. Der Klub sieht solche Bewertungen kritisch, erkennt oft den Mehrwert darin nicht, sein ganzes Engagement offen zu legen. Oder will er es nicht, weil dann ein faires Ranking erstellt werden könnte, das möglicherweise unangenehme Wahrheiten ans Tageslicht bringt?

Der FC Bayern vermarktet zwar vieles in Form von regelmäßigen Kampagnen, beruft sich dabei aber zu selten auf Fakten. Was wird gemacht? Wie wird es konkret umgesetzt? Das Fehlen von Daten und schlagkräftigen Argumenten führt auch im GSBS-Ranking dazu, dass die Münchner mit einem Gesamtergebnis von 37 Prozent weit abgeschlagen sind.

Dem FC Bayern ist Nachhaltigkeit nicht egal, aber ...

Gerade im sozialen Bereich sind die Münchner sehr engagiert, haben beispielsweise viele soziale Projekte ins Leben gerufen. Auch bei den Bayern gibt es nach eigenen Angaben Strukturen und Abteilungen innerhalb des Klubs, die dabei helfen sollen, Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu optimieren. Wie genau diese Strukturen aufgebaut sind und wie in diesem Themenfeld konkret gearbeitet wird, ist aber unklar.

Die Allianz Arena wird seit 2016 mit dem europäischen Umweltsiegel zertifiziert und soll schnellstmöglich klimaneutral werden. Gerade im wirtschaftlichen Bereich arbeite der FC Bayern zudem sehr nachhaltig, sagt Hartmann im Gespräch mit SPOX und GOAL.

Es gäbe noch viele weitere Beispiele, die zeigen, dass dem Klub das Thema zumindest nicht egal und dass eine Schwarz-Weiß-Bewertung schlicht nicht möglich ist. Ihr größtes Problem ist aber, dass Konkurrenten wie Juventus oder Dortmund weiter darin sind, ihrem Vorgehen eine Struktur zu geben und sich transparent daran zu binden. So haben die Bayern bis heute noch nicht einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, oder eine frei zugängliche Nachhaltigkeitsstrategie formuliert.

2020 sagte man im Gespräch mit Miasanrot.de, dass unter der Leitung von Vorstand Andreas Jung eine solche erarbeitet werden würde - eine der Säulen sollte der CO2-Fußabdruck des FC Bayern sein. Bis heute lässt sich aber nicht im Detail nachprüfen, wie viele Emissionen die Bayern beispielsweise jährlich verbrauchen und wo Verbesserungspotentiale liegen.

Unter der Leitung von Vorstand Andreas Jung (l.) sollte eine Nachhaltigkeitsstrategie beim FC Bayern erarbeitet werden - eine der Säulen sollte der CO2-Fußabdruck des FC Bayern sein.imago images

Bayern nur eines von vielen Beispielen

Obwohl der Klub heute erklärt, es gäbe diese Strategie mittlerweile, lässt es sich nicht belegen. Bei der GSBS ist man sich sicher, dass ein modernes Unternehmen eine derartige Strategie auch öffentlich machen sollte. Zahlen lügen schließlich nicht. Und wäre es nicht auch für die Bayern in zukünftigen Debatten einfacher, auf klar formulierte Ziele und Zahlen zurückgreifen zu können?

GSBS-Geschäftsführer Hartmann betonte aber auch, dass solche Probleme stellvertretend für einen Großteil der Branche stehen. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit den Organisationen an einer nachhaltigeren Zukunft zu arbeiten und sie nicht bloßzustellen. Deshalb werden die Daten im Detail auch nicht veröffentlicht. Das Ranking soll ein Anstoß sein, über den Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit nachzudenken. Gerade die Sportindustrie hat mit ihrem Einfluss die Macht, etwas zu bewegen. Ohne Transparenz wird das aber nur schwer umzusetzen sein. Auch weil Greenwashing eine ernsthafte Bedrohung darstellt.

Oftmals würden Verbände und auch die Politik zu wenig Einfluss nehmen, sagt Hartmann. Immerhin: Im Dezember 2021 gab die DFL bekannt, dass die Bundesliga und 2. Bundesliga als "erste große Profifußball-Ligen" stufenweise verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien in ihre Lizenzierungsordnung aufnehmen werden.

Eine Pilotphase soll ab der Saison 2022/23 gestartet werden. Ob das dann zu mehr Transparenz führen wird, bleibt offen. Aber strengere Richtlinien würden vielen Klubs letztendlich guttun. Auch wenn das bedeutet, dass sie sich nicht mehr hinter vereinzelten Kampagnen verstecken könnten.