Hertha BSC muss sich seit Jahren den Vorwurf gefallen lassen, dass man den eigenen, meist hoch veranlagten Nachwuchs nicht entscheidend in der Profi-Mannschaft etabliert habe. Spieler wie Patrick Ebert, Kevin-Prince oder Jerome Boateng sind nur einige Beispiele. Sehr talentierte Kicker, aber sie zogen meist relativ zeitig einen Vereinswechsel vor, weil sie in Berlin nicht genug Wertschätzung empfingen.
Gedion Zelalem spielte auch einst in der Jugend der Alten Dame. Nun feierte er mit 16 Jahren sein Profi-Debüt. Allerdings nicht im Olympiastadion, sondern im Emirates - dem Stadion des FC Arsenal.
Es lief die 71. Minute in der 4. Runde des FA-Cup-Spiels zwischen den Gunners und Coventry City, als der gebürtige Berliner neben Welt- und Europameister Santi Cazorla an der Seitenlinie stand und sich zur Einwechslung bereit machte. 19 Minute genügten, um die englische Presse in Aufruhr zu versetzen. Nicht nur wegen seines Alters wurde Zelalem in den Tagen darauf mit Cesc Fabregas verglichen.
Hatte die Hertha also abermals einen kommenden Top-Star aus dem eigenen Nachwuchs vergrault, der nun in Europas Ligen für Aufsehen sorgt? Mitnichten. Zwar fiel dem Hauptstadt-Klub das Talent auf, doch seine Familie zog bereits 2007 von Berlin in die USA, da Zelelams Vater dort Arbeit bekam. 17 Jahre zuvor war Familie Zelalem nach Deutschland gekommen und hatte sich in der Hauptstadt niedergelassen. Gedion schloss sich damals Hertha BSC an.
"Dribbelt wie Iniesta und passt wie Xavi"
Nach dem Umzug in die USA kickte Zelalem für einige Highschool-Teams. Auch dort fiel sein Talent schnell auf. Eines Tages sah ihn Matt Pilkington in einem Käfig mit einigen Jungs Futsal zocken. Pilkington nahm Zelalem unter seine Fittiche und kontaktierte den US-Scout des FC Arsenal. Schon früh schwärmte sein erster Förderer vom damals 13-Jährigen: "Er dribbelt wie Iniesta und passt wie Xavi".
Die Gunners waren schnell überzeugt und verpflichteten den talentierten Teenager. Beim Probetraining in London soll Arsene Wenger derart angetan gewesen sein, dass der Franzose Zelalems Vater versprach, dass Gedion eines Tages für die Profimannschaft des FC Arsenal auflaufen werde.
Im Alter von 16 Jahren wechselte er schließlich in die Jugendakademie der Gunners. Dort überzeugte er von Beginn an und durfte im Sommer 2013 sogar die Vorbereitung bei den Profis absolvieren - samt Asienreise.
"Er hat es einfach drauf"
Seine Teamkollegen schwärmten damals schon von dem schmächtigen Jüngling. "Gedion ist ein zentraler Mittelfeldspieler, der sich gut entwickelt hat. Auf der Asienreise im Sommer hat er mich beeindruckt, denn er spielt mit 16 schon großartige Pässe", sagte beispielsweise Per Mertesacker.
Auch Jack Wilshere war angetan von den Fähigkeiten des Mittelfeldspielers: "Er wird nicht mehr lange brauchen, bis er bereit ist. Er sieht Wege und Passlücken, die nicht viele Spieler sehen. Er ist technisch sehr stark. Im Training ist es ein Alptraum, gegen ihn zu spielen. Du kommst nicht an den Ball, er deckt ihn sehr gut ab. Dabei ist er gar nicht so groß, aber er hat es einfach drauf."
Bereits zu Beginn der Saison stand Zelalem im Profi-Kader des FC Arsenal. Allerdings blieb er da noch ohne Einsatz. Eine Knieverletzung setzte ihn danach für zwei Monate außer Gefecht, so dass er erst im Januar 2014 zu seinem Pflichtspieldebüt kam. Im Alter von 16 Jahren und 363 Tagen. Damit war er der erste Spieler, der nach dem Amtantritt Wengers in London geboren wurde. Zelalem wurde im Januar 1997 geboren, Wenger übernahm Arsenal im Sommer 1996.
Sein Talent blieb über die Jahre auch in Deutschland nicht verborgen. Zelalem absolvierte bisher elf Spiele für diverse U-Mannschaften des DFB. Nach seinem Profidebüt buhlen nun gleich mehrere Verbände um die Gunst des 17-Jährigen. Da sein Vater aus Äthiopien stammt, wäre er für die Afrikaner spielberechtigt. Außerdem soll Jürgen Klinsmann Zelalem bereits persönlich kontaktiert haben und ihm einen Wechsel zum US-Verband schmackhaft gemacht haben.
Wenger als Zünglein an der Wage?
"Er ist in Deutschland geboren. Im Moment ist er nur für uns spielberechtigt - und das ist auch gut so", sagte kürzlich U17-Nationaltrainer Christian Wück gegenüber "SPORT1.fm". Wenn es nach seinem Vater geht, solle der Sprössling auch in Zukunft für den DFB spielen. Er habe Deutschland so viel zu verdanken, daher wäre es für ihn eine Ehre, wenn sein Sohn weiterhin für das DFB-Team auflaufen würde.
In den englischen Medien wird schon spekuliert, dass Wenger das Zünglein an der Wage sein könnte, wenn es darum geht, für welche Nation sich der technisch starke und passsichere Youngster entscheiden werde. Denn sollte Zelalem die USA bevorzugen, könnte er Probleme mit dem Arbeitsvertrag in England bekommen, da er dann als Nicht-Europäer gelten würde.
"A legit star player"
Die Presse auf der Insel hat sich aber schon ein wenig in den schmächtigen Dribbler verliebt. "German Wonderkind" und "Zelalem liegt die Welt zu Füßen" las man in den Tagen nach seinem durchaus verheißungsvollen Debüt im FA Cup.
Auch "ESPN.com" nahm Zelalem vor kurzem genauer unter die Lupe in Form des "Scout Notebooks". Dort werden alle Stärken und Schwächen des Spielers analysiert und anhand von Punkten ein Ranking erstellt. Zelalem bekam 43 Punkte und wurde in die Kategorie "A legit star player" eingestuft. Nur eine Kategorie darüber fallen bereits die Namen Messi und Ronaldo.
Aber das wäre dann auch des Guten zu viel gewesen.
Gedion Zelalem im Steckbrief