"Ich will wieder Champions League spielen"

Jochen Tittmar
20. Dezember 201615:26
In der Rückrunde der Saison 2014/2015 spielte Xherdan Shaqiri für Inter Mailandgetty
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Teil 2 des Interviews mit Xherdan Shaqiri: Der Schweizer Nationalspieler spricht über laute Gespräche mit den Verantwortlichen des FC Bayern München, seine Probleme mit dem italienischen Fußball, die interne Champions League in England sowie die Hoffnung, bei Stoke City weniger im Rampenlicht zu stehen.Hier geht's zum ersten Teil des Interviews mit Xherdan Shaqiri

SPOX: Herr Shaqiri, nach der Hinrunde der Saison 2014/2015 sind Sie zu Inter Mailand gewechselt. Wann stand für Sie fest, den FC Bayern verlassen zu wollen?

Shaqiri: Ich wollte schon im Sommer unbedingt gehen und hatte Angebote aus Liverpool und von Atletico Madrid. Ich entschied mich für Liverpool, Brendan Rodgers hatte mich vor der WM auch einige Male angerufen. Das haben mir die Bayern aber untersagt. Es gab dann diverse Gespräche, in denen es auch mal etwas lauter geworden ist. Die Verantwortlichen des FCB glaubten, das sich die Situation mit den Einsätzen ändern wird - und wir nicht. So ist es dann auch gekommen.

SPOX: Wie haben Sie sich mit dieser Situation dann arrangiert?

Shaqiri: Da die deutschen Nationalspieler nach der WM erst spät zum Team stießen, habe ich mir Chancen ausgerechnet, einen gewissen Vorsprung zu haben und wieder häufiger zu spielen. Als die Saison begann, kam im ersten Spiel gegen Wolfsburg aber Gianluca Gaudino vor mir zum Einsatz. Das war für mich natürlich ein Signal und ich verstand nicht, weshalb man mich dann unbedingt behalten wollte.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Xherdan Shaqiri in dessen Haus in Englandspox

SPOX: In Mailand wurden Sie schließlich umjubelt am Flughafen empfangen. Weshalb haben Sie sich für Inter entschieden und wie erging es Ihnen in Italien?

Shaqiri: Inter hatte sich schlichtweg am meisten bemüht. Sie hatten mir ein neues Inter versprochen. In der Bundesliga hatte ich schon alles gewonnen. Der Empfang dort war wirklich verrückt. Mich hat der Security-Mann fast erwürgt, weil da so ein Chaos ausgebrochen ist und er offensichtlich den Überblick verloren hat. Der Lebensstil war genial, das waren fast die besten sechs Monate meines Lebens. Das Trainingsgelände befand sich in Como, sodass die Schweiz auch nicht weit weg war. Mir hat jedoch der italienische Fußball nicht so gut gefallen.

SPOX: Wieso?

Shaqiri: Sehr langsam, enorm von Taktik geprägt - da war es schwer, meine Explosivität einzubringen.Ich habe einmal während eines Trainings zwei Stunden lang bestimmt 200 Eckbälle von links und rechts geschossen. Das hatte ich zuvor noch nie erlebt.

SPOX: Sportlich stagnierte das Team unter Roberto Mancini, nach einem halben Jahr sind Sie weitergezogen. Welche Lehren nahmen Sie aus der Zeit in Italien mit?

Shaqiri: Darüber diskutieren Erdin und ich noch heute. Mancini wollte mich unbedingt haben. Man hätte rückblickend gesehen vorab vielleicht ein paar weitere Informationen aus dem Umfeld einholen müssen. Dazu hat aber auch ein bisschen die Zeit gefehlt, zumal am Tag des Wechsels noch zwei Premier-League-Vereine dazwischengefunkt haben. Ich war damals wohl etwas stur und ungeduldig und wollte den Transfer unbedingt durchziehen, da die Liga schon lief und ich gleich loslegen wollte. SPOX

SPOX: Unter Guardiola und Mancini veränderte sich auch Ihre Rolle auf dem Feld. Sie waren weniger der kreative Freigeist als zuvor, sondern vielmehr Teil eines taktischen Korsetts, in dem Sie eine feste Rolle einzunehmen hatten. Macht dann das Fußballspielen weniger Spaß?

Shaqiri: Ein bisschen. Ich hatte auch mit Mancini nie ein Problem. Er hat eben jedes Wochenende viel gewechselt, so dass sich keine feste Formation einspielen konnte. Das hat er schon bei Manchester City und Galatasaray so gemacht. Mir war nicht mehr wohl, sodass wir eine gemeinsame Lösung suchten.

SPOX: Nun stehen Sie seit 2015 bei Stoke City unter Vertrag. Was ist dort anders als bei Inter?

Shaqiri: Inters Infrastruktur ist ehrlich gesagt eine Schande. Dass ein solch renommierter Verein keinen Weg findet, um in die Infrastruktur zu investieren, ist schon enttäuschend. Ernährung, Regeneration, Leistungsanalyse, abwechslungsreiche Trainingseinheiten - ich empfinde es in England einfach als professioneller. Wenn ich nur den Rasen vergleiche: In Italien war zwar das Wetter schön, der Rasen aber immer sehr hoch. In England kann es dagegen hageln und wir trainieren trotzdem auf einem Teppich, der jeden Tag von mehreren Mitarbeitern leidenschaftlich gepflegt wird.

SPOX: Wie groß war die Umstellung auf den englischen Fußball?

Shaqiri: Ich dachte, es wäre einfacher für mich. Anfangs musste ich schon beißen, um hier richtig anzukommen. Es geht anders zur Sache als in Italien oder Deutschland, auch im Training. Das dauert seine Zeit, ist aber auch normal.

SPOX: An mancher Stelle hieß es, der Wechsel zu Stoke City sei ein Karriererückschritt für Sie. Was entgegnen Sie darauf?

Shaqiri: Das ist mir sowas von egal, denn das sagen Leute, die nicht dahinter sehen. So etwas hat mich noch nie beschäftigt. Viele Leute haben wohl auch noch das "alte" Stoke im Kopf, als unter Trainer Tony Pulis viele lange Bälle gespielt wurden und man häufig gegrätscht hat. Mittlerweile steht hier aber eine komplett neue Mannschaft auf dem Feld. Wir haben technisch herausragende Spieler und im Kader herrscht ein großer Konkurrenzkampf. Ein Spieler wie Giannelli Imbula beispielsweise hat fast 25 Millionen Euro gekostet und sitzt momentan auf der Tribüne. Das sagt schon einiges aus.

SPOX: Wie wichtig war Ihnen bei diesem Wechsel auch, etwas weniger im Fokus zu stehen?

Shaqiri: Das wird zwar nie gelingen, aber es war nach den Erfahrungen in Metropolen wie München und Mailand ein wichtiger Punkt für mich. Hier ist alles etwas kleiner und ruhiger. Ich möchte in Ruhe arbeiten und wollte etwas aus dem Rampenlicht.

SPOX: Es gab auch Gerüchte um eine Rückkehr in die Bundesliga. Kam das nie in Frage?

Shaqiri: Einige Bundesligisten waren interessiert, ja. Mir war bei diesem Wechsel das Zwischenmenschliche wichtig. Stoke und Trainer Mark Hughes wollten mich schon, als ich zu Inter gewechselt bin. Dort hatte ich das Gefühl, dass es am besten für mich passen könnte.

SPOX: Wie wichtig ist Ihnen diese Bindung zum Coach?

Shaqiri: Es ist einfach angenehmer. Hughes ist wie Heynckes ein Gentlemen, der aber auch unangenehme Entscheidungen treffen kann, wenn es sein muss. Er war selbst einmal ein großer Spieler und weiß, was mir gut tut und wie er mich behandeln soll. Ich habe dank ihm viele Freiräume. Er kam noch nicht ein einziges Mal zu mir und hat gesagt, ich solle es doch lieber auf diese oder jene Weise probieren.

SPOX: Bislang haben Sie regelmäßig international gespielt. Das könnte mit Stoke in der Premier League schwierig werden, oder?

Shaqiri: Das mag so sein, aber man vergisst, dass ich in einer internen Champions League spiele, weil ich zwei Mal pro Saison gegen Manchester United, Arsenal, Chelsea, Liverpool und Manchester City antrete. Aber klar, es muss einiges zusammenkommen, damit wir eine richtig erfolgreiche Saison spielen können. Wir habe eine gute Mannschaft beisammen, in der alle ambitioniert sind und auf Europa schielen. Die Qualität ist da, das steht außer Frage.

SPOX: Würde es Sie aber nicht enttäuschen, sollten Sie dauerhaft nicht mehr auf europäischer Bühne auflaufen können? SPOXspox

Shaqiri: Ich bin erst die zweite Saison hier und beschäftige mich damit, kontinuierlich meine Leistung abzurufen und mich weiter zu entwickeln. Ich will auch wieder Champions League spielen, aber ich mache mir keinen Druck. Ob das dann mit Stoke oder einem anderen Verein gelingt, wird man abwarten müssen. Ich spiele jetzt in der besten Liga der Welt und möchte gerne einmal richtig langfristig bei einem Verein bleiben und kontinuierlich Leistung abrufen.

SPOX: Sie haben sich in einem Vorort von Manchester niedergelassen, Ihr ehemaliger Mitspieler Bastian Schweinsteiger wohnt in der Nachbarschaft. Wie bewerten Sie seine Situation bei Manchester United?

Shaqiri: Da ich so etwas noch nie erlebt habe, kann ich mich auch nicht hundertprozentig in ihn hineinversetzen. Es ist natürlich schwierig für ihn. In England wird grundsätzlich weniger Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten genommen.