So hatte sich Christensen sein erstes Ligaspiel nach der Rückkehr zu seinem Stammverein gewiss nicht vorgestellt. Nach 18 Minuten und dem Platzverweis für Kapitän Gary Cahill eingewechselt, ging Christensen mit der konfusen Blues-Elf unter. Am Ende stand für den englischen Meister eine peinliche 2:3-Auftaktpleite gegen den FC Burnley, das zweitschwächste Auswärtsteam der Vorsaison.
Drei der vier folgenden Ligapartien erlebte Christensen von der Reservebank aus. Ihm schien das gleiche Schicksal zu drohen, das bereits zahlreiche andere Akteure aus der Nachwuchakademie der Blues ereilt hat. Auch Romelu Lukaku oder Kevin de Bruyne waren nach Leihstationen voller Hoffnung zu Chelsea zurückgekehrt, ehe sie den Verein ob geringer Einsatzzeiten gefrustet wieder verließen.
Der Saisonstart bestätigte all die, die Christensen keine tragende Rolle bei Chelsea zugetraut hatten. Auch Max Eberl.
Gladbach kämpfte vergeblich um Christensens Verbleib
Während seiner zweijährigen Leihe nach Gladbach stieg Christensen zum unumstrittenen Stammspieler auf und bewies sein Potenzial auch in der Königsklasse. Monatelang kämpfte der Gladbacher Manager um einen Verbleib seines Leistungsträgers über das Ende des Leihgeschäfts hinaus.
"Andreas hat jetzt 100 Spiele auf Topniveau gemacht, gegen die Topstürmer der Welt. Warum soll er jetzt zu Chelsea gehen und nur noch gegen Bournemouth und Crystal Palace spielen? Aber die entscheidenden Spiele machen Cahill und David Luiz", sagte Eberl bei Sport1. Es half aber alles nichts, Gladbach musste Christensen ziehen lassen.
Christensen als "größte Überraschung" bei Chelsea
"Ich habe zu mir selber gesagt: Wenn ich jetzt nicht bereit bin, werde ich es nie sein", erzählte Christensen. Nach der Hälfte der Spielzeit steht fest: Er war bereit. In den nationalen Spitzenspielen gegen Tottenham, Manchester City, Manchester United, Liverpool und Arsenal stand er stets in die Startelf. Und auch im Kampf um den Einzug in das Achtelfinale der Champions League spielte Christensen in beiden Heimspielen gegen die Roma und Atletico 90 Minuten. Just in den von Eberl prophezeiten Partien gegen Bournemouth und Crystal Palace aber wurde Christensen geschont.
Einen der Hauptgründe für seinen Durchbruch sieht der Abwehrspieler in der starken internen Konkurrenz: "Mental ist es eine echte Herausforderung, denn in jedem Spiel muss man Leistung bringen und darf sich keine Fehler leisten."
Mit David Luiz rückte einer von Christensens direkten Mitbewerbern um einen Platz in der Abwehrkette im Laufe der Hinrunde aufgrund einer Knieverletzung und interner Differenzen mit Conte zunehmend ins Abseits. An der Seite des gesetzten Cesar Azpilicueta überzeugte Christensen nach dem missglückten Comeback durch beeindruckende Konstanz, sodass sich selbst Urgestein Cahill und Sommerneuzugang Antonio Rüdiger mit gelegentlichen Bankplätzen abfinden mussten.
"Für mich, den Verein, seine Teamkollegen und die Fans ist er die größte Überraschung", sagt Conte über Christensen. "Jedes Mal wenn ich ihm die Möglichkeit gegeben habe zu spielen, hat er eine tolle Leistung abgeliefert. Seine Leistungen haben mich überzeugt, dass er einfach regelmäßig spielen muss."
Christensen mit beeindruckenden Statistiken
Die statistischen Daten untermauern Contes Einschätzung. Mit einer Passquote von 93,7 Prozent liegt Christensen im vereinsinternen Ranking der Innenverteidiger an der Spitze, auch die 74,1 Prozent gewonnenen Zweikämpfe sind Bestwert.
Zu den Stärken im Passspiel und im Zweikampfverhalten gesellt sich bei Christensen eine enorme Sicherheit im Stellungsspiel, wodurch er gefährliche Situationen schon im Ansatz bereinigt und nahezu ohne Foulspiele auskommt. Während sich Christensen bislang in 17 Ligaeinsätzen nur fünf regelwidrige Vergehen leistete und ohne eine einzige Verwarnung auskam, sammelten Rüdiger und Luiz fast dreimal so viele Foulspiele und sahen bereits jeweils drei Gelbe Karten.
Christensen in Terrys Fußstapfen
Als Lohn für die jüngste Entwicklung verlängerte Chelsea Christensens Vertrag kürzlich vorzeitig um zwei Jahre bis 2022. "Christensen besaß ein immenses Potential, als er 2012 von Chelsea unter Vertrag genommen wurde und genießt nun die Vorteile seiner Hingabe und Professionalität, die er seitdem gezeigt hat", sagte Chelsea-Direktorin Marina Granovskaya.
Im Umfeld wird Christensen bereits als John Terrys legitimer Nachfolger gesehen. Der langjährige Kapitän war nach 17 Jahren und zahlreichen Titelgewinnen im vergangenen Sommer zu Aston Villa gewechselt. "Das ist ein großer Vergleich", sagt Conte, "aber ich wünsche Christensen die gleiche Karriere wie Terry."
Auf Terrys Spuren ist Christensen jedenfalls schon: Seit Terrys erster Saison als Stammspieler der Blues in der Spielzeit 2000/01 gelang es keinem der eigenen Nachwuchsakademie entstammenden Spieler mehr, drei Ligapartien in Folge in der Statelf zu stehen. Bis Christensen kam.