In seinen dreieinhalb Jahren beim FC Liverpool und speziell seit der Ankunft von Trainer Jürgen Klopp hat sich Emre Can zu einem hervorragenden "Box-to-Box-Player" entwickelt. Im Sommer läuft sein Vertrag aus und obwohl Liverpool gerne verlängern würde, deutet vieles auf einen Abschied hin.
Genau wie fast alle Spieler des FC Liverpool hat natürlich auch Emre Can seinen eigenen Chant. Der wird von den Fans immer dann gesungen, wenn Can besonders gut spielt, oder wenn bei langen Busfahrten zu Auswärtsspielen alle Spieler besungen werden. In Cans Chant jedenfalls heißt es erst: "His name is Emre Can, he is our magic man." Ehe gefragt wird: "Where does he play? Where does he play?" Und abschließend geantwortet wird: "He plays anywhere!"
Früher haben die Fans auch gerne mal wahlweise mit "in midfield" geantwortet, aber mittlerweile trifft es "anywhere" viel besser. Hinten, vorne, überall. In seinen bisher dreieinhalb Jahren in Liverpool hat sich Can zu dem entwickelt, was man in England gerne einen "Box-to-Box-Player" nennt. Einen Spieler, der sowohl am eigenen Strafraum grätscht, als auch am gegnerischen abschließt.
Klopp beförderte Can ins Mittelfeld
Als der 20-jährige Can 2014 für zwölf Millionen Euro von Bayer Leverkusen nach Liverpool wechselte, wussten sie dort noch nicht so genau, wen sie da zu erwarten hatten. Unter Trainer Brendan Rodgers war Can erst verletzt, saß dann auf der Bank und spielte fortan zumeist rechts in einer Dreier- oder Viererabwehrkette. Bis Jürgen Klopp im Oktober 2015 als Trainer übernahm und Can von der Abwehr ins Mittelfeld beförderte.
Bei einem Europa-League-Spiel gegen Rubin Kasan erzielte Can Liverpools erstes Tor unter Klopp. In den folgenden Monaten wurde er immer wichtiger, immer effektiver: In der ersten Saison unter Klopp sammelte Can fünf Scorerpunkte, in der zweiten acht und nach knapp zwei Dritteln der dritten hat er schon neun. Zuletzt traf er gegen Huddersfield Town sehenswert aus der Distanz.
Cans beindruckende Zweikampfwerte
Nur Roberto Firmino und Mohamed Salah sammelten in der laufenden Saison wettbewerbsübergreifend mehr Spielminuten für Liverpool als Can. Auch weil er Grenzen austestet: Am Morgen des beeindruckenden 4:3-Sieges gegen den bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer Manchester City etwa habe er sich krank gefühlt, erzählte Can danach, "aber ich habe viele Medikamente genommen und wollte unbedingt spielen." Es hat sich gelohnt und bei der folgenden Partie bei Swansea City trug Can erstmals Liverpools Kapitänsbinde.
Can entwickelt sich zunehmend zu Liverpools "aggressive leader": zwölf Gelbe Karten hat er in dieser Saison wettbewerbsübergreifend bereits gesammelt, acht mehr als die Mitspieler mit den zweitmeisten. Gleichzeitig gewann Can in der laufenden Premier-League-Saison über 57 Prozent seiner Zweikämpfe, im Schnitt bestreitet er über zwölf pro Partie. Beides sind Bestwerte unter Liverpools regelmäßig eingesetzten Mittelfeldspielern.
Cans wuchtige, mitreißende, ja wilde Spielweise prädestiniert ihn für Klopps Spielstil. "Ich glaube, dass er mit Klopp den perfekten Trainer hat", sagte neulich Steven Gerrard, Liverpools wohl bester "Box-to-Box-Player" aller Zeiten. Und Klopp selbst lobte: "Emre hat sich zu einem großartigen Spieler entwickelt und ist sehr wichtig für uns." Eine erfreuliche Entwicklung, aber auch eine, die begehrt macht. Cans Vertrag in Liverpool läuft im kommenden Sommer aus, dann könnte er ablösefrei wechseln.
Cans ungewisse Zukunft
"Emre ist physisch stark, hat die deutsche Mentalität und ist technisch begabt", ist so eine Aussage, die Klopp bereits im vergangenen Dezember beunruhigte. Getätigt wurde sie nämlich von Pavel Nedved und zwar nicht in seiner Funktion als Fußball-Liebhaber, sondern in der als Vizepräsident von Juventus Turin. Kurz darauf empfahl ihm der aktuelle Juve-Angestellte Sami Khedira, Can mehr als zu bewundern: "Ich würde ihn verpflichten." Und dann nahm sich Generaldirektor Giuseppe Marotta der Sache an. "Die Gespräche mit Emre Can laufen gut", sagte er vor einigen Tagen.
"Nicht cool", nennt Klopp die Unklarheit über Cans Zukunft. Vor Wochen erklärte er, Can könne "auch noch im Mai unterschreiben, weil wir ihn auf alle Fälle behalten wollen". In einer Umfrage des englischen Mirror sprachen sich unlängst über 80 Prozent der Leser für eine Vertragsverlängerung mit Can aus.
"Klar rede ich mit Liverpool", sagte Can zwar Anfang Dezember gegenüber SPOX, aber ein Verbleib erscheint zunehmend unwahrscheinlicher. Zuletzt hieß es gar, sein Abschied sei bereits fix. Womöglich fürchtet Can die drohende Verschärfung des Konkurrenzkampfes: Mit Naby Keita von RB Leipzig kommt für 75 Millionen Euro schließlich ein neuer Mittelfeldspieler, mit Adam Lallana kehrt ein weiterer nach langer Verletzungspause zurück.
Gleichzeitig schmeichelt es Can, das neben Juventus offenbar noch einige andere Top-Vereine an ihm interessiert sind. Can spielt nicht nur überall, er ist auch überall begehrt. Womöglich können Liverpools Fans deshalb die Frage, wo Can denn spielt, ab der kommenden Saison weder mit "in midfield" noch mit "anywhere" beantworten. Sondern müssen sich stattdessen "elsewhere" denken. Woanders.