Am Ende der letzten Saison war die Welt für Leroy Sane noch in Ordnung. Er war Stammspieler beim mit Abstand besten Verein der Premier League und wurde zudem als bester junger Spieler der Liga ausgezeichnet. Nach den ersten Partien der neuen Saison hat sich die Lage geändert: Erst folgte die überraschende Streichung aus dem WM-Kader, nun ist er bei Manchester City nur noch Ersatzspieler.
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vorbereitung waren nach der Nicht-Nominierung eigentlich optimal. Durch das unerwartet frühe Saisonende hatte der 22-Jährige die Möglichkeit früh ins Training bei Manchester City einzusteigen, so bereits schnell seine Höchstform zu erreichen und sich einen Vorteil vor der teaminternen Konkurrenz zu verschaffen.
Auch die Tatsache, dass er ohne die WM in den Knochen deutlich frischer und erholter in das Trainingslager gestartet war, war eigentlich ebenso ein Vorteil wie die Tatsache, dass Sane als großer Gewinner aus dem Ausscheiden der Nationalmannschaft hervorgegangen ist. Schließlich fehlte der Nationalmannschaft offensichtlich ein Spieler mit seinen Anlagen.
Der Frust über die verpasst WM-Teilnahme hätte also einer Motivation und positiven Genugtuung weichen können, um Joachim Löw zu zeigen, dass die Nicht-Nominierung ein großer Fehler war.
Leroy Sane bei Manchester City: Keinen Vorteil ausgenutzt
Allerdings nutzte Sane anscheinend keinen dieser Vorteile wirklich aus, weshalb er sich trotz der guten Ausgangsposition nun im Hintertreffen befindet.
Bereits beim Trainingsauftakt ließ Sane die erste Chance verstreichen. Er hatte sich nach über vier Wochen Urlaub mit Guardiola auf eine zusätzliche freie Woche geeinigt, weshalb er erst verspätet ins Mannschaftstraining einstieg. "Er kam spät aus dem Urlaub in die Vorbereitung und jetzt wird er langsam wieder der Alte", erklärte Guardiola jüngst.
Allerdings stieg Sane deutlich früher in das Training ein als ein Großteil der Stammspieler, von denen viele bei der Weltmeisterschaft im Einsatz waren. Vor allem seine direkten Konkurrenten auf der linken Außenbahn, Raheem Sterling und Bejamin Mendy, blieben mit ihren Nationalteams bis zum Ende des Turniers dabei und standen in den ersten Ligaspielen bei City trotzdem anstelle von Sane in der Startelf.
Es zeigt, dass Sane in der Sommervorbereitung einfach länger braucht, um in Form zu kommen. Das bestätigt auch Guardiola angesprochen auf Sane: "Manchmal brauchen Spieler zu Saisonbeginn einfach ein bisschen mehr Zeit. Das kann passieren."
Leroy Sanes Formschwäche zu Saisonbeginn: Jedes Jahr das Gleiche
Allerdings passiert das bei Sane nicht nur manchmal, sondern eigentlich in jedem Sommer. Auch in der vergangenen, für Sane so erfolgreichen Saison, brauchte er zu Saisonbeginn etwas Zeit, um in Schwung zu kommen: An den ersten fünf Spieltagen stand er lediglich einmal in der Startelf, bevor er sich seinen Stammplatz erkämpfte. In der Folge bestritt er fast jedes Spiel über 90 Minuten und verbuchte zehn Tore sowie 15 Vorlagen in der Premier League.
Ähnlich lief es zu Beginn der ersten Saison in Manchester, als er allerdings auch noch mit den Folgen einer Oberschenkelverletzung zu kämpfen hatte. Aber auch auf Schalke war er zu Beginn einer jeden Spielzeit immer erstmal nur Einwechselspieler.
Während der Vorbereitung ließ Guardiola durchblicken, dass er mit Sane noch nicht ganz zufrieden ist. Obwohl er im Vorbereitungstest gegen den FC Liverpool traf, erklärte der Spanier: "Er muss seine Grundlagen beim Spiel ohne Ball wiederfinden. Er ist noch weit von seiner Bestleistung entfernt."
So weit entfernt, dass Guardiola ihn bei keinem der drei Tests auf der US-Tour von Beginn an aufstellte, obwohl ein Großteil des Kaders aus Jugendspielern bestand. Guardiola war nicht zufrieden mit der Form des Nationalspielers.
Leroy Sanes Startelfeinsätze in den ersten fünf Spielen jeder Saison
Saison | Team | Strartelfeinsätze | Eingewechselt |
2018/2019 (bisher erst drei Spieltage absolviert) | Manchester City | - | 3 |
2017/2018 | Manchester City | 1 | 4 |
2016/2017 | Manchester City | - | 2 |
2015/2016 | Schalke 04 | 2 | 3 |
2014/2015 | Schalke 04 | - | 3 |
Leroy Sanes WM-Aus: Noch nicht ganz überwunden?
Dass diese Form etwas mit der Enttäuschung über die verpasste WM-Teilnahme zu tun hat, schloss Sane selbst aus. Schließlich habe Guardiola ihm bei der Verarbeitung dieses Rückschlags geholfen. "Ich hatte eine Unterhaltung mit Pep, nachdem es passiert ist. Wir haben über alles geredet und wie ich mich fühlte. Jetzt blicken wir nach vorne", erklärte er zu Beginn der Vorbereitung.
Letztlich habe es seiner Motivation sogar gutgetan: "Ich war damals sehr enttäuscht. Es war in der ersten Woche sehr schwierig. Aber es hat mich nur dazu gebracht, stärker zurückkommen zu wollen."
Guardiola erklärte bei Trainingsstart noch: "Wenn er über die Situation hinwegkommt, wird er ein besserer Spieler. Wenn nicht, wird er nicht regelmäßig spielen." Aktuell spielt er kaum - das lässt vermuten, dass Guardiola der Meinung ist Sane habe die Situation noch nicht überwunden.
gettyLeroy Sane bei ManCity: Ein Spieler in einem Weltklasse-Kader
Dazu kommt die Tatsache, dass Sane schlicht und einfach in einem der besten Teams Europas spielt und der Konkurrenzkampf enorm hoch ist. "Wir haben sechs exzellente Stürmer und nicht alle können spielen. Es ist nicht so, dass er nicht spielt, weil wir unzufrieden sind. Wir müssen uns einfach für einen Spieler entscheiden", rechtfertigte Guariola sich.
Dazu kommt, dass Guardiola zwischendurch das System umstellte und am zweiten Spieltag gegen Huddersfield einer Dreierkette aufbot. Linksverteidiger Mendy rückte so nach vorne und nahm die linke Flügelposition ein.
In dem Spiel gewann City mit 6:1 und Mendy zeigte ebenso wie beim 2:0 gegen Arsenal zuvor eine überragende Leistung. Am ersten und dritten Spieltag bot Guardiola hingegen Sterling auf, der vor allem gegen Arsenal ebenfalls einen sehr starken Eindruck hinterließ. Ein Wechsel auf dieser Position drängt sich also nicht unbedingt auf.
Manchester City: Besserung für Sane in Sicht
Allerdings deutete sich bereits an, dass die aktuelle Situation kein Dauerzustand für Sane sein wird. So zeigte sich Guardiola jüngst sehr zufrieden mit der Formkurve des Deutschen: "In den letzten zwei Trainingswochen habe ich den Leroy gesehen, den ich kenne und den wir kennen. Ich bin sehr erfreut darüber."
Zudem war Sane in den ersten Spielen auch nie komplett außen vor und wurde in jeder Partie zumindest eingewechselt. Am zweiten Spieltag gegen Huddersfield zeigte er dann auch seine Qualitäten der letzten Saison, als er nach einem Sololauf über die linke Seite ein Eigentor des Gegners erzwang. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit bis er auch mal wieder von Beginn an spielen darf.
Nicht zuletzt gibt es ja die Gewissheit aus den letzten Spielzeiten, dass Sane zum Start immer nur langsam heißläuft. Diese Phase dürfte nun bald vorbei sein, sodass möglicherweise schon bald wieder ein Leroy Sane in Topform auf dem Platz steht. So wie im vergangenen Jahr. So wie in jedem Jahr.