Dieser Artikel wurde bereits am 23. Juli 2019 publiziert.
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Braunes, leicht gelocktes schulterlanges Haar. Ein dunkler Anzug aus Samt, darunter ein bis zur Brust aufgeknöpftes Hemd in Tigerfelloptik, an den Füßen Cowboy-Stiefel aus Schlangenleder. Robin Friday sitzt an diesem Sonntag im Juni 1976 auf den Treppenstufen, die zur St James's Church in Reading hinaufführen. Es ist der Tag seiner zweiten Hochzeit, in wenigen Augenblicken wird er Freundin Liza Deimel das Ja-Wort geben. Eine Vermählung von öffentlichem Interesse, der hiesige TV-Sender ist mit einem Kamerateam vor Ort und filmt den Protagonisten dabei, wie er in aller Seelenruhe einen Joint dreht.
"Er hat wirklich jeden, den er kannte, zu seiner Hochzeit eingeladen", erinnert sich Fridays Kumpel Rod Lewington in der von Paolo Hewitt und Oasis-Bassist Paul McGuigan verfassten Friday-Biografie The Greatest Footballer You Never Saw. "Es müssen mindestens 200 Leute gewesen sein. Einfach jeder hat geraucht. Als die Braut auftauchte und wir in die Kirche gingen, hat die ganze Gesellschaft gelacht. Selbst der Pfarrer, weil er dachte: 'Was für eine stimmungsvolle Runde.' Er wusste nicht, dass alle drauf waren."
Liza, die Braut, kann die Szenerie nur noch schemenhaft Revue passieren lassen, weil sie eigenen Angaben zufolge drei Pillen Speed eingeworfen hatte. "Die Hochzeit war unglaublich", erzählt sie im Interview mit 11Freunde. "Es waren die unterschiedlichsten Gäste da, junge, ältere, Leute mittleren Alters. Es dauerte aber nur einige Stunden, bis sie alle auf dem gleichen Planeten waren. Sie hatten aus der Bowle getrunken, die jemand mit bewusstseinsverändernden Mitteln verfeinert hatte. Viele von Robins Freunden aus London kamen. Harte Jungs mit großen Mänteln, die aussahen wie Eastend Gangster. Als sie fertig getrunken hatten, begannen sie mit wilden Prügeleien, Stühle flogen durch den Raum. Es war der absolute Wahnsinn."
Der Vergleich mit United-Badboy George Best
Nur ein kurzer Auszug, der das Leben des Robin Friday perfekt zusammenfasst. Ein Dasein wie ein einziger ewig andauernder Trip, wie ein nicht enden wollender Besuch in einer üblen Spelunke. Das Dasein eines Fußball-Rockstars, gegen dessen Eskapaden die Geschichten von ManUnited-Badboy George Best wie die Anekdoten eines Chorknaben anmuten. Robin Friday und sein Zwillingsbruder Tony wurden in Acton, Westlondon, geboren und wuchsen in einer klassischen englischen Arbeiterfamilie auf. Der FC Everton hatte es Friday angetan, im Dress der Toffees ging er sogar ins Bett, ohne sich vorher seiner Fußballschuhe zu entledigen.
Schon früh kristallisierte sich sein Talent am runden Leder heraus. Er kickte für die Jugendteams von Crystal Palace, Queens Park und schloss sich als 13-Jähriger für eine Saison der Nachwuchsschmiede des FC Chelsea an. Nirgendwo blieb er lange. Schon damals war er der Unangepasste, kam mit 15 zum ersten Mal mit Drogen in Berührung und verließ die Schule, um sich mit Gelegenheitsjobs durchzuschlagen. Asphaltbauer, Busfahrer, Fensterputzer oder Kleinkrimineller. "Er war 16 Jahre alt, als er ins Gefängnis musste. Er hatte damals schon einiges auf dem Kerbholz, das Vergehen, das ihn in den Knast brachte, war quasi schon marginal. Der Diebstahl eines Autoradios oder sowas in der Art", sagt sein Bruder Tony. "Ich muss sagen, dass ihm diese Zeit gutgetan hat." 14 Monate verbüßte Friday in Feltham hinter Gittern. "Das hat ihn nicht interessiert", führt sein Vater Alf nüchtern aus.
Generell scherte Friday, dem die walisische Band Super Furry Animals 1996 den Song "The Man Don't Give a Fuck" widmen sollte, sich nicht darum, was in den späten 1960er Jahren als konventionell galt. Kurz nach seiner Gefängnisentlassung heiratete er seine Freundin Maxine Doughan, ein Mädchen, dessen Eltern aus der Karibik stammten. Ein Skandal zu jener Zeit, waren Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen im konservativen England doch völlig normabweichend. Das junge Paar sah sich Feindseligkeiten und körperlicher Gewalt sogar von Freunden und Familie ausgesetzt. Ablenkung von den Schikanen holte Friday sich beim Fußballspielen. Selbst während seines Gefängnisaufenthaltes hatte er nicht auf seine Leidenschaft verzichten müssen. Ganz im Gegenteil: "Das Gefängnis hatte eine eigene Mannschaft. Von dem Tag an, als Friday mitspielte, gewannen sie jedes Spiel", sagt Alf Friday.
Der Unfall, der Friday fast das Leben kostete
Drei Jahre lang mischte er in der Folge die Isthmian League, eine semi-professionelle Fußballliga auf, schoss Tor um Tor für Walthamstow Avenue, Hayes oder Enfield. Hauptberuflich arbeitete der talentierte Angreifer als Stuckateur. Ein Engagement, das ihn beinahe in jungen Jahren das Leben kostete. "Er war 20, als er diesen schrecklichen Unfall hatte", sagt seine Mutter Sheila. Zwillingsbruder Tony schiebt nach: "Er stand auf einem Gerüst, das Hebeseil klemmte. Er wollte es entwirren, stürzte ab und fiel auf einen riesigen Nagel, der ihn durchbohrte."
Nur um Millimeter verfehlte der Nagel Fridays Lunge, die Not-Operation dauerte sechs Stunden. Drei Monate nach dem Unglück stand er wieder auf dem Platz, kurz darauf wechselte er in die Zweitvertretung des FC Reading und stellte dort seine Torjägerqualitäten abermals unter Beweis. So sehr, dass Charlie Hurley, der Trainer der ersten Mannschaft, sich dazu entschied, den jungen Exzentriker mit einem Profi-Vertrag auszustatten.
Reading-Historiker David Downs erinnert sich an die erste Trainingseinheit des Neuankömmlings, der die Gewohnheit pflegte, weder im Training noch im Spiel Schienbeinschoner zu tragen: "Sie haben Sechs-gegen-Sechs gespielt. Robin lief herum und trat jeden, der ihm in die Quere kam, in die Beine. Drei Spieler mussten verletzt vom Feld. Hurley nahm ihn sich zur Brust: 'Robin, komm mal runter. Lass uns klären, was du hier zu tun hast, bevor du auch noch den Rest des Teams kaputttrittst.'"
Kurz darauf kam es zur nächsten Unterredung zwischen dem Coach und seinem Schützling. "Die Sonntagsspiele begannen. Ich zitierte Robin donnerstags in mein Büro und sagte ihm: 'Ich werde dich am Sonntag gegen Northampton zum ersten Mal aufstellen.' Robin erwiderte: 'Oh, danke Boss. Ich werde jetzt nach Hause gehen, nicht trinken und nicht in Schlägereien geraten.' Ich sagte ihm: 'Robin, ich habe kein Problem damit, wenn du mich anlügst. Aber nicht drei Mal nacheinander.'"
Robin Friday: Zwischen Mythen und Wahrheiten
Hurley wusste, dass Friday allem frönte, was nicht mit dem Leben eines Profisportlers vereinbar ist. Alkohol, LSD, Cannabis, wilde Frauengeschichten. "Er trank immer Lager", sagt sein Freund Rod Lewington. "Es gab zu dieser Zeit ein starkes Lager namens Colt 45. Das hat er immer getrunken. Ich habe ihn aber nie mit Schnaps gesehen."
Ganz im Gegensatz zu den Eltern, die sehr wohl über die Affinität ihres Sohnes für Hochprozentiges im Bilde waren. "Er konnte die ganze Nacht Southern Comfort (amerikanischer Whisky-Likör, Anm. d. Red.) trinken", weiß Alf Friday, seine Frau Sheila ergänzt: "Und er wurde nicht betrunken." Ein anderer Kumpel von damals, Syd Simmonds, berichtet, dass Friday tatsächlich zwei Tage vor den Spielen mit dem Trinken aufhörte und stattdessen LSD nahm, die ganze Nacht aufblieb, Heavy Metal und Janis Joplin hörte.
Es unterstreicht die Legende, die vielen Mythen, die sich um Friday noch heute ranken. Jeder in Reading, so scheint es, kann seine ganz persönliche Robin-Friday-Geschichte erzählen. Wahrheit und Fiktion, dicht beieinander. So, als träte der legendäre X-Factor-Moderator Jonathan Frakes aus einer Nebelwand ins Licht. "Sie glauben, diese Geschichte ist wahr? Dann muss ich sie enttäuschen. Sie ist frei erfunden." Was tatsächlich stimmt und was mit unwahren Zusätzen garniert wurde, ist dementsprechend kaum zu greifen. Glaubt man denen, die ihm nahestanden, reihte sich während Fridays Zeit bei Reading eine Abenteuerlichkeit an die nächste.