Eigentlich ist es der Traum eines jeden Fußballers, der nicht in der Jugendakademie eines großen Erstligaklubs ausgebildet wurde - oder es von dort nicht zu den Profis geschafft hat - und sich daher durch die unteren Ligen kämpft: Man arbeitet hart, überzeugt jede Woche durch Leistung, will sich für höhere Aufgaben empfehlen - und eines Tages klingelt das Telefon.
Das ersehnte Angebot, endlich. Der Moment, der das ganze Leben verändert. Das große Ziel, für das man alles tun würde. Eigentlich.
Im Fall von Ollie Tanner kommt der Anruf im Wintertransferfenster 2021-22 nicht von irgendeinem Klub. Nicht vierte, dritte oder gar zweite Liga. Nicht einmal ein Abstiegskandidat aus der ersten Spielklasse. Der 19-Jährige, der in der siebten Liga des englischen Fußballs kickt, bekommt ein Angebot von Tottenham Hotspur. Einer der sogenannten Big Six. Hauptstadtflair, zweifacher englischer Meister, Europapokal-Ambitionen, Trainer Antonio Conte an der Seitenlinie, Heung-Min Son und Harry Kane im Angriff. DIE Spurs.
Wechsel zu Tottenham scheitert an Tanner selbst
Es ist vielleicht das, was man als "Once in a lifetime"-Chance bezeichnet, auch wenn Tanner in ganz jungen Jahren mal in den Jugendmannschaften des Erzrivalen FC Arsenal auflief. Der Sprung aus der halbprofessionellen siebten Liga in die erste Reihe des europäischen Fußballs, in das finanzielle Paradies. Millionen von Talenten weltweit würden barfuß nach London laufen dafür.
Natürlich sitzt Tanner kurz darauf mit den Spurs-Verantwortlichen am Verhandlungstisch, das Ganze ist ja wohl reine Formalität. Bloß nichts vermasseln, denn diesen Deal will man ja unbedingt sofort über die Bühne bringen - oder? Eben nicht. Die Verhandlungen werden abgebrochen, Tanner bleibt bei seinem Klub FC Lewes. Und jetzt das Kuriose: der Wechsel scheitert keinesfalls an Tottenham, auch nicht am Siebtliga-Klub - er scheitert an Ollie Tanner selbst.
Tanner lehnt das Spurs-Angebot ab und bleibt bei Lewis in der siebten Liga
Was ist passiert? Hat der Youngster Disziplinlosigkeit erkennen lassen? Mangelnde Eignung für die Premier League? Konnte er doch nicht überzeugen? Oder liegt es an seiner Arsenal-Vergangenheit? Weder noch - Tanner will sich einfach nicht über den Tisch ziehen lassen. Zumindest empfindet er so, als er mit dem großen Hauptstadtklub verhandelt. Das Talent bleibt in seinen Forderungen knallhart, die Tottenham-Verantwortlichen sind wohl regelrecht schockiert.
Am Ende des Verhandlungsprozesses steht ein nüchternes Statement des FC Lewes: "Wir bestätigen, dass sich, nachdem sich der Verein und ein Premier-League-Klub prinzipiell auf einen Transfer verständigt hatten, Ollie und der Premier-League-Klub nicht final auf persönliche Vertragsinhalte einigten konnten. Er bleibt ein Spieler des FC Lewes."
Was nach einer unspektakulären, nahezu langweiligen Stellungnahme klingt, hat binnen kurzer Zeit eine wahre Explosion an Spott zur Folge. Überall auf Social Media ergießt sich ein Mix aus Fassungslosigkeit, Fan-Verzweiflung und Häme.
Zur Zielscheibe werden natürlich weder der FC Lewes noch Ollie Tanner, sondern vielmehr Tottenham: "Was zur Hölle ist mit diesem Verein passiert?", "Er kennt seinen Wert, guter Mann." Und der ultimative Nadelstich für die Tottenham-Fans, den ihnen Anhänger anderer Klubs verpassen: "Unser Transferfenster war schon schlecht, aber wenigstens sind wir nicht von einem Spieler aus einer Amateur-Liga abgelehnt worden."
Für Tanner große Publicity, für Tottenham großer Imageschaden
Für Tanner selbst könnte sich die Hartnäckigkeit, die ihm auf den ersten Blick den Transfer seines Lebens verbaut hat, im Nachhinein als Segen herausstellen. Mehr Publicity geht nicht, und was für eine: Ein Siebtligaspieler, der nicht nur auf dem Radar von Tottenham gelandet ist, sondern so stark in seine Fähigkeiten vertraut, dass er bereit ist, dafür auch Forderungen zu stellen - wie könnte man sonst so stark die Aufmerksamkeit anderer großer Vereine auf sich ziehen?
Für die Spurs ist das Scheitern des Transfers in sportlicher Hinsicht aktuell kaum zu bewerten. Der Imageschaden ist allerdings enorm. Der Klub ist hochgradig ambitioniert und konnte in diesem Transferfenster die Juve-Stars Rodrigo Bentancur und Dejan Kulusevski nach London locken - aber eben nicht Ollie Tanner, einen 19-jährigen Jungen vom FC Lewes aus der siebten englischen Liga.