Erneut kursieren Gerüchte über einen möglichen Wechsel von Olympique Marseilles Defensivspieler Boubacar Kamara zum FC Bayern München. Doch der Rekordmeister ist nicht alleine im Rennen um den vielseitigen und begehrten Franzosen. Aber: Passt er überhaupt in Julian Nagelsmanns System?
Jorge Sampaoli benötigte nur wenige Tage, um ins Schwärmen zu geraten. "Es gibt keinen anderen Spieler mit den gleichen Eigenschaften in unserem Kader", betonte der Marseille-Coach im März kurz nach seinem Amtsantritt.
Ziel dieser Lobhudeleien war der heute 22 Jahre alte Boubacar Kamara. Der gelernte Innenverteidiger besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit, kann sowohl rechts hinten als auch im defensiven Mittelfeld agieren. Dort ist er unter Sampaoli nahezu unumstritten und führte die Mannschaft sogar einige Male als Kapitän aufs Feld.
"Er ist ein technisch guter und spielstarker Sechser mit einer guten Antizipation. Kamara kann mit dem Ball mehrere Linien durchbrechen", sagt Sebastien Martins von GOAL Frankreich: "Gleichzeitig legt er eine gute Raumdeckung an den Tag." Trotz seines jungen Alters kommt der aus der OM-Jugend stammende Kamara bereits auf 137 Profispiele (vier Tore, fünf Assists).
Sein Vertrag läuft im kommenden Sommer aus, Medienberichten zufolge soll er bereits mehrere Angebote zur Verlängerung abgelehnt haben. Marseille bleibt also nur noch das anstehende Wintertransferfenster, um einen Gewinn zu generieren - andernfalls droht ein ablösefreier Abschied. Das weckt selbstverständlich Begehrlichkeiten und wird Kamara zu einem der meistdiskutierten Spieler in der kommenden Transferperiode machen.
Bayern München im zweiten Anlauf
Unter anderem in der Verlosung: Der FC Bayern München, der sich nach Informationen des Transferexperten Fabrizio Romano erneut um Kamara bemüht. Neben den Bayern wird auch dem FC Barcelona sowie der AC Milan verstärktes Interesse nachgesagt.
Schon seit vier Jahren soll Kamara bei Bayern auf der Liste stehen, im vergangenen Sommer wurde das Interesse dann konkreter. Damals sollen die hohen Ablöseforderungen Marseilles die Bayern-Bosse abgeschreckt haben. Anstelle von Kamara verpflichtete der Rekordmeister Marcel Sabitzer von RB Leipzig. Zumindest die finanzielle Komponente wird bei Kamara aber spätestens im kommenden Sommer wegfallen.
Mit einer aus aktuell acht Spielern bestehenden französischen Fraktion im Kader haben die Bayern möglicherweise ein gewichtiges Argument auf ihrer Seite, um Kamara von einem Transfer zu überzeugen. Außerdem konnten sich weder Sabitzer noch Marc Roca und Michael Cuisance als Alternativen im zentralen Mittelfeld empfehlen. Und Kamara könnte durch seine Vielseitigkeit und Qualitäten im Spielaufbau auch zu Julian Nagelsmanns asymmetrischer Grundordnung als zentrales Glied der Dreierkette passen. Oder etwa nicht?
Zumindest mit Blick auf die Spielweise der Bayern drängen sich durchaus Zweifel auf. Denn: "Aufgrund seines mangelnden Tempos und fehlender Explosivität ist er in einer Mannschaft, die viel Wert auf schnelles Umschaltspiel legt, schwer vorstellbar", sagt ein in Frankreich ansässiger Scout zu SPOX und GOAL. Dementsprechend würde Kamara von seinen Anlagen her in Deutschland oder England "nicht funktionieren".
Der junge Franzose würde seiner Einschätzung nach eher zum spanischen Fußball passen. Die finanziellen Umstände eines Transfers im Sommer und die personelle Lage könnten Barca in die Karten spielen. Eine Chance auf einen Stammplatz sieht der Scout dort allerdings nicht. "Das Problem ist, dass er nicht beidfüßig ist. Zudem fehlt es seinem Spiel hin und wieder an Präzision", ergänzt er.
Kamara: Eskaliert die Situation mit OM?
Dass sich Kamara trotz bislang ausgeschlagener Angebote von Marseille am Ende für einen Verbleib bei seinem Jugendklub entscheiden könnte, bezweifelt GOAL-Korrespondent Martins dennoch. "Es heißt, dass der Vorstand bereits Druck auf ihn ausgeübt hat. Das kam bei ihm nicht so gut an", sagt er.
Die Situation droht mittlerweile gar zu eskalieren: Am vergangenen Freitag sollte Kamara eigentlich an einer Pressekonferenz teilnehmen, doch dies lehnte er ab - womöglich, um Fragen zu seiner noch ungeklärten Zukunft aus dem Weg zu gehen.
Im darauffolgenden Ligaspiel gegen Troyes (1:0) saß Kamara 90 Minuten lang auf der Bank. Eine Verbindung zwischen der abgesagten Pressekonferenz und der Nicht-Berücksichtigung dementerte Trainer Sampaoli aber vehement.
Seine Entscheidung habe einzig und allein sportliche Gründe gehabt. "Es war eine Frage der Rotation, denn wir haben am Donnerstag in der Türkei gespielt (in der Europa League bei Galatasaray, Anm. d. Red.) und hatten eine lange Reise", betonte der 61-Jährige: "Kamaras Vertragssituation betrifft nur Kamara und den Verein, nicht mich."