Nein, als Talent geht Florian Sotoca ganz sicher nicht mehr durch. 31 Jahre ist der Stürmer des RC Lens inzwischen alt. Die großen Stars der Szene biegen in diesem Alter allmählich auf die Zielgerade ihrer Karriere ein, zumindest ist das Karriereende näher als die Anfänge im Profibereich. Bei Sotoca stimmt das aber nicht zwangsläufig. Denn für den Stürmer geht gerade erst die dritte richtige Saison in der französischen Ligue 1 zu Ende. Zuvor hatte er lange Zeit mit dem Profigeschäft kaum etwas zu tun.
Am 25 Oktober 1990 wurde Sotoca in Narbonne geboren, einer 55.000-Einwohner-Gemeinde in Südfrankreich, unweit der Mittelmeerküste. In seinem Heimatort lernte er auch den Fußball kennen und lieben, mit irgendwelchen Profiambitionen hatte das Ganze aber nichts zu tun. Narbonne spielte höchstens in der Viertklassigkeit, manchmal sogar darunter. Genug Geld, um davon leben zu können, verdiente er als Fußballer nicht.
Also musste eine Alternative her, "um meinen Lebensunterhalt zu verdienen und finanziell nicht mehr von meinen Eltern abhängig zu sein", verriet Sotoca der Zeitung Le Parisien. "Mein Onkel hatte gerade seine Firma eröffnet. Er bat mich, ihn zu begleiten. Das dauerte ein Jahr lang. Tagsüber haben wir Schuhe an Privatpersonen verkauft und abends bin ich zum Training gegangen", berichtete er von seinem Leben als normaler Arbeitnehmer und Feierabendfußballer.
Florian Sotoca: "Ich musste mich durchbeißen"
Eine Zeit, die Sotoca nachhaltig geprägt hat. "Es ist nicht immer einfach, beides miteinander zu verbinden. Ich musste mich durchbeißen. Es war ein wichtiger Schritt in meinem Leben, dass ich so früh in das Arbeitsleben eingetaucht bin. Ich konnte mich mit der Arbeitswelt auseinandersetzen. Mental hat mir diese Erfahrung gut getan und mich abgehärtet. Ich habe daraus eine Stärke gemacht", erklärte er.
2013 verließ Sotoca seine Heimatstadt Narbonne und zog weiter nach Martigues, rund 220 Kilometer von seiner Heimat entfernt. Der dort ansässige FC Martigues pendelte immerhin zwischen dritter und vierter Liga, nach acht Toren in 22 Einsätzen ging es aber bereits zum Drittligisten AS Beziers weiter. Nun war Sotoca zwar im Profibereich angekommen, aber weit davon entfernt, in der Ligue 1 zu spielen.
Das änderte sich aber bald danach. Denn bereits im Januar 2015 wurde der HSC Montpellier auf Sotoca aufmerksam und verpflichtete ihn. Ein Quantensprung für den damals bereits 24-Jährigen, der nun auf Topniveau trainieren durfte. Zu Einsätzen kam er aber kaum, in der Saison 2015/16 standen gerade einmal ein Ligapokaleinsatz über 90 Minuten sowie ein Kurzeinsatz in der Ligue 1 zu Buche. Es folgte der harte Rückschlag, als Sotoca im Sommer 2016 in die Viertklassigkeit zu Grenoble Foot wechselte. Der Traum vom Profi auf großer Bühne schien ausgeträumt.
Doch Sotoca bewies seine Qualitäten und schoss seinen Klub binnen zwei Jahren von der vierten Liga in die Ligue 2. Als er auch dort zwölf Tore erzielte, schlug Lens zu und holte Sotoca für über eine Million Euro Ablöse. Lens spielte damals selbst in der zweiten Liga - und was passt besser zu einem ambitionierten Klub, als einen Spieler zu holen, der sich mit Aufstiegen auskennt? Und so kam es dann auch. In der Saison 2019/20, die aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig abgebrochen wurde, steuerte Sotoca acht Tore bei. Lens erhielt trotz Saisonabbruch das Recht zum Aufstieg und seither trifft Sotoca auch in der Ligue 1 in schöner Regelmäßigkeit.
Forian Sotoca: "Stolz, aus dieser schönen Amateurwelt zu kommen"
Über Umwege und mit Hartnäckigkeit schaffte es Sotoca im Spätsommer seiner Karriere dann doch noch, sich seinen Traum vom Profidasein zu erfüllen. Der verstrichenen Zeit bis dahin trauert er aber nicht nach, vielmehr sieht er das Positive daran. "Ich habe alle Ligen durchlaufen, von der sechsten Liga bis zur Eliteklasse. Ich bin stolz darauf, aus dieser schönen Amateurwelt zu kommen und den Fußball von unten zu repräsentieren", sagte er.
Damit ähnelt seine Karriere nicht ansatzweise den meisten anderen, die es inzwischen im Profifußball gibt. "Ich habe ein anderes Auge als die Jugendlichen, die durch die Ausbildungszentren gegangen sind und auf den Beruf vorbereitet werden. Ich habe einen anderen Ansatz. Ich weiß, wie schwierig es ist, am unteren Ende der Skala zu stehen. Danach ist Fußball immer noch Fußball. Auf dem Platz ist die Leidenschaft die gleiche", stellte er klar.
Dass er in der laufenden Saison die Möglichkeit bekam, auf ein und demselben Platz wie Lionel Messi, Kylian Mbappe und Neymar zu stehen, kann er immer noch kaum fassen. "Wir sind ein bisschen im Irrationalen. Ich bin mit 24 Jahren Profi geworden. Niemals hätte ich 2017 daran gedacht, gegen solche Spieler antreten zu dürfen. Ich begrüße dies als eine Ehre. Der französische Fußball weiß, wie glücklich er sich schätzen kann, solche Talente in seiner Liga zu haben. Sie werten die Ligue 1 auf", sagte Sotoca, der mit Lens vor dem letzten Spieltag am Wochenende noch Chancen auf den Einzug in den Europapokal hat. Es wäre die Krönung dieser ungewöhnlichen Geschichte.