"Ich liebe Marseille", hatte Lucas Hernández im Jahr 2018 in der französischen Zeitung Le Parisien gesagt. Ein solcher Satz reicht ganz locker aus, um in der Hauptstadt das Blut zur Wallung zu bringen. Die Rivalität zwischen beiden Städten ist riesig, bis heute sollte man ein Auto mit Marseiller Kennzeichen nicht in der Stadt der Liebe parken - egal wo.
"Es wäre ein bisschen kompliziert, nach Paris zu gehen", sagte Hernández damals noch. Und: "In diesem Leben kann alles passieren." Mit dieser Weisheit hatte er zweifelsohne Recht und dann betraf sie ihn tatsächlich noch selbst.
Fünf Jahre nach diesen Äußerungen wechselte Hernández, der auch noch in Marseille geboren ist, vom FC Bayern München zu Paris Saint-Germain. Die PSG-Ultras protestierten von Beginn an, kaum waren die Gerüchte über einen möglichen Transfer des Abwehrspielers aufgekommen. Und sie protestierten auch noch, als der Deal längst über die Bühne gegangen war.
Heute, in der Endphase von Hernández' erster Saison in Paris, blickte dieser zuletzt auf seinen Start im neuen Verein zurück: "Die Zweifel bei meiner Ankunft waren völlig normal. Ich war mir dessen bewusst, aber ich bin ein sehr gelassener Mensch, weil ich weiß, was ich will und was ich im Leben und auf dem Platz tun muss. Ich kam zu PSG, um alles zu geben, damit alle Pariser Fans, die ein wenig Zweifel hatten, diese ausräumen und wirklich sehen, dass ich hier bin, um alles für diesen Verein zu geben."
Lucas Hernández war für den FC Bayern ein massives Verlustgeschäft
Ein gewisses Grummeln ist angesichts seiner Herkunft zwar weiterhin noch in Paris Fan-Kreisen zu vernehmen, doch der 28-Jährige hat es im Großen und Ganzen in der Tat geschafft, die Skepsis wegzuwischen. Und dies mit regelmäßigen sowie konstant guten Leistungen auf dem Platz - an dieser Stelle dürften die Fans des FC Bayern hellhörig werden.
In München nämlich, wohin Hernández 2019 für die Rekordablösesumme von 80 Millionen Euro von Atlético Madrid aus wechselte, ist er eher als Flop in Erinnerung geblieben. "Der Verein soll eines Tages ebenfalls stolz darauf sein, dass er dieses Geld für mich ausgegeben hat", sagte Hernández zu seiner Anfangszeit im Interview mit SPOX.
Das trat nicht nur deshalb nicht ein, weil Hernández am Ende ein massives Verlustgeschäft für die Bayern war. 45 Millionen Euro bekamen sie im vergangenen Sommer von PSG überwiesen. Dazu kam das exorbitante Gehalt, das der französische Nationalspieler einstrich. Es soll im Bereich von 20 Millionen jährlich gelegen und das Gehaltsgefüge beim Rekordmeister gesprengt haben.
Lucas Hernández und seine zahlreichen Verletzungen beim FC Bayern
Zudem mussten die Bayern in sportlicher Hinsicht stets viel Geduld mit Hernández aufbringen, da er sehr regelmäßig eben nicht auf dem Feld stand. Schon ein kurzer Auszug aus seiner Münchner Krankenakte liest sich gruselig: Muskelbündelriss, Meniskuseinriss, Innenbandriss, Kreuzbandriss (zugezogen bei der WM in Katar) - und das sind nur die wirklich schwerwiegenden Verletzungen.
Am Ende kamen so nur 107 Pflichtspiele in vier Jahren zusammen, wenngleich mit Hernández fast alles gewonnen wurde, sobald er auf dem Platz stand: 2,52 beträgt sein Punkteschnitt als Bayern-Profi. Doch beim Champions-League-Sieg 2020 baute Trainer Hansi Flick auf andere, Hernández stand in keinem Spiel der K.o.-Runde in der Startelf.
Konnte Hernández für den FCB auflaufen, musste er es meist dort tun, wo er sich eigentlich nicht sah: auf der Position des Linksverteidigers. Lieber ist es ihm, auch heute noch, im Zentrum zu verteidigen. Das tat er zwischenzeitlich auch einige Male, zeigte dabei gerade unter Julian Nagelsmann auch gute Leistungen, aber richtig glücklich wurde Hernández in München nie.
Lucas Hernández ist bei PSG unumstrittener Stammspieler
"In Deutschland konnte ich bei meiner Ankunft die Sprache nicht sprechen, es gab nicht diesen Zusammenhalt. Die Spieler konnten mir nicht helfen, weil wir uns nicht wirklich verstanden", sagte Hernández vor einem halben Jahr bei Le Parisien. Er sprach von einer "etwas kühleren Beziehung" unter den Spielern, von denen "jeder sein eigenes Leben" lebte, sobald sie nicht gemeinsam auf dem Feld standen.
Daher reifte in ihm während seines Kreuzbandrisses (November 2022 bis Juni 2023) der Entschluss, den FC Bayern zu verlassen. Obwohl es sein Geburtsland ist, hat der in Spanien aufgewachsene Hernández dort nie zuvor gespielt. Die neue Umgebung sowie der Fakt, dass er fließend Französisch spricht, scheinen sich bislang aber ausgesprochen gut ausgewirkt zu haben.
Bei PSG ist Hernández nämlich unumstrittener Stammspieler. Auch der Körper hält. Bereits 40 Pflichtspiele (zwei Tore, zwei Vorlagen) stehen für ihn aktuell zu Buche, 35-mal stand er dabei in der Startelf. Noch haben seine Teamkollegen und er das Quadruple im Blick, die Trophée des Champions wurde bereits im Januar gegen Toulouse eingeheimst, am Wochenende folgte der obligatorische Meistertitel in der Ligue 1.
Lucas Hernández bei PSG: Wieder mehr Links- als Innenverteidiger
"Ich fühle mich sehr gut und bin sehr froh, dass ich zu Paris gewechselt bin. Körperlich und geistig fühle ich mich super gut", sagte Hernández kürzlich. "Ich habe das Glück, meine Familie häufiger sehen zu können und ihr ein wenig näher zu sein. Meine Großeltern sind bereits sehr alt. Daher ist es wichtig für mich, so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen. Das war eines meiner Ziele."
Neben dem privaten Glück dürfte ein anderes Ziel gewesen sein, wieder häufiger als Innenverteidiger aufzulaufen. Dieses hat Hernández noch nicht wirklich erreicht. Nur in zwölf Partien ließ ihn Trainer Luis Enrique dort ran. Böse ist ihm Hernández aber keineswegs: "Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm, zumal ich fließend Spanisch spreche. Er gibt mir viele Ratschläge. Taktisch ist er ein großartiger Trainer. Er hilft mir, Fortschritte zu machen."
Auch der Spanier hatte schon reichlich Lob für seinen Abwehrmann parat: "Er ist ein Top-Spieler, mit dessen bisherigen Leistungen ich sehr glücklich bin." Genau damit hat Hernández die Fans besänftigt, Proteste gegen ihn gibt es nicht mehr. Gewinnt er jetzt mit PSG noch den lang ersehnten CL-Titel, dürfte seine Marseiller Herkunft gar keine Rolle mehr spielen.
Lucas Hernández: Seine Karriere als Profi im Überblick
Zeitraum | Verein | Spiele | Tore | Vorlagen |
2014-2019 | Atlético Madrid | 110 | 1 | 4 |
2019-2023 | FC Bayern München | 107 | 2 | 8 |
seit 2023 | Paris Saint-Germain | 40 | 2 | 2 |