Vom Pizzabäcker zum Ibra-Berater

Von Christian Bernhard
Mino Raiola zeigt sich nicht gerne in der Öffentlichkeit. Hier mit Adriano Galliani (l.) vom AC Milan
© getty

Zlatan Ibrahimovic steht kurz vor dem Wechsel von Inter Mailand zum FC Barcelona. Sein Berater Mino Raiola spielt dabei eine entscheidende Rolle. SPOX stellt den aus einfachen Verhältnissen stammenden Süditaliener, der mit unorthodoxen Methoden und einem ausgeprägten Geschäftssinn zu einem der mächtigsten Spielerberater der Welt aufstieg, im Porträt vor. Anlässlich des Ibrahimovic-Transfers zu Manchester United wirft SPOX einen Blick auf Berater Raiola und den damaligen Mega-Transfer Ibrahimovics zum FC Barcelona.

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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. Juli 2009 auf SPOX. Anlässlich des Transfers von Ibrahimovic nach Manchester und den zahlreichen Aktivitäten von Raiola im Sommertransferfenster 2016 lohnt sich eine kurze Reise in das Jahr 2009.

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Barcelona und Zlatan Ibrahimovic. Bald schon könnte der erste Sommer-Mega-Transfer des Champions-League-Siegers über die Bühne gehen.

Bereits seit vielen Wochen läuft der Flirt zwischen den Katalanen und dem (Noch)-Inter-Stürmer. Es soll Ibras großer Wunsch sein, mit Messi, Iniesta und Co. zu spielen.

Doch es ist nicht nur Ibrahimovics Wunsch. Carmine, genannt "Mino", Raiola ist ebenfalls stark daran interessiert. Der Italiener ist der Berater des Schweden. Der Mann im Hintergrund, der diesen Deal schon seit Monaten plant und eingefädelt hat.

Unorthodoxe Methoden

Raiola ist momentan einer der mächtigsten Spielerberater der Welt. Ein Unikat, nicht nur im positiven Sinn.

Unorthodoxe Methoden, die nicht gerade feine englische Art und jede Menge dubiose Aktionen begleiten den 41-Jährigen, der auch Barcas Neuzugang Maxwell, den mittlerweile zurückgetretenen ehemaligen Fußballer des Jahres in Europa Pavel Nedved, Lyons Cris und den Ägypter Mido vertritt.

Zu sehen gibt er sich ungern, Bilder von ihm sind rar. Offizielle Fotografien? Fehlanzeige. Aber man hört von ihm. Vorzugsweise in den unzähligen einflussreichen südländischen Fußball-Radiosendungen. Gerne auch täglich, wenn er seine Spieler platzieren will.

Dort fallen dann Sätze wie "Ibrahimovic ist so viel wert wie Cristiano Ronaldo und Kaka zusammen". Oder: "Ich versuche Nedved in einer der besten Mannschaften der Welt unterzubringen" - obwohl der Tscheche bereits seinen Rücktritt vom Profifußball bekanntgegeben hatte.

Alles begann in einer Amsterdamer Pizzeria

Raiolas Geschichte hat etwas märchenhaftes. Aus dem südlich von Neapel gelegenen Angri wanderte Mino als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Haarlem in die Niederlande aus. Dort führte sein Vater die Pizzeria "Palladium Restaurant", die auch von Ajax-Spielern besucht wurde.

Mino lernte so die ersten Fußballer kennen, fungierte in der Folge als Übersetzer und Mittelsmann. Heute noch wird er bisweilen etwas despektierlich "Il pizzaiolo", der Pizzabäcker, genannt - Sinisa Mihajlovic hatte ihn so getauft. Raiola wird aber nicht müde zu beteuern, dass er noch nie in seinem Leben eine Pizza gemacht habe.

Raiola macht lieber Deals. 1993 fädelte er seinen ersten ein: Er transferierte den späteren Hertha-Spieler Bryan Roy von Ajax in die süditalienische Provinz zu Foggia, wo Zdenek Zeman als Trainer arbeitete. Die Legende besagt, dass Foggia-Boss Pasquale Casillo ihm Geld gegeben habe, um sich ordentliche Kleider zu kaufen. In seinen Klamotten sei er schlichtweg nicht vorzeigbar gewesen.

Raiola fädelt Bergkamp-Transfer zu Inter ein

Sein Sprachentalent - Raiola beherrscht sechs - und sein ausgeprägter Geschäftssinn brachten ihn aber Schritt für Schritt nach oben. Bereits 1990 hatte er den 21-jährigen Dennis Bergkamp in Italien für zwei Millionen Mark angeboten.

Neapel und Juve schienen interessiert, der Deal platzte aber. Drei Jahre später wechselte Bergkamp für 20 Millionen zu Inter - Raiola hatte den Transfer abgewickelt.

Später machte er Zeman, der mittlerweile Lazio Rom trainierte, auf einen jungen Tschechen aufmerksam. Sein Name: Pavel Nedved. Es sollte der Beginn einer großen Karriere und einer bis heute anhaltenden Freundschaft zwischen dem Blondschopf und Raiola sein.

Abgehörte Telefonate zwischen Raiola und Moggi

Den letzten Schritt auf der Karriereleiter machte er, als er Luciano Moggi kennenlernte. In Zusammenarbeit mit dem skandalträchtigen Ex-Juve-Manager fädelte er Ibrahimovics Wechsel von Ajax zur Alten Dame ein - und offenbarte dabei sein ganzes zweifelhaftes Repertoire.

Aufgrund der Ermittlungen in Italiens großem Fußballskandal "Calciopoli" wurden einige Telefonate zwischen Moggi und Raiola abgehört und veröffentlicht. "Morgen bleibt Zlatan den ganzen Tag zuhause, ich schicke ihn nicht zum Training. Ich habe um 12 Uhr ein Treffen mit den Ajax-Verantwortlichen, komme aber erst um 14 Uhr. Mach dir keine Sorgen, wir bringen ihn nach Turin", ist da von Raiola zu hören.

Obwohl Lyon und Monaco viel mehr geboten hatten, wechselte Ibra am Ende für 16 Millionen zu Juve. Raiolas Methoden hatten wieder einmal ihren Zweck erfüllt.

Raiola hält die Vermarktungsrechte an Ibrahimovic

Raiolas Ass im Ärmel: Ibrahimovics Vermarktungsrechte, die Raiola bei Zlatans erstem Vertrag mit Juve 500.000 Euro einbrachten, von da an aber jährlich Millionen. Denn Raiolas zweite Lieblingsbeschäftigung ist es, Gehaltserhöhungen einzufordern - oder eben auf einen Transfer zu drängen.

Als er Ibrahimovic im Sommer 2006 zu Inter verfrachtete, strich Raiola fünf Millionen Euro Provision ein. Sein bis dato größter Coup. Bei den Nerazzurri machte er Ibra mit einem Jahresgehalt von zwölf Millionen Euro für lange Zeit zum bestbezahlten Fußballer des Planeten.

Den gelungenen Transfer feierte er im Mailänder Edelrestaurant "Giannino". Dort waren an jenem Abend auch die Milan-Granden Silvio Berlusconi und Adriano Galliani zugegen. Eigentlich wollte sich das Trio genau hier zu Verhandlungen treffen. Jetzt war Ibrahimovic aber schon bei Inter - und die Milan-Bosse dementsprechend überhaupt nicht gut auf Raiola zu sprechen.

Raiola: "Viel mehr und viel gefährlicher als ein Berater"

All diese Aktionen haben Raiola einen äußerst zweifelhaften Ruf in der Branche beschert. Die Turiner Tageszeitung "La Stampa" nannte ihn einst den "fürchterlichen Raiola". Für die "Repubblica" ist Raiola "viel mehr und viel gefährlicher als ein Berater".

Juve-Geschäftsführer Jean-Claude Blanc unterstrich im Juni, dass die Bianconeri sich im Gegensatz zu anderen Vereinen nicht mehr Raiolas Methoden unterwerfen würden. "Gewisse Wünsche abzulehnen, ist ein Schritt in Richtung eines sauberen Fußballs", so Blanc.

Genua-Präsident Enrico Preziosi fand ebenfalls harte Worte für die Berater, "die ihre Spieler so manipulieren, dass diese glauben, sie stünden nicht bei ihrem Verein unter Vertrag, sondern bei ihrem Berater". Der Fingerzeig in Richtung Raiola war unmissverständlich.

Raiolas Firma: "Maguire Tax & Legal"

Noch härter ins Gericht mit Raiola ging der Schweizer Berater Giacomo Petralito, der unter anderem am Transfer von Diego nach Turin mitwirkte. "Er beschmutzt unseren ganzen Berufsstand, ich schäme mich, ein Kollege von ihm zu sein."

Raiolas Konter lassen in solchen Fällen nicht lange auf sich warten. Er glaube nicht, dass Preziosi all seine Arbeiter in China gut behandle. Preziosi ist einer der größten Spielzeugwaren-Hersteller der Welt.

Und zu Petralito meinte er: "Er kann ja Massimo Moratti fragen, ob er Ibrahimovic im Ausland unterbringen kann. Dann würden wir Zlatan wahrscheinlich in der zweiten Schweizer Liga sehen."

Raiola lebt heute mitten in Monte Carlo, einen Katzensprung vom Casino entfernt. Das schicke Haus hatte er sich nach dem Transfer von Nedved zu Juve gegönnt. Jerry Maguire, der von Tom Cruise gespielte Sportagent im gleichnamigen Film, und zudem Raiolas Idol, hätte mit Sicherheit seine Freude an ihm.

Nicht umsonst hat Raiola seine Firma "Maguire Tax & Legal" genannt.

Zlatan Ibrahimovic im Steckbrief

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