Mit dem Pathos ist es in Italien so eine Sache. Egal ob Tifosi, Trainer, Spieler, Präsidenten oder Journalisten - wenn es um den Calcio geht, wird es immer emotional. Nüchternheit ist dort völlig fehl am Platze. So feiern die Tifosi ihren Star nach einem gelungenen Auftritt als den weltbesten Spieler seit Menschengedenken, nur um ihn wenige Tage später zu verfluchen.
Vereins-Präsidenten kritisieren nach einer bitteren Niederlage öffentlich ihren Trainer, sprechen ihnen dabei jegliches Taktikverständnis ab und lassen dann offen, ob der Coach am kommenden Wochenende überhaupt noch auf der Trainerbank sitzen werde.
Ähnlich ist es auch bei den Medienvertretern, die nicht immer zimperlich mit dem kickenden Personal umgehen. Auch hier kann die Einschätzung eines Spielers im Wochenrhythmus abweichen. Insofern ist die Überschrift, die die Gazzetta Dello Sport bei Gianluigi Donnarumma nach dessen Debüt wählte mit gewisser Vorsicht zu genießen. Der 16-Jährige sei ein "Predestinato", ein Auserwählter.
Elfer-Killer gegen Kroos
Etwas überraschend war es schon, als Milan-Coach Sinisa Mihajlovic den 1,96 Meter großen Donnarumma vor einer Woche gegen US Sassuolo zwischen die Pfosten stellte. Zwar hatte der etatmäßige Stammkeeper Diego Lopez in den Wochen zuvor nicht zwingend souverän gewirkt, doch wäre bei einem angestrebten Torwartwechsel Oldie Christian Abbiati die naheliegendere Wahl gewesen.
Mihajlovic entschied sich aber für Donnarumma, der in der Saisonvorbereitung beim IC-Cup im Sommer überzeugte, als er im Elfmeterschießen gegen Real Madrid zwei Elfmeter hielt - darunter einer von Weltmeister Toni Kroos. Dass er anschließend den entscheidenden Elfer selbst vergab, geschenkt.
Der Youngster machte seine Sache beim unverhofften Debüt gegen Sassuolo ordentlich. Obwohl ihm beim Gegentreffer das Glück fehlte, bekam er das Vertrauen des Trainers auch in den nächsten beiden Partien. Ob er das nun auch für die nächste Zeit genießen wird, hängt von Donnarumma ab. "Wer in Form ist, spielt. Und das ist momentan Donnarumma", machte Mihajlovic klar.
Mit seinem Debüt wurde er zum zweitjüngsten Keeper in der Serie-A-Geschichte, nur Gianluca Pacchiarotti war im März 1980 noch jünger. Donnarumma bewegt sich statistisch ohnehin in einer illustren Runde: So war er gegen Sassuola nur knapp einen Monat älter als Milan-Ikone Paolo Maldini bei dessen Debüt für die Rossoneri - aber ein ganzes Jahr jünger als Gianluigi Buffon.
"Der Beste aller Zeiten"
Milans Geschäftsführer Adriano Galliani adelt den Youngster: "Einen 16-Jährigen im Tor zu sehen, ist außergewöhnlich. Mich erinnert es an das Debüt von Buffon, als er fünf, sechs Monate älter war als unser Gianluigi."
Der Weltmeister von 2006 zählte bei seinem Debüt am 19. November 1995 17 Jahre und neun Monate. Zu diesem Zeitpunkt war Donnarumma noch nicht einmal geboren, dennoch eifert der Youngster seinem großen Vorbild nach: "Für mich ist Buffon der Beste aller Zeiten. Ich hoffe, ihm einmal in der Nationalmannschaft nachfolgen zu können."
Denselben Vornamen haben die beiden ja schon mal. Wobei Buffon seit jeher "Gigi" gerufen wird, "Piccolo Donnarumma" in Milan aber "Gigio" gerufen wird. Wenn ein "o" das einzige sein sollte, was beide zukunftig unterscheidet, dürfte sich sich der gebürtige Neapolitaner auf einem sehr guten Weg befinden.
Talent besitzt er, keine Frage. Fußballerisch ist er noch nicht ausgereift, zwar kann er durchaus mitspielen, hat aber in dieser Hinsicht noch Luft nach oben. In Sachen Strafraumbeherrschung, Antizipation und Ausstrahlung wirkt Donnarumma aber keineswegs wie ein 16-Jähriger. Bereits in den ersten Partien war seine Ruhe augenscheinlich.
Milan als Teil des Herzens
Mit seinem Einsatz im Milan-Trikot ging für Donnarumma ein großer Traum in Erfüllung. Stadtrivale Inter hatte bei dem Youngster früher mal angefragt, doch der Keeper wollte bei den Rossoneri bleiben. "Milan ist das Team meines Herzens. Ich habe diesen Klub immer unterstützt, es ist mein Traum, ein Teil davon zu werden", sagte er noch vor seinem Debüt.
Mit dem Pathos haben sie es in Italien eben.
Gianluigi Donnarumma im Steckbrief