Der FC Barcelona sucht seit langem nach einem Plan B, sollte das gewohnte Kombinationsspiel einmal nicht funktionieren. Ausgerechnet zwei Talente aus dem eigenen Stall könnten das Problem langfristig lösen.
Ein langgezogenes "Oooooh" und warmer Applaus begleiteten Adama Traores erste Schritte im Camp Nou. Ein Zuspiel von Iniesta nahm er mit viel Tempo mit, ging scheinbar spielerisch an drei Spielern des FC Granada vorbei und setzte einen flachen, aber harten Schuss gegen die Laufrichtung des Torwarts aufs kurze Eck.
Nur Torhüter Roberto hatte etwas gegen das traumvollendete Debüt des 17-jährigen Traore einzuwenden und verhinderte das 4:0.
Die Szene steht stellvertretend für die beiden neuen Nachwuchshoffnungen des FC Barcelona. Adama Traore und Jean-Marie Dongou sind Spielertypen, die es so beim FC Barcelona seit einigen Jahren nicht mehr gab. Antrittsschnell, mit viel Zug zum Tor und mit herausragender Physis verkörpern sie eine Spielweise, wie man sie in Katalonien seit Pep Guardiola nur noch selten einsetzte, nämlich echte Neuner. Ganz im Stile eines Samuel Eto'o.
Jugend statt Neueinkauf
Gerade diese "Neun", bemängelt Neu-Trainer Gerardo Martino nach seinem Amtsantritt, würde sein Kader nicht stellen. Die spanische Presse reagierte und brachte diverse Namen ins Gespräch. David Trezeguet, Miroslav Klose oder Graziano Pelle - alles alternde Stürmer, die dem Argentinier wohl ins Konzept passen würden und den berüchtigten Plan B darstellen sollten, dessen Fehlen dem FC Barcelona seit Jahren vorgeworfen wird.
Doch es wäre nicht der FC Barcelona, hätte die Verantwortlichen rund um Andoni Zubizarreta nicht auf typisch stur-katalanische Art gehandelt. Mit Neymar stand bereits ein Zugang für den Sturm fest, ein weiterer fand nicht den Weg in die Planungen. Man sah sich lieber in der eigenen Jugend um und so feierten zuerst Dongou in der Saisonvorbereitung und schließlich Traore in der Primera Division ihre Debüts.
NextGen-Torschütze
Jean Marie Dongou Tsafack hinterließ bereits früh bleibende Eindrücke. Der inzwischen 18-Jährige kam mit 13 Jahren in Barcas Jugendschule, zuvor spielte er bereits in seiner Heimat Kamerun in einer Fußballschule der Katalanen. Dort hatte Eto'o, damals noch Barca-Spieler, ein Ausbildungszentrum errichten lassen und verwies Dongou weiter nach Spanien.
Schnell zeigte sich sein damaliger Jugendtrainer begeistert: "Der Junge hat kein Limit, keine Obergrenze, solange er seine Entwicklung so fortsetzt." Inzwischen hat Dongou sogar in Kameruns Nationalmannschaft debütiert.
In La Masia zeigte der Mittelstürmer schnell, weshalb er inzwischen als Erbe von Eto'o bezeichnet wird. Er spielte konstant in Jugenden, die nicht seinem Alter entsprachen, konnte sich aber aufgrund seiner, für sein Alter bereits herausragenden, Physis durchsetzen und wurde so in den Kader für die NextGen Series berufen. Die Blaugrana scheiterte bereits im Viertelfinale, dennoch ließ sich Dongou mit sieben Treffern zum besten Torjäger des Turniers krönen.
"Immer den Traum, ein Tor zu erzielen"
So führte ihn sein Weg schnell heran an die erste Mannschaft. Den ersten Trainingseinheiten unter Tito Vilanova folgte die Saisonvorbereitung unter Nachfolger Martino. Auch wenn die Ehrfurcht zu Beginn noch groß war, reihte er sich doch schnell nahtlos in das Kombinationssystem ein und überzeugte mit Toren bei den Kantersiegen über den FC Santos und Valerenga.
Im Anschluss zeigte sich Dongou überwältigt: "Wenn man mit der ersten Mannschaft reist, hat man immer den Traum, ein Tor zu erzielen. Zum Glück hatte ich heute die Möglichkeit, dies zu tun." Die Ehrfurcht ist nach mehren Einsätzen für Barca immer noch nicht gesunken.
"Ich hoffe, dass dem Trainer meine Partie gefallen hat", hielt sich Dongou nach dem Sieg über Cartagena zurück und fügte an: "Meine Mannschaft ist die B-Mannschaft." Jedoch hinterließ er erneut einen bleibenden Eindruck, denn mit seinem Tor in der 90. Minute schrieb er sich in die Geschichtsbücher. Sein Treffer nach elf Minuten war der schnellste eines Jugendspielers bei seinem Debüt.
Zwischenstation B-Mannschaft
Ein wenig länger ließ das Debüt von Adama Traore Diarra auf sich warten. Der spanische U-19 Nationalspieler mit malischen Wurzeln erhielt in der Vorbereitung noch keine Chance, zu kurz war er erst bei der zweiten Mannschaft. Erst sechs Spiele absolvierte der 17-Jährige für die B-Mannschaft, dann folgte das Debüt für die Profis.
Dabei spielte er damals schon deutlich länger für Barca als Dongou, schließlich war er unweit des Camp Nou geboren und schnell in die Jugendschule aufgenommen worden. Auch Traore wusste sich schnell zu behaupten und spielte nie in einer U-Mannschaft, die seinem Alter entsprach. Ebenfalls bemerkenswert: Adama spielte in der laufenden Saison zu gleichen Teilen in der B-Mannschaft in der Segunda Division, als auch in der U 19 Barcelonas.
Neunt-Jüngster Debütant
Etwa zwei Monate vor seinem 18. Geburtstag war es dann so weit. Gegen den FC Granada einigte man sich darauf, dass "er auf der Bank sitzen würde und vielleicht ein paar Minuten erhalten könne", wie Martino erklärte. Nach Dongou war er der zweite Spieler mit afrikanischen Wurzeln, der aus La Masia in die Profimannschaft kam.
Kurz vor Ende der Partie erfolgte seine Einwechslung, wenig später der erste Torschuss. Mit 17 Jahren, 9 Monaten und 30 Tagen ist er damit der neunt-jüngste Debütant in der Geschichte des FC Barcelona - nur knapp hinter Namen wie Bojan Krkic, Gerad Deulofeu und Lionel Messi.
"Er hat die Qualitäten"
Für Dongou und Traore sollen es nicht die letzten Einsätze geblieben sein, schließlich ist Barca weiter auf der Suche nach einer "Neun".
Trainer Martino zeigte sich für seine Verhältnisse geradezu euphorisch und stellte schnell klar, in beiden ernsthafte Alternativen für die kommende Saison zu sehen. Obwohl Dongou und Traore in ihren jeweiligen Mannschaften als Außenstürmer eingesetzt werden, sieht er sie doch in der Zentrale.
"Es ist nicht normal, dass ein so junger Spieler debütiert, das wird nicht immer so sein. Aber er hat die Qualitäten, um für uns auf dem Platz zu stehen, das haben wir in den letzten Wochen im Training gesehen", lobte Martino Traore nach dessen Debüt und fand auch für seinen Kameruner ausschließlich positive Worte: "Dongou gefällt uns sehr gut als Mittelstürmer. Er ist ein Fußballspieler, der sich sehr gut im Zentrum einfügt. Er wird bei uns bleiben."
Harte Konkurrenzsituation
Für einen Stammplatz im Starensemble des FC Barcelona mag es noch nicht reichen, schon gar nicht, wenn Lionel Messi nach seiner Verletzung wieder zu alter Stärke zurückfindet und seine Nebenleute Neymar, Pedro und Alexis Sanchez ihre gute Form weiter fortsetzen. Auch Cristian Tello, sowie der an den FC Everton ausgeliehene Gerard Deulofeu stehen in der Hackordnung noch über Dongou und Traore.
Dafür sind beide Spieler noch zu unerfahren, manchmal zu selbstverliebt und mit leichtsinnigen Ballverlusten in vermeidbaren Dribblings ein Risiko im Kombinationsspiel der Katalanen. Dennoch weiß Martino um die Fähigkeiten seiner beiden Nachwuchsstürmer und verzeiht ihnen so manchen Fehler. Schließlich gehört auch das Risiko zum Spiel einer echten Neun.
Der Kader des FC Barcelona