Xavi nannte ihn "den Besten", Iniesta "unglaublich". Und doch spielte Mario Rosas nur ein einziges Mal für Barcelona. Die Geschichte eines gescheiterten Ausnahmetalents.
Xavi Hernandez ist einer der größten Spieler aller Zeiten. Er hat nicht nur unfassbare 31 Titel gewonnen, darunter siebenmal Wettbewerbe, die viele in ihrer Karriere nicht ein einziges Mal erreichen, sondern auch einen ganzen Spielstil mitgeprägt. Er war das Gesicht einer Generation, die schon jetzt, wenige Jahre nach dem Höhepunkt ihres Schaffens, lebenden Legendenstatus inne hat.
Er hat mit Künstlern wie Lionel Messi oder Andres Iniesta zusammengespielt. Und doch nennt er angesprochen auf den besten Mittelfeldspieler einen anderen: "Der wirklich Gute war Mario Rosas. Er war der Beste meiner Generation." Auch wenn er diese 2009 getätigte Aussage später revidierte und Messi und Iniesta als beste Teamkollegen betitelte, wirft sie doch eine Frage auf: Mario wer?
Mit 17 Debüt unter van Gaal
Mario Rosas wurde wie Xavi 1980 geboren. Er wuchs unter der andalusischen Sonne in Malaga auf, der Fußball war das erste, was er morgens in die Hand nahm und das letzte, was er abends vor dem Schlafengehen berührte. Und wie er das konnte, das Berühren des Objektes der Begierde Tausender. Er war immer einer der Kleinsten - und dennoch besser als sie alle zusammen. Rosas, der auch als Mann später nur 1,67 Meter messen sollte, war das, was man heute lapidar ein "Ausnahmetalent" nennt.
Und er hatte Glück, dass über 900 Kilometer entfernt, an der Küste Kataloniens einige Männer beschlossen, den Fußball zu revolutionieren. Angeführt von Johan Cruyff baute man fußend auf dem System von Ajax Amsterdam ein System auf, das zum Ziel hatte, möglichst viele qualitativ hochwertige Spieler auszubilden. Neu dabei: Wichtig war einzig der Fußball und nicht etwa die körperliche Statur. Etwas, das Xavi, Messi und Iniesta zugute kam, die andernorts vielleicht aufgrund ihrer Größe aussortiert worden wären. Und Mario Rosas.
1994 wurde er entdeckt und wechselte als 14-Jähriger zum FC Barcelona. Dort staunte man nicht schlecht über diesen kleinen Spielmacher mit den unglaublichen Qualitäten. Er reifte, geprägt durch den Kurzpassfußball, zu einem der größten Talente Europas, von dem sich nicht nur die Experten Großes erhofften.
1998, sieben Tage vor seinem 18. Geburtstag, durfte er unter Louis van Gaal und an der Seite von Stars wie Luis Figo dann in der spanischen Beletage debütieren. Zwar ging das unbedeutende Spiel gegen Salamanca mit 1:4 verloren, dass das Spiel nur eines von vielen weiteren Rosas' sein würde, bezweifelte dennoch niemand.
Sich unterordnen? Unmöglich
Und dennoch blieb es sein einziges Erstligaspiel für die Blaugrana. Der Grund war schlichtweg, dass er zu jung, zu unerfahren war, um regelmäßige Einsätze zu bekommen. Er liebte das Spiel mehr als alles andere. Er liebte das Spielerische, die Tricks, die Schönheit des Spiels. Was er nicht liebte, war die andere Seite, das Verteidigen, das Beißen, das Fighten. Also genau das, was man von Talenten, die es schaffen wollen, am Anfang erwartet. Dass sie mehr geben als einige feine Pässe und technisch anspruchsvolle Ballannahmen.
Und so erhielt er schon 2000, nur zwei Jahre nach seinem Debüt, keinen neuen Vertrag mehr. Weil er den Schritt, den ein Xavi machte, nicht mitging. Und weil Louis van Gaal taktische Perfektion erwartete. Rosas aber ist kein Positionsspieler, sondern einer, der intuitiv das Spiel an sich reißt. Der überall auftauchen kann, dessen Qualität die Überraschung ist.
Das Problem: In einem Team mit Technikern wie Jari Litmanen, Rivaldo und Luis Figo, das zudem Strategen wie Pep Guardiola oder Phillip Cocu hatte, war das schlicht nicht möglich. Einer, der sich aufgrund seines Spiels nicht unterordnen kann, musste sich unterordnen - ein Ding der Unmöglichkeit.
Er verließ Barca und eine Odyssee begann. Alaves, Salamanca, Numancia, Cadiz, Girona, Castellon, Murcia, erneut Salamanca, der aserbaidschanische Klub Khazar, Huesca, Hercules, Eldense. Eine Vita, die auch einem mittelmäßigen Zweitligaverteidiger gehören könnte. Dass er es auch in Liga zwei schwer hatte und auf nur sechs weitere LaLiga-Einsätze kam, liegt neben den viel zu hohen Erwartungen an das "Wunderkind" vor allem an der Umgewöhnung nach dem Abgang aus Barcelona.
imago imagesRosas macht Xavi demütig
"Es hatte nichts mit Glück oder falschen Trainern zu tun. Ich habe selbst schuld, dass ich nicht in der Primera Division spiele. Alle Barca-Spieler sind vom selben Schlag, sehr offensiv, auf Ballbesitz bedacht und immer voll auf Angriff", sagte Rosas selbst. "Als ich gehen musste, konnte ich mich nicht an die neuen Anforderungen, die auf mich zukamen, anpassen. Ich musste mehr verteidigen und andere Aufgaben übernehmen, als ich es von Barca gewohnt war."
2014, genau 20 Jahre, nachdem sich als 14-Jähriger ein Traum erfüllte, und er zu Barca wechselte, beendete er seine Karriere. Heute lebt er wieder in Malaga, dort, wo alles anfing. Ein Back to the Roots eines Gescheiterten, dessen Schicksal Xavi und Co. demütig macht. "Ich hatte Glück soweit zu kommen und wenn ich an Mario Rosas denke, weiß ich, wie viel Glück ich hatte", sagt Xavi, mit dem Rosas noch heute befreundet ist.
Und so endete die Geschichte eines der vielversprechendsten Talente der letzten Jahrzehnte 2014 in Elda, einer Stadt in der Provinz Alicante, nahe der Ostküste. 3. Liga, ins Stadion passen 4000 Menschen. Der Spieler, den Cruyff einst persönlich als "großartig" betitelte und der auch von Iniesta den Ritterschlag erhielt, unglaublich zu sein, legte eine unbedeutende Karriere hin, während Xavi ein Weltstar wurde. Dass es auch anders hätte laufen können, wissen beide.
"Schicksal hatte andere Pläne"
So sagte Xavi Hernandez, die Ikone mit 31 Titeln 2012 vor der Weltfußballerwahl, bei der neben ihm Messi und Iniesta zur Wahl standen, "er müsste hier sein" über Rosas.
Ein Satz aus dem Mund eines der Größten überhaupt, der zeigt, dass das Leben eben so spielt. Dass es nicht immer nach Plan läuft. Dass man Glück braucht und dass das "Schicksal manchmal andere Pläne hat", wie Rosas es ausdrückte.
Und so sollte es bei Mario Rosas eben nicht sein, dass er die Menschen mit seiner Gabe beeindruckte. Sieht man ihn in jungen Jahren den Ball streicheln, weiß man, wie schade das ist. Für ihn selbst natürlich, aber auch für alle, die Spaß an ästhetischem Fußball haben.