SPOX und Goal trafen Erdmann beim Italiener am 1860-Trainingsgelände zum Interview. Der 28-jährige Defensivallrounder erzählt von seiner Mutter, die einen Schiedsrichter mit einem Regenschirm attackierte, von seinem legendären Foul an Marco Reus und seinen Plänen, eine eigene Partei zu gründen. Außerdem spricht Erdmann über den Papst, Medientraining, Bierchen, Tier-Dokus, Pyro und den Karneval.
Herr Erdmann, sind Sie religiös?
Dennis Erdmann: Ja, warum?
Sie haben mal gesagt: "Zur Not foule ich den Papst." Wie würden Sie ihm das danach erklären?
Erdmann: Ich spreche mit keinem Gegenspieler, nachdem ich ihn umgegrätscht habe. Deswegen würde auch der Papst nichts von mir hören.
Der Papst-Spruch ist eine Ihrer vielen markigen Aussagen. Überlegen Sie sich solche Sprüche vorher?
Erdmann: Nein, das kommt spontan. Meine Eltern haben mich zu einem meinungsstarken Typen erzogen. Ich sage immer, was ich denke.
Sie gelten in Deutschland als Bad Boy. Hat dieses Image seine Berechtigung?
Erdmann: Trotz der in Deutschland gelebten Meinungsfreiheit kommt eine deutliche Aussage nicht immer gut an. Ich werde häufig als der wahrgenommen, der etwas gesagt oder gemacht hat. Das finde ich einerseits ganz schlimm, andererseits ist es mir aber auch egal. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, was ich sagen soll.
Viele Vereine versuchen, die Aussagen ihrer Spieler zu steuern. Wurde Ihnen von einem Ihrer Vereine mal ein Medientraining empfohlen?
Erdmann: Medientraining? Nein, das hat noch niemand von mir gefordert. Ich würde mich dazu auch nicht zwingen lassen.
Viele Interviews mit Fußballern strotzen heutzutage nur so vor Floskeln.
Erdmann: Im heutigen Fußball und insbesondere in den Nachwuchsleistungszentren ist vieles anders als früher, weicher als vor vielen Jahren. Das hat auch Auswirkungen auf die Spieler und deren Außendarstellung. Für meinen Sohn würde ich das anders wollen.
Was stört Sie an den Nachwuchsleistungszentren konkret?
Erdmann: Im Fußball geht es nicht nur um den Fuß und den Ball, sondern vor allem um Mentalität, Leidenschaft, Kampf und Wille. Diese Grundlagen gehen in den Nachwuchsleistungszentren verloren. Alle deutschen Nachwuchsspieler können ganz toll passen und dribbeln, aber sie haben keine Mentalität.
Was schlagen Sie als Alternative vor?
Erdmann: Man sollte den Fußball dort lernen, wo er herkommt: auf den Ascheplätzen der Kreisligavereine. Da geht es nicht um Ruhm oder Geld, sondern um Spaß. In den Nachwuchsleistungszentren sagen die Kinder dagegen: 'Ich spiele nicht auf Asche, sondern nur auf Rasen - und der ist übrigens zu hoch und muss noch ein bisschen geschnitten werden.'
Nach einem DFB-Pokalspiel 2015 mit Dynamo Dresden gegen Borussia Dortmund standen Sie deutschlandweit im medialen Fokus. Marco Reus musste nach einem Foul von Ihnen verletzt ausgewechselt werden. Sie sagten daraufhin: "Er ist mir gegen das Knie gelaufen." Hat Sie das öffentliche Echo darauf überrascht?
Erdmann: Ja, das war schon krass. Aber wie man mittlerweile weiß, hat Reus keine bleibenden Schäden davongetragen. Ich werde ihn das nächste Mal also härter anpacken. (lacht)
Hatten Sie danach Kontakt mit Reus?
Erdmann: Über seinen Berater habe ich mir seine Nummer organisiert und ihm zwei, drei Tage später bei WhatsApp geschrieben. Er hat darauf aber nicht reagiert.
In 224 Pflichtspielen haben Sie 88 Gelbe Karten gesehen. Gehen Schiedsrichter mit Ihnen anders um als mit anderen Spielern?
Erdmann: Das betrifft nicht nur mich, sondern auch andere vermeintlich härtere Spieler. Was vor 25 Jahren im Fußball nicht mal ein Foul war, wird heutzutage mit einer Gelben Karte geahndet.
Sie sind 28 Jahre alt. Woher wissen Sie, wie es vor 25 Jahren war?
Erdmann: Ich weiß das von meinem Vater, der hat mir alles erzählt. Früher durftest du dem Gegner schön auf die Hölzchen hauen, hast dich danach entweder entschuldigt oder auch nicht und dann war alles gut. Heute braucht man einem Gegner nur auf den Fuß steigen und schon sieht man Gelb. Am Ende sehen am besten auch noch der Torwarttrainer und der Physiotherapeut Gelbe Karten.
Woran liegt das? Fehlt Schiedsrichtern die natürliche Autorität?
Erdmann: Viele Schiedsrichter treten respektvoll auf und strahlen somit eine natürliche Autorität aus. Wenn jemand diese Ausstrahlung nicht mitbringt, wird es schwer auf dem Platz zu stehen und ein Spiel unter 22 Männern zu leiten.
Wie ist das bei anderen Fußballern? Hatten Sie schon mal einen Gegenspieler, von dessen Ausstrahlung Sie beeindruckt waren?
Erdmann: Nein, ich habe noch nie gegen mich selbst gespielt.
Die Karrierestationen von Dennis Erdmann im Profi-Fußball
Zeitraum | Verein | Pflichtspiele | Gelbe Karten | Platzverweise |
2012 bis 2014 | FC Schalke 04 II | 55 | 18 | 2 |
2014 bis 2015 | Dynamo Dresden | 28 | 14 | 1 |
2015 bis 2017 | Hansa Rostock | 73 | 31 | 1 |
2017 bis 2019 | 1. FC Magdeburg | 61 | 21 | 1 |
seit 2019 | 1860 München | 7 | 4 | - |
Bis zu Ihrem 18. Lebensjahr haben Sie in der zehnten Liga bei Blau-Weiß Kerpen in der Nähe von Köln gespielt. Was vermissen Sie daran?
Erdmann: Es war schön, mit meinen Freunden zusammen zu spielen und nach dem Training ein paar Bierchen mit ihnen zu trinken. Das fehlt mir.
Waren Sie mit Ihren neuen 1860-Kollegen schon mal ein Bier trinken?
Erdmann: Bisher hat mich leider noch keiner gefragt. Ich wäre der erste, der so ein Angebot annehmen würde.
Darf man das als Profifußballer?
Erdmann: Ich will ein ganz normales Leben führen wie jeder andere Arbeiter auch. Da gehört es dazu, ab und an ein Bierchen zu trinken. Wenn ich das nicht mehr darf, höre ich mit dem Profifußball auf.