Simon Rolfes gilt als absolutes Musterbeispiel für eine vorausschauende und stringente Karriereplanung auf und außerhalb des Fußballfeldes. Im Rahmen der Themenwoche "Tabus im Fußball" spricht der ehemalige Nationalspieler mit SPOX über die Risiken von Geldanlagen bei Fußballprofis, Schwierigkeiten bei der Karriereplanung und Geldsorgen unter Kollegen.
SPOX: Herr Rolfes, Ihr freiwilliges Karriereende mit nur 33 Jahren kam für viele Außenstehende überraschend. Was machen Sie zwei Jahre danach?
Simon Rolfes: Ich habe mit Dr. Markus Elsässer, einem ausgewiesenen Finanzexperten, eine Agentur aufgebaut, die Leistungssportler sowohl in ihrem Kernbereich Sport als auch beim Thema Finanzen berät. Letzteres hört ja auch nach der aktiven Laufbahn nicht auf. Außerdem beraten wir auch Klienten, die nicht aus dem Sport kommen.
SPOX: Haben Sie sich das, was Sie heute im Alltag machen, damals genau so vorgestellt? Sie haben sich ja über einen längeren Zeitraum mit Ihrer Laufbahn nach dem Fußball beschäftigt.
Rolfes: Das ist eine gute Frage. (überlegt lange) Am Ende geht es schon in die Richtung. Es sind vielfältige Themenfelder und immer neue Herausforderungen, mit denen ich konfrontiert werde. Und ich wollte immer über den Tellerrand hinausschauen. Das tue ich, indem ich mich regelmäßig fortbilde und schaue, dass ich mit dem gewonnenen Wissen meine Klienten besser beraten und auch mal alternative Wege aufzeigen kann. Zum Beispiel im Sport und der Persönlichkeitsentwicklung. Ich möchte für meine Klienten der bestmögliche Ansprechpartner sein. Da gilt es, permanent die Augen offen zu halten.
SPOX: Sie sprechen Ihre Klienten an: Sind das ausnahmslos Fußballer?
Rolfes: Wir vertreten vornehmlich Fußballer, aber auch Sportler aus anderen Sportarten wie Handball zum Beispiel. Größtenteils sind das junge Menschen, die die Branche noch nicht so auf dem Schirm hat, aber auch Namen, die Sie sicherlich kennen. Die klassischen Beratertätigkeiten gehören natürlich auch dazu. Aber Teil des Gesamtpakets sind auch Finanzberatungen über den Vereinsvertrag hinaus.
gettySPOX: Ehemalige Sportler berichten immer wieder, das Schwierigste beim Übergang zwischen sportlicher Karriere und dem Alltag danach sei es, das fehlende Adrenalin zu kompensieren. Wie ging es Ihnen?
Rolfes: Das mit dem Adrenalin ist tatsächlich alles andere als einfach. Mir hat sehr geholfen, dass ich ein klares Bild davon hatte, was ich machen wollte, und dass ich noch während der Fußballlaufbahn die Vorkehrungen dafür traf. Vorbereitung hilft allgemein. Eine allzu passive Einstellung nach der Laufbahn kann tatsächlich zu Problemen führen. Dann verrinnt die Zeit sehr schnell und es kann zu Antriebsproblemen oder allgemein dazu kommen, dass man nicht weiß, wohin es gehen soll.
SPOX: Das ist für den "normal arbeitenden" Menschen schwerer nachvollziehbar.
Rolfes: Jeder normal arbeitende Mensch wird sagen: Mein Gott, das ist die Normalität, ohne diese ständigen Hochs. Natürlich ist das so. Für uns ist das aber eben nicht so. Alle drei Tage ein Spiel - der Adrenalinpegel geht hoch, wieder runter. Diese Achterbahnfahrten sind für Fußballer normal. Genau das ist die Schwierigkeit nach dem Karriereende. Dass wir diese Adrenalinspitzen nicht mehr haben und uns der Alltag zu träge vorkommt. Das ist mental, aber auch körperlich eine Herausforderung, weil der Körper nicht daran gewöhnt ist.
SPOX: Der Körper eines Profis ist darauf getrimmt, Leistung zu bringen.
Rolfes: Ja. Aber es gilt zu akzeptieren, dass das irgendwann ein Ende hat, und dass es dennoch erstrebenswerte Ziele gibt, auf die man gewissenhaft hinarbeiten kann und die einen erfüllen. Wir haben ja auch extrem vieles aus dem Profifußball gelernt: sich für eine Sache einzusetzen, Disziplin zu haben. Das sind viele Komponenten und Qualitäten, die wir mitbringen für eine Karriere danach. Die gilt es beizubehalten und auch ohne den ständigen Adrenalinkick einzubringen. Das ist eine große Herausforderung.
SPOX: Wie alt waren Sie, als Sie begonnen haben, sich mit dem Karriereende zu beschäftigen und mit dem, was danach kommt? Welche Rolle hat Ihr jetziger Geschäftspartner dabei gespielt?
gettyRolfes: Während meiner aktiven Karriere als Spieler habe ich mich mit ihm über die außersportlichen Themen ausgetauscht. Als ich 24 war, habe ich ihn über das Thema Geldanlage und Finanzen kennengelernt. Damals hatte ich sehr lange nach einem passenden Experten gesucht, der mir helfen sollte, Geld nach meinen Vorstellungen anzulegen.
SPOX: Bei allem Respekt vor Ihren Kollegen, aber dass sich ein Bundesligaspieler in so frühen Jahren derart intensiv mit dem Thema Geldanlage beschäftigt ist doch eher die Ausnahme, oder?
Rolfes: Ja, normal ist das nicht. (schmunzelt) Aber Finanzen sind doch in unserer kompletten Gesellschaft kein Thema. Das hat nichts mit uns Fußballern zu tun. Wir Deutsche sind beileibe keine Weltmeister im Anlegen. Wir wollen ja am liebsten nur das Sparbuch von der Geburt bis zum Tod bedienen. Das ist ein Fehler der Gesellschaft an sich, aber speziell auch der Fußballer. Ein Profi, der vielleicht zehn Jahre diese Gehälter verdient, sollte sich damit zumindest mal beschäftigt haben oder einen Berater finden, der ihm helfen kann.
SPOX: Woher kam die Affinität für den Finanzsektor in so jungen Jahren?
Rolfes: Diese Affinität war schon von klein auf irgendwie da. Mit zehn Jahren habe ich mein erstes Taschengeld für den Kauf von Silbermünzen und einer winzig kleinen Goldmünze verwendet. Hinzu kam ein grundlegendes Interesse an Zahlen und Mathematik in der Schule. Nachdem ich meinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte, war mir klar, dass es nun wichtig ist, das verdiente Geld auch vernünftig anzulegen.
SPOX: Und?
Rolfes: Ich hatte zwar mit 18 Jahren ein grundsätzliches Interesse, aber mir hat es natürlich an Know-how gefehlt. Ich habe dann in diesem Bereich immer mehr dazugelernt. Ich habe viele Erfahrungen mit unterschiedlichsten Banken gemacht. Leider habe ich aber nicht die Qualität vorgefunden, die ich erwartet hatte. Nach langer Suche habe ich dann Dr. Elsässer kennengelernt und seit gut zehn Jahren arbeiten wir jetzt so zusammen, wie ich mir dies vorstelle.
SPOX: Sie waren also ein Musterprofi, was die Planung für das Leben nach der Karriere angeht. Heutzutage geht die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) ja auch in die Nachwuchsleistungszentren und informiert über Angebote. Was für Angebote gab es in Ihren ersten Profi-Jahren?
Rolfes: Die VDV war ja schon immer umtriebig. Das Thema Karriere nach der Karriere hat sie weiter ausgebaut. Damals war die Verknüpfung mit den Nachwuchsabteilungen überhaupt nicht da. Man darf natürlich nicht vergessen: Viele Spieler haben den Status Profi, doch die Bedürfnisse eines Spielers, der in der 2. Liga oder darunter spielt, sind ganz andere als bei einem Nationalspieler. Damals wie heute ist der Umgang mit der Problematik in der absoluten Leistungsspitze sehr gering ausgeprägt.
SPOX: Bleiben wir im Spitzenbereich, in dem Sie als Nationalspieler bei Bayer jahrelang waren: Kommen Spieler da in Nöte aufgrund falscher oder nicht vorhandener Beratungen während oder nach der Karriere?
Rolfes: Natürlich. Es gab Mitspieler, die in Schwierigkeiten waren und mich um Rat fragten, weil sie wussten, dass ich mich mit dem Thema intensiv beschäftige. Fußballer sind von problematischen Investments genauso betroffen wie viele andere auch.
gettySPOX: Was meinen Sie konkret?
Rolfes: Schiffsfonds und andere Konstruktionen, der Madoff-Skandal. Natürlich kam und kommt es häufig vor, dass Fußballer nicht richtig beraten werden oder Berater eine fragwürdige Rolle einnehmen und nicht über die nötigen Kenntnisse im Finanzsektor verfügen. Was dann über Kooperationspartner abgewickelt wird, hat nicht immer die beste Qualität. Das ist schade. Da unterscheiden wir uns komplett, weil wir den Fokus auch darauf legen und nicht nur aufs Sportliche. Wir haben die Expertise in unserer Agentur.
SPOX: Der Fokus der meisten liegt aber doch darauf, viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen.
Rolfes: Es ist doch klar, dass jeder eine große sportliche Karriere machen will und natürlich muss im Hier und Jetzt dort auch der primäre Fokus liegen. Aber die andere Komponente ist das dicke Fundament für das Leben danach, gerade wenn es im Fußball gut läuft.
SPOX: Und was ist mit den Profis aus niederen Spielklassen?
Rolfes: Für Spieler, die weniger verdienen, ist eine falsche Geldanlage noch dramatischer. Wenn da etwas wegbricht, steht man mit Mitte 30 - häufig ohne Ausbildung - vor einem großen Problem.
SPOX: Wie viele Ihrer damaligen Mitspieler haben sich denn überhaupt Gedanken über das Leben nach dem Fußball gemacht?
Rolfes: So eine Handvoll auf die Größe eines Kaders bezogen ist ein realistischer Wert. Mit 19 oder 20 ist es aber auch wichtig, den Fokus auf das Fußballerische zu legen, um anzukommen, um Leistung zu bringen, um den Anforderungen des Profifußballs gerecht zu werden. Das ist alles in Ordnung und richtig so. In der zweiten Phase einer Karriere sollte aber Stück für Stück ein Gefühl dafür entwickelt werden, was danach kommen soll, welche Qualitäten man hat. Recht wenige nutzen die durchaus vorhandene Zeit. Als Profi gibt es durch die Bekanntheit und andere Privilegien ja auch Türöffner für die Karriere danach. Die muss man aber auch nutzen. Und sich auch mental darauf vorbereiten.
SPOX: Mittlerweile gibt es Vollprofis bis in die Oberligen hinein. Die haben beim Karriereende nicht immer den finanziellen Background, sich ausreichend Zeit für eine Umorientierung zu nehmen. Als ehemaliger Spielerrat der VDV hatten Sie regelmäßig Kontakt zu Spielern. Vor welchen Herausforderungen stehen diese Menschen?
Rolfes: Das ist relativ einfach: Als durchschnittlicher Drittligaprofi verdient man im Bundesdurchschnitt immer noch sehr gut. Dieser Mehrverdienst muss zur Seite gelegt werden. Irgendwann muss der Spieler dann auch ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen: Okay, die ganz große Karriere wird es vielleicht nicht mehr. Die Notwendigkeit der Vorbereitung ist da viel größer. Der Druck besteht, direkt nach der Karriere eine Ausbildung abzuschließen oder einen Job zu finden, der seinen Lebensunterhalt sicherstellt. Um ein Studium oder eine Ausbildung angehen zu können, sollte man deswegen etwas Geld zur Seite gelegt haben. Aber bei vielen geht es auch um das Thema Anspruch.
SPOX: Anspruch?
Rolfes: Der Anteil der Profis, die nach der Karriere ähnlich gut verdienen, ist sehr gering. Da reden wir vielleicht von einem Prozent. Da muss also auch der Drittligaprofi entweder von seinem hohen Lebensstandard herunter, oder er hat den Standard gar nicht so hochgefahren. Damit er sich mit einem normalen Job, was auch immer er macht, gut halten kann. Dann ist der weitere Lebensweg unproblematisch. Denn vielleicht hat er sich etwas angespart, vielleicht ist das Haus schon abbezahlt. Das sind ja großartige Dinge. Das ist eine Ausgangsposition, die andere Menschen mit Anfang 30 noch nicht haben. Das müssen Fußballer für sich nutzen.
SPOX: Wenn Sie heute an Ihre letzten ein, zwei Profijahre zurückdenken. Bereuen Sie es zumindest ein bisschen, so früh aufgehört zu haben?
Rolfes: Nein, definitiv nicht. Ich bin mit meiner Entscheidung aus vielen Gründen sehr zufrieden. Die Herausforderung des Übergangs hast Du immer. Das wäre zwei Jahre später genauso gewesen. Die Karriere auf einem hohen Niveau, gesundheitlich stabil abgeschlossen zu haben, das hat für mich noch heute einen sehr hohen Wert und ich bin ehrlich glücklich darüber, dass ich es so gut hinbekommen habe.
SPOX: Würden Sie sagen, dass es Ihren Kollegen da ähnlich geht?
Rolfes: Das muss man immer individuell sehen. Jeder Typ ist anders. Möglichst lange zu spielen ist ja auch okay. So wie es Claudio Pizarro macht, das ist ein gutes Modell. Der Zeitpunkt ist etwas ganz Individuelles.
SPOX: Die Karriereenden verschieben sich aber eher nach vorne.
Rolfes: Ja, das gilt es grundsätzlich festzuhalten. Die Anzahl der Spieler, die mit 31 aufhören, wird in den kommenden drei, vier Jahren deutlich steigen. Sie kommen immer früher in hohe Belastungen und deswegen wird ihre Karriere auch früher enden.
SPOX: Zu Ihrer Zeit war unter den Jungprofis noch eine höhere Prozentzahl dabei, die eine Ausbildung abschloss. Heute machen dafür mehr angehende Profis (Fach)-Abitur und konzentrieren sich dann auf Fußball, weil sie so früh aus den NLZ kommen. Die Gefahr besteht, dass ein Spieler danach nichts in den Händen hält.
Rolfes: Das wird ein größeres Thema werden. Da müssen der Fußball und die Berater Antworten finden. Die Karriere wird im Idealfall heute zwischen 18 bis 30 Jahren liegen und nicht mehr zwischen 22 bis 35 Jahren. Dementsprechend verschiebt sich auch der Leistungshöhepunkt weiter nach vorne. Trotz des G8‑Abiturs gibt es immer wieder Jungprofis, die mit dem Gedanken spielen, die Schule aufgrund einer sich frühzeitig bietenden Chance im Profifußball zu beenden. Ein Schulabbruch würde diese Spieler am Ende mit 33 aber teuer zu stehen kommen. Die Schule oder eine Ausbildung zu Ende machen ist definitiv die richtige Entscheidung.