Wie ein überdimensionaler afrikanischer Feuertopf sprießt sie neben den stillgelegten Goldminen aus dem Boden. Zwischen ihren Fassaden hangeln schweißbedeckte Bauarbeiter wie Freeclimber an den gewaltigen Wänden.
Sie schrauben, klopfen und hämmern im Akkord, damit sie rechtzeitig fertiggestellt wird: Soccer City - die mit 96.000 Plätzen größte Arena Afrikas. Hier wird die Eröffnungsfeier der WM stattfinden. Hier wird genau vier Wochen später im Endspiel der Weltmeister 2010 gekürt werden.
Soweto - einer der gefährlichsten Orte der Welt
Hier, direkt angrenzend zum Township Soweto. Ein Elendsviertel in Johannesburg, das von den Ärmsten der Armen bewohnt wird und neben einigen Favelas in Brasilien zu den gefährlichsten Orten der Welt gehört.
Hier, zwischen zusammengeflickten Behausungen aus Lehm und Wellblech, gibt es mehr Morde als Verkehrstote.
Verkehrsschilder am staubigen Wegesrand warnen davor, dass häufig Autos überfallen und entführt werden. Über 14.000 Fälle sind im vergangenen Jahr offiziell erfasst worden. Tendenz steigend.
Die Kriminalitätsstatistiken lesen sich wie Bilanzen einer kriegerischen Auseinandersetzung: 50 Morde und 100 Vergewaltigungen pro Tag, dazu zahllose Raubüberfälle. Statistisch muss jede zweite Südafrikanerin damit rechnen, einmal in ihrem Leben vergewaltigt zu werden.
Carnell: Abends nach Johannesburg Stadtmitte? Auf keinen Fall!
Einer, der sich in Johannesburg bestes auskennt, ist Bradley Carnell. Im Gespräch mit SPOX stuft der Nationalspieler Südafrikas die Sicherheitsbedingungen bei den Spielen selbst nicht als riskant ein: "Das Stadion ist zwar am Rande von Soweto, aber dort besteht keine Gefahr. Der Afrika-Cup fand 1996 auch schon dort statt und es gab keine Probleme."
Die Gefahren lägen vielmehr in privaten Erkundungstouren außerhalb der Stadien: "Man darf eben nicht auf die Idee kommen, abends nach Johannesburg Stadtmitte zu gehen. So leichtsinnig sollte man nicht sein."
Man müsse in fremden Ländern generell etwas vorsichtiger sein und sich an die Richtlinien halten, empfiehlt Carnell. "Das gilt natürlich für Südafrika umso mehr."
Es gibt auch Positives
Doch von der Regenbogennation gibt es auch gute Nachrichten zu vermelden: Bereits ein Jahr vor dem WM-Auftakt wurde das Nelson Mandela Bay Stadion in Port Elizabeth als Südafrikas erste neue WM-Arena eingeweiht.
"Für uns ist die Eröffnung ein enormer Fortschritt. Es demonstriert die Kraft von Südafrikas Bauindustrie und beweist unseren Willen, alles in die Tat umzusetzen", erklärte Organisationschef Danny Jordaan bei der Eröffnung und deutet damit sein Ziel an, das Image Südafrikas nachhaltig aufzupolieren.
Denn Confed-Cup und WM sind für den Staat am Kap der guten Hoffnung mehr als nur Sportevents. Gut 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid soll der Fußball das demokratische Land in den Kreis der Wirtschaftsnationen hieven. Er soll zeigen, dass ein Schwellenland den organisatorischen Kraftakt WM meistern kann.
Vuvuzelas - der Sound der WM 2010
In den ersten Stadion-Neubauten ertönten bei Testspielen bereits die Vuvuzelas - die lärmigen Plastiktröten der südafrikanischen Fußball-Fans, die den Sound der kommenden WM bestimmen werden.
Spätestens im Dezember werden alle Arenen fertig sein - zehn WM-Stadien, sechs davon sind neu, vier wurden umgebaut.
"Ich habe schon immer gesagt: Der Stadienbau wird keine Probleme bereiten, nur mit der Infrastruktur könnte es Schwierigkeiten geben", sagt Carnell und spricht damit ein weiteres brisantes Thema an.
Ist das südlichste Land des Schwarzen Kontinents überhaupt gewappnet für solch einen großen Menschenauflauf?
Jordaan: Südafrika ist wie Mexiko 1986
Sorgen bereitet vor allem das Transportwesen. Mehr als eine halbe Million Besucher werden im Juni 2010 erwartet. Ein funktionierendes Bussystem gibt es nicht. Die Eisenbahn taugt für den Schnellverkehr nicht.
Das für den Confed-Cup geplante Schnellbus-System wird nicht eingesetzt, da sich die Regierung dem Druck der rabiaten Taxifahrer-Industrie gebeugt hat.
Wie kommt man in die Stadien und nach Spielschluss wieder fort? Achselzucken, niemand weiß es genau. Rechtfertigungsversuche von OK-Chef Jordaan: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Südafrika ein Entwicklungsland ist, wie Mexiko 1986. Hier ist die Kluft zwischen dem, was vorhanden ist, und dem, was wir infrastrukturell leisten müssen, enorm."
Urlaub in Mosambik - WM-Spiel in Nelspruit?
Auch die Anzahl der Unterkünfte ist an manchen WM-Orten knapp. Deswegen wurden mit Nachbarländern wie Mosambik, Botswana oder Sambia Abkommen unterzeichnet.
Im Optimalfall stellt sich Jordaan das so vor: Der Fußballfan lässt sich von einem Reiseanbieter ein Komplettpaket mit Flug, Unterkunft und Eintrittskarten zusammenstellen. So könne man in Mosambik seine Ferien verbringen und für die Spiele einfliegen. Nur: Welche Klientel will das?
Carnell sieht die Problematik zweckmäßiger: "Der WM-Ort Nelspruit ist eine ganz kleine Stadt, die hätte für große Hotelbauten nach der WM keine Verwendung mehr. Es würde keinen Sinn machen, Unterkünfte für so viele Leute zu errichten."
Valcke: "FIFA kann Südafrika nicht in ein sicheres Land verwandeln"
Bei allem Pragmatismus und Optimismus: Vor allem das Sicherheitskonzept bleibt ein Jahr vor WM-Beginn angesichts der sich darstellenden Situation ungelöst. Denn bei der WM prallen zwei Welten aufeinander: gut situierte Touristen und bettelarme Township-Bewohner.
Erst kürzlich sagte der FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke: "Die FIFA kann Südafrika nicht in ein sicheres Land verwandeln. Aber wir garantieren, dass die Spiele sicher sein werden."
Den Kritikern soll mit einem emotionalen Fußball-Fest ausschließlich das freundliche und farbenfrohe Gesicht Afrikas gezeigt werden. Dass dies ein äußerst ambitioniertes Ziel ist, verdeutlicht ein Bericht des englischen "Guardian".
Buckles: Das gefährlichste Land der Welt
Die Tageszeitung deckte auf, dass bis vergangenen Donnerstag keine Sicherheitsfirma beauftragt wurde, um den Schutz von VIPs, Hotels, Stadien und Trainingsgelände der teilnehmenden Teams beim Confed-Cup zu gewährleisten. Ähnlich unorganisiert sieht das Sicherheitskonzept für die WM aus.
Das weltgrößte Security-Unternehmen G4S hat seinen Dienst schon vorab quittiert: "Unsere Männer werden bei der WM nicht arbeiten", sagte G4S-Chef Nick Buckles und lieferte den Grund dafür gleich mit: Er stufe Südafrika als das gefährlichste Land der Welt ein, in dem man arbeiten könne - noch vor Afghanistan und dem Irak.
Angesprochen auf die vielen Missstände und nicht vorhersehbaren Gefahren wünscht sich Jomo Sono, ein ehemaliger Nationaltrainer Südafrikas, nach dem WM-Finale nur eine Schlagzeile: "Danke, Südafrika. Es war ein Vergnügen."
Sollte es tatsächlich so kommen, dann ist alles gut gegangen.