Das Händchen von Marc Wilmots und ein Fehler von Felix Brych haben Belgien ins Achtelfinale gebracht. Dort würden es die Roten Teufel im Ernstfall sogar mit Deutschland aufnehmen.
Als seine Joker-Taktik Belgien erstmals seit zwölf Jahren ins WM-Achtelfinale gebracht hatte, gab es für Marc Wilmots kein Halten mehr.
Mit fliegenden Fäusten und wehendem Jackett hüpfte der Trainer der Roten Teufel nach Divock Origis Siegtreffer zum 1:0 (0:0) gegen Russland durch den Fußball-Tempel Maracanã. Dass Belgien auch von einer fragwürdigen Entscheidung von Schiedsrichter Felix Brych profitierte, war Wilmots da völlig egal.
"Wenn du etwas wagst, kannst du Ergebnisse erzwingen, das haben wir getan", sagte er: "Wir waren frischer und besser, deshalb haben wir gewonnen." Nicht wegen Brych. Der Münchner hatte Russland nach einem Foul von Toby Alderweireld an Maxim Kanunnikow im Strafraum einen Elfmeter verweigert (27.).
"Russen ohne Benzin im Tank"
Nur deshalb konnte Origi Belgien mit seinem Treffer (88.) in die K.o.-Runde schießen - und Wilmots ausflippen. Als das Spiel zu Ende war, deutete Wilmots vielsagend auf die Auswechselbank, von wo bereits beim 2:1 gegen Algerien der Erfolg mit damals sogar zwei Toren gekommen war.
"Wir haben nicht den besten Fußball der Welt gespielt, aber alles ist so gekommen, wie ich es geplant hatte", sagte Wilmots stolz.
Er habe gesehen, dass "die Russen kein Benzin mehr im Tank" hatten und darauf offensiv gewechselt. "Du musst dein Potenzial kennen. Wir haben Leute, die in der Schlussphase alles zu geben bereit sind. Das ist ein richtiger Trumpf", sagte Wilmots.
Auch wenn die zweitjüngste Mannschaft des Turniers ihre Klasse wie etwa der erst am Ende überragende Eden Hazard noch zu selten zeigt: Ihr Mut, ihre Fitness und die hellseherischen Fähigkeiten von Wilmots können sie weit bringen.
Keine Angst vor Deutschland
"Wir haben hier keine Angst vor niemandem, auch nicht vor den Deutschen", betonte der Wolfsburger Kevin de Bruyne selbstbewusst. Daniel van Buyten würde der DFB-Elf im Achtelfinale dagegen "gerne aus dem Weg gehen. Jeder, der sich ein bisschen mit Fußball auskennt, möchte nicht gegen sie spielen. Deutschland ist für mich einer der Titelkandidaten".
Belgien galt vor Turnierbeginn als Geheimfavorit - und ist über diesen Status noch nicht hinausgekommen. "Sie sind mir ein Rätsel", meinte "ZDF"-Experte Oliver Kahn. "Ich habe das Gefühl, dass sie können, wenn sie wollen, doch es ist ein Rätsel, warum sie das so selten zeigen."
Van Buyten, neben Wilmots als einziger bereits 2002 dabei, machte dafür die Jugend des Teams und die mangelnde Turnier-Erfahrung verantwortlich. "Aber sie kapieren langsam, was eine WM ist. Wir kommen langsam auf Touren", sagte er.
"Die Form zählt"
Zu spät für Deutschland? "Letztendlich zählt die Form am Spieltag", meinte van Buyten nach einigem reden etwas mutiger. "Du kannst gegen Deutschland spielen und 1:0 gewinnen. Oder du spielst gegen die USA oder Ghana - und verlierst 0:3."
Die Belgier können es sich aussuchen - ihr letztes Gruppenspiel am Donnerstag gegen Südkorea findet erst nach dem der DFB-Elf gegen die USA statt.
Russland (ein Punkt) hat ebenfalls noch Chancen aufs Weiterkommen, muss sein abschließendes Duell mit Algerien (4) aber mit zwei Toren Unterschied gewinnen und auf Belgiens Schützenhilfe gegen Südkorea hoffen. "Mein Glauben an den Einzug ins Achtelfinale ist ungebrochen", sagte Trainer Fabio Capello.
Dass viele der 73.819 Zuschauer seine Mannschaft als "Zweitliga-Truppe" verspotteten, focht den Italiener nicht an. "Ich bin zufrieden mit ihr", sagte er. Und mit Brych? Capello wand sich. Er rede nicht gerne über Schiedsrichter, sagte er diplomatisch, "sie machen Fehler - wie wir."