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Zuhören wie bei Mama und Papa

Thierry Henry arbeitet derzeit an seiner UEFA-Pro-Lizenz
© getty

Seit August ist Thierry Henry Co-Trainer der belgischen Nationalmannschaft. Sein bisheriger Arbeitgeber FC Arsenal stellte ihn zuvor vor die Wahl: TV-Experte oder Jugendtrainer bei den Gunners. Der Franzose entschied sich für die Tätigkeit bei Sky. Dort analysiert er nun Premier-League-Spiele, bei denen etliche seiner Teamspieler mitwirken. Eine Gratwanderung, die mit dem EM-Quali-Spiel Belgiens gegen Zypern beginnt.

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Da saß Thierry Henry, grauer Anzug, dunkle Krawatte, im Frühjahr dieses Jahres also im Sky-Studio und prophezeite Arsenal-Trainer Arsene Wenger einen "busy summer". Er spekulierte, Riyad Mahrez oder N'Golo Kante seien brauchbare Neuzugänge, um sich dann - überspitzt formuliert - nach Sendeschluss seinen roten Trainingsanzug überzustreifen, ans Vereinsgelände der Gunners zu fahren, Wenger zu begrüßen und seine Arbeit mit der U18 von Arsenal aufzunehmen.

Eine durchaus erstaunliche Doppelrolle und noch dazu eine mit absehbarem Ablaufdatum. Wenige Wochen später stellte Wenger Henry vor die Wahl: Arsenal-Trainer oder TV-Experte. Henry entschied sich für Letzteres, alleine aus finanzieller Hinsicht eine wohl alternativlose Entscheidung für den Franzosen. Während er kostenfrei für die Arsenal-Jugend arbeitete, kassiert er bei Sky kolportierte vier Millionen Pfund im Jahr.

Ein knappes halbes Jahr nach seinem Dienstantritt in der Jugend von Arsenal war die Vereinslegende also schon wieder weg. "Es war klar für mich, dass ich meine Trainer-Karriere bei Arsenal starten werde", sagte Henry noch im Januar dem Arsenal Magazine. Dass ihm seine lukrative Nebentätigkeit dabei zum Verhängnis werden könnte, war damals schon absehbar. "Arsenal-Fans sind wütender denn je", bekundete Henry bald und mit Olivier Giroud als nominellem Top-Stürmer würden die Gunners ohnehin "nie eine Meisterschaft gewinnen."

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Während Arsenal Henry die Plattform gab, die nötigen Praxiseinheiten für den Erwerb der UEFA-A-Lizenz zu sammeln, kritisierte Henry den Verein und seinen Manager öffentlich - wie es sein Job nun eben verlangte. "Dafür wird er bezahlt", sagte Wenger, "er wird dazu gedrängt, kontroverse Statements abzugeben." Wenger und Henry redeten offenbar mehr übereinander, als miteinander.

Erfahrungen weiterzugeben

Um seine Trainerausbildung mit der UEFA-Pro-Lizenz abschließen zu können, brauchte Henry einen neuen Arbeitgeber - und fand ihn überraschender Weise mit dem belgischen Verband. Seit August ist er dort Co-Trainer des ehemaligen Everton-Coaches Roberto Martinez. Henry hätte "sofort zugestimmt", berichtet Martinez von der ersten Kontaktaufnahme mit dem Franzosen.

Erste Gespräche mit dem Team gab es dann in der aktuellen Länderspielpause. Die belgischen Nationalspieler waren begeistert, engere Verwandte dieser dagegen wohl eher neidisch. "Ich glaube nicht, dass ich meinen Eltern je so intensiv zugehört habe", schrieb Michy Batshuayi auf Twitter und postete ein Foto von ihm mit dem neuen Co. Martinez zeigte sich begeistert von Henrys "Erfahrung und dem, was er in diesem Sport bereits erreicht hat".

Diese Erfahrung gilt es nun an die Spieler der belgischen Nationalmannschaft weiterzugeben. Speziell die Stürmer und Offensivspieler werden von Henry profitieren. Bereits bei den ersten Trainingseinheiten bekamen Eden Hazard und Romelu Lukaku Einzelschulungen. In die Tiefe durchstarten, flacher Schuss mit dem Innenrist in die lange Ecke. Was Henry einst zum Schrecken aller Tormänner machte, bringt er nun den jungen Belgiern bei.

Erschreckendes Talent, langfristiges Ziel

Bei der WM 2014 und der EM 2016 galt Belgien als nicht ganz geheimer Geheimfavorit, scheiterte jeweils aber im Viertelfinale. Die fehlende Siegermentalität soll nun Henry in die Köpfe der Spieler pflanzen. Daran müsse gearbeitet werden, sagte der Franzose, der dann keine Grenzen nach oben sieht. "Das Talent, das in der Mannschaft steckt, ist erschreckend", sagte Henry, "diese Mannschaft kann Geschichte schreiben."

Mit Belgien Geschichte zu schreiben, ist jedoch nur Henrys kurzfristiges Ziel. Das langfristige ist eine Rückkehr zu Arsenal, wo er einst von 1999 bis 2007 und dann nochmal kurzzeitig 2012 kickte. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es kein Wunsch von mir wäre", sagte Henry, "denn ich liebe Arsenal." Spätestens dann müsste er wohl auch seinen Job beim Fernsehen aufgeben.

Zwischen Maxime und Interna

Bis dahin kann Henry jedoch nach Lust und Laune für seinen arbeitgebenden TV-Sender loben, analysieren und kritisieren. Der eine oder andere Spieler wird jedoch ganz genau hinhören, wenn Henry Spiele der Premier League und die daran teilnehmenden Akteure beurteilt. Thibaut Courtois etwa, oder auch Simon Mignolet, Toby Alderweirels, Jan Vertonghen, Moussa Dembele, Eden Hazard, Marouane Fellaini, Kevin de Bruyne, Kevin Mirallas, Romelu Lukaku, Christian Benteke, Michy Batshuayi oder Divock Origi.

Sie alle spielen in Englands Eliteklasse - und werden nach öffentlicher Kritik von Henry bei Länderspiel-Lehrgängen wohl nicht mehr ganz so sehr an seinen Lippen hängen. Immerhin die belgischen Eltern werden sich freuen, wieder mehr zu sagen zu haben.

Henry muss einen Balanceakt absolvieren. Einerseits will er seiner selbsternannten Maxime als TV-Experte, "Leuten Dinge zu erklären, die sie noch nicht verstanden haben und sie so näher an den Sport zu bringen", gerecht werden. Andererseits kennt er Interna und persönliche Befindlichkeiten etlicher Spieler, die er eigentlich neutral beurteilen sollte. Eine Gratwanderung.

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