Wieder einmal wirft 1860 München seinen Trainer raus. Der entlassene Ricardo Moniz muss sich zwar zu Recht Kritik gefallen lassen, doch an der sportlichen Misere ist nicht er allein schuld. Auch der Geschäftsführer Sport steht unter Druck - und das Team hat keine Ausreden mehr.
Die Fehler von Moniz: Markige Worte, mangelnde Handschrift
"Wir müssen Meister werden, fertig. Diese Saison muss es passieren, so einfach ist das", hatte Ricardo Moniz vor Saisonbeginn gesagt. Einerseits wirkte es sympathisch, wie unverblümt und unbedacht er seine Worte gewählt hatte. Er gab sich als Einpeitscher, vermittelte Emotion und Leidenschaft. Andererseits war klar, dass ihm jene Worte schon bei der ersten Niederlage um die Ohren fliegen würden.
Insbesondere deshalb, weil sie im Konflikt zur Vorgabe von Sportgeschäftsführer Gerhard Poschner standen, der lediglich einen Platz unter den ersten Sechs als Saisonziel ausgab. Das Wort "Aufstieg" vermied er bewusst. Moniz hatte sich unnötig unter Zugzwang gesetzt, den ihm die sportliche Leitung in dieser Form ersparen wollte. Und so wirken seine markigen Sprüche rückblickend äußerst unglücklich.
Moniz kam als Lautsprecher, war aber nicht in der Lage, (kurzfristig) Ergebnisse zu liefern. Eine Verantwortung, die er sich selbst auferlegt hat. "Wir müssen zurück an die Spitze. Wenn das nicht klappt, ist es mein Fehler, dann Kopf ab", sagte er bei seiner Vorstellung. Es kam wie prophezeit.
Zwar trägt Moniz nicht die Alleinschuld an der sportlichen Misere der Löwen (siehe Punkte 2 und 3), doch er muss sich diverse Vorwürfe gefallen lassen. Neben ungeschickter Kommunikation nach außen schien auch sein Verhältnis zu Spielern und Verantwortlichen angekratzt. Mit Poschner soll er sich schon vor Wochen überworfen haben, auch wenn das in der Öffentlichkeit bestritten wurde.
Nichtsdestotrotz mündeten die Differenzen in einem Maulkorb für Moniz, der mit dem Hinweis, der Trainer werde künftig nur noch vor und nach Spielen Pressekonferenzen geben, elegant getarnt wurde. Ein wirklich "intaktes Verhältnis" zu den Vereinsoberen braucht solche Maßnahmen nicht.
Auch sein Draht zur Mannschaft ist zu hinterfragen. Moniz schien nicht in der Lage, seine Leidenschaft auf das Team zu übertragen. Die Löwen wirkten zuletzt harmlos, ideenlos, lustlos. Vom einst angekündigten Offensivfußball, von der versprochenen Spielfreude war nichts zu sehen.
Lediglich im Testspiel gegen Stoke City und in der ersten Halbzeit gegen Kaiserslautern waren diese Attribute klar zu erkennen. Eine traurige Erkenntnis angesichts der Tatsache, dass Moniz eine komplette Saisonvorbereitung Zeit hatte, um sein Team einzustellen und der Mannschaft seine Handschrift zu verpassen.
Geprägt von dem bitteren Auftakt gegen den FCK (2:3 nach 2:0) und einer deutlichen Niederlage gegen das sportlich überlegene RB Leipzig reagierte das Team fortan verängstigt. Der verantwortliche Trainer fand jedoch kein adäquates Gegenmittel. Auch gegen Sandhausen agierte sein Team zu passiv, zu leidenschaftslos. Dass Moniz laut "dieblaue24" wohl auch bei einem 0:0 entlassen worden wäre, spricht für sich.
Es scheint, als habe Moniz seinem Team die vor Saisonbeginn postulierten Werte und Attribute nicht vermitteln können. Das ist kein hinreichender Beweis, aber in jedem Fall ein Indiz dafür, dass ein Trainer sein Team nicht mehr erreicht.
Hinzu kamen zahlreiche Umstellungen systemischer und personeller Natur. Moniz stellte seine Taktik um und wechselte die Spieler durch, sodass man ihm nur schwer eine klare Handschrift attestieren kann. "Du musst immer deiner Philosophie treu bleiben", hatte er einst nach seiner Salzburger Zeit gesagt. Bei 1860 ist ihm das immer schwerer gefallen.
Die Fehler von Moniz: Markige Worte, mangelnde Handschrift
Die Rolle von Poschner: Ungeduldig und unsouverän
Der Kader: Spielstark als Individuen - anfällig als Team
Die Zukunft: Der Dauer-Interimscoach - und dann?
Die Rolle von Poschner: Ungeduldig und unsouverän
Gerhard Poschner stand als neuer Geschäftsführer Sport für die "Professionalisierung", die Investor Ismaik stets gefordert hat und die unter Präsident Gerhard Mayrhofer umgesetzt werden sollte. Poschner ist gut vernetzt und weiß medienwirksam aufzutreten. Charakteristika, die seinem Vorgänger Florian Hinterberger von mancher Seite abgesprochen wurden.
Poschner selbst gab nach dem Ende von Ex-Trainer Alexander Schmidt die Philosophie vor und suchte danach seinen Trainer aus. Er solle offensiv spielen lassen, angriffsfreudig, im gewünschten 4-3-3. Nachdem Wunschkandidat Carlos Bernegger (FC Luzern) zu viel Geld forderte, wurde kurzerhand Moniz verpflichtet. Er sei relativ spontan von 1860 kontaktiert worden, gab er selbst zu Protokoll. Offensichtlich war er nicht die erste Wahl.
Zwar wurde Moniz zu Beginn symbolisch der Rücken gestärkt und großes Vertrauen ausgesprochen, doch die Geduld war derart schnell aufgebraucht, dass "Sky"-Kommentator Stefan Hempel noch während des Darmstadt-Spiels (30.8.) über eine angeblich bevorstehenden Moniz-Entlassung spekulierte. Die drei Spieltage zuvor hatten gereicht, um Moniz' Rückendeckung im Verein einzureißen.
Nachdem drei Wochen später die Entlassung folgte, berief sich Poschner auf ausbleibende Ergebnisse und die fehlende Entwicklung des Teams. Ein Argument, das nur schwer von der Hand zu weisen ist und das sich mit dem von Präsident Mayrhofer propagierten Leistungsprinzip rechtfertigen lässt.
Doch daran muss sich nicht nur der Trainer messen, sondern auch die anderen Verantwortlichen. Poschner hat "Vollblut-Typ" Moniz, der mit seiner "Art, Fußball spielen zu lassen, alle Löwen-Tugenden" verkörpere, nach sieben Spielen vom Hof gejagt. Damit ging auch sein erster Schuss daneben.
Darüber hinaus agierte auch der anfangs charmant und bestimmt wirkende Poschner nicht immer souverän. Die Degradierung von vier Spielern in der "Taxi-Affäre" ist umstritten. Nicht nur, weil Neu-Kapitän Julian Weigl damit spektakulär demontiert wurde, sondern auch, weil die Strafe für ein Fehlverhalten im Privatleben besonders hart war. Zumal diese Episode nur wegen eines redseligen Taxifahrers ans Licht kam.
In Zeiten des sportlichen Erfolgs würde ihm diese Reaktion womöglich als konsequent ausgelegt werden. Im Licht des schlechten Saisonstarts jedoch wirkte sie eher wie aktionistische Symbolpolitik, die die Mannschaft schwächte, der Atmosphäre zusätzlich schadete und den Trainer mancher Option beraubte.
Insgesamt agierte Poschner nicht immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und wird nach der schnellen Moniz-Entlassung kritischer beäugt werden. Sollte der nächste Trainer scheitern, werden die Mechanismen des Geschäfts greifen und auch seine Position infrage gestellt werden.
Die Fehler von Moniz: Markige Worte, mangelnde Handschrift
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Der Kader: Spielstark als Individuen - anfällig als Team
Noch vor Saisonende sorgte Poschner für Staunen bei der Löwen-Fangemeinde: Vereinslegende Benjamin Lauth wurde kein neuer Vertrag vorgelegt, nicht einmal symbolisch. Mit Daniel Bierofka hörte eine weitere Identifikationsfigur auf. Ein mutiger Schritt, der zwei Großverdiener von der Gehaltsliste beförderte, deren sportlicher Wert dem Salär qua Leistungsprinzip nicht mehr gerecht wurde.
Stattdessen wilderte Poschner in Barcelona, holte mit Ilie, Bedia und Rodri gleich drei Jungs aus der zweiten Barca-Garde. Alle drei sind technisch hoch veranlagt, Ballbehandlung und Spielintelligenz liegen fernab vom durchschnittlichen Zweitliganiveau. Jedoch ließen besonders Ilie und Bedia zuletzt grundsätzliche Tugenden vermissen: Es fehlte an Zweikampfhärte, Aufopferungsbereitschaft und: Leaderqualitäten.
Ein Symptom, das sich quer durch den Löwenkader zieht: Sportliche Qualität ist zweifellos vorhanden, doch Abstimmung und Einstellung lassen häufig zu wünschen übrig. "Wenn ich die Mannschaft auf dem Platz sehe, muss ich eine Produktivität sehen", kritisierte Poschner, womit er den Nagel auf den Kopf traf.
1860 hat eine Menge spielstarker Individuen. Auch ein Leonardo oder der oft geschmähte Marin Tomasov sind stark am Ball. Doch dass jeder Einzelne seine Stärke sinnvoll fürs Team einbringen kann und will, konnte die Mannschaft unter Moniz nur selten beweisen. Einzig Stürmer Rubin Okotie sticht aus dem trägen Kollektiv vehement heraus und macht konstant einen guten Job.
Mit der Entlassung von Moniz wurde der Truppe nun im Nachhinein ein Alibi für den schlechten Saisonstart verschafft. Doch sollte sich das Team auch unter dem neuen Trainer derart lethargisch und freudlos präsentieren, dürften auch innerhalb des 31-Mann-Kaders personelle Konsequenzen gezogen werden. Zeit zur Eingewöhnung und zum Einüben von Automatismen gab es genug, auch für die zehn Neuzugänge.
Es wird zur Königsaufgabe des neuen Trainers, die Spieler aus der Lethargie zu wecken und dem Team eine erkennbare Handschrift zu verpassen.
Die Fehler von Moniz: Markige Worte, mangelnde Handschrift
Die Rolle von Poschner: Ungeduldig und unsouverän
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Die Zukunft: Der Dauer-Interimscoach - und dann?
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Markus von Ahlen dürfte ein gewaltiges Deja-Vu-Erlebnis gehabt haben, als er am Mittwochmorgen von Poschner die Nachricht erhielt: Cheftrainer auf Probe. Zum dritten Mal in kürzester Zeit beerbt von Ahlen einen entlassenen Löwen-Trainer. Zuletzt half er nach den Rauswürfen von Alexander Schmidt und Friedhelm Funkel vorübergehend aus.
Als Funkel-Erbe profilierte sich von Ahlen Ende der Vorsaison als akribischer Arbeiter, der sich vom Trubel rund um 1860 nicht anstecken ließ. Zehn Punkte aus fünf Spielen sprangen dabei heraus. Mit der Verpflichtung von Moniz rückte von Ahlen wieder zurück ins zweite Glied und wurde Co-Trainer.
Poschner spricht nun bewusst vom "Cheftrainer", der am Freitag das Team gegen Fürth zum Sieg führen soll. "Wir brauchen eine kurzfristige Lösung", erklärte der Geschäftsführer Sport. Von Ahlen soll Ergebnisse liefern, um den Verantwortlichen Zeit und Ruhe zu verschaffen.
Doch eine langfristige Anstellung als Cheftrainer scheint vollkommen unrealistisch. Von Ahlen entspricht nicht den von Poschner einst geforderten Attributen, als Fachmann im Hintergrund passt er vielmehr in die klassische Co-Trainer-Schublade.
Noch kursieren nur wenige Namen, die für die Moniz-Nachfolge genannt werden - von den Running Gags Lothar Matthäus und Werner Lorant abgesehen. Der österreichische "Kurier" bringt Michael Wiesinger ins Spiel, nennt aber keine Hintergründe. Laut "Goal"-Informationen habe es bereits ein Gespräch mit Vjekoslav Lokica gegeben, einem kroatischen No-Name-Coach, der dort zuletzt in der zweiten Liga tätig war.
Allerdings scheint ein Trainertyp vom Schlag Moniz - jung, leidenschaftlich, moderne Spielidee - die wahrscheinlichste Lösung. Kurioserweise könnte sogar Carlos Bernegger, der ursprüngliche Wunschkandidat, womöglich bald frei werden. Zumindest steht er mit dem FC Luzern auf dem letzten Platz der Schweizer Super League - mit null Siegen aus neun Spielen. Da hatte sogar Moniz mit 1860 eine bessere Bilanz.
Die Fehler von Moniz: Markige Worte, mangelnde Handschrift
Die Rolle von Poschner: Ungeduldig und unsouverän