Rubin Okotie erlebte einst bei Austria Wien David Alabas Wandel vom Wunderkind zum Profi - und folgte ihm Jahre später nach München. Im SPOX-Interview spricht der 1860-Goalgetter über eine kultige Begegnung mit Zlatan Ibrahimovic, den Wendepunkt seiner Karriere und das Interesse von Werder Bremen.
SPOX: Herr Okotie, noch immer setzt Sie eine Knieverletzung außer Gefecht. Derzeit reicht es nur für individuelles Training. Wann sieht man Sie wieder auf dem Platz?
Rubin Okotie: Ich habe jetzt einige Zeit pausiert, die Schiene ist zum Glück endlich weg. Ich bin jetzt immerhin schon wieder ins Aufbautraining eingestiegen. Bis ich wieder mit der Mannschaft trainieren kann, dauert es noch ein bisschen.
SPOX: Die aktuelle Verletzung ist nicht Ihr erstes Problem mit dem Knie. Sind Sie da mit der Zeit auch psychisch empfindlicher geworden?
Okotie: Das ist ja nicht meine erste Verletzung. Da lernt man natürlich, besser auf seinen Körper zu hören. Was das verletzte Knie anbetrifft, bin ich also schon sensibler geworden.
SPOX: War Ihnen im Moment der Verletzung sofort klar, dass sie wieder aufgebrochen ist?
Okotie: Die Verletzung entstand schon im November. Gegen Ingolstadt kam es dann zu einem Pressschlag. Das war absolute Maximalbelastung für das Knie, das habe ich sofort gespürt. Es hat verdammt weh getan. Nachdem ich mich behandeln ließ und Eis drauf bekam, ließ der Schmerz zwar nach. Aber ich war mir in dem Moment sicher, dass die Verletzung wieder schlimmer geworden ist.
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SPOX: Sie mussten in Ihrer Karriere einige Rückschläge erleiden. Welcher hat Sie am meisten geprägt?
Okotie: Die Knieverletzung 2009 hat mich am meisten mitgenommen. Das hat sehr lange gedauert und war psychisch nicht einfach zu verarbeiten. Damals war ich noch sehr jung und sehr gut drauf, dann kam diese Verletzung. Da war ich zuerst sehr traurig. Aber ich war und bin immer ein Kämpfer.
SPOX: Einen Rückschlag anderer Art mussten Sie Ende 2013 bei Austria Wien erleben, als Trainer Nenad Bjelica Sie nach einem Streitgespräch suspendierte. Haben Sie das je bereut?
Okotie: Überhaupt nicht. Es lief damals nicht gut für mich und es sind Dinge vorgefallen, die nicht in Ordnung waren. Das habe ich dem Trainer auch gesagt. Ich habe ihn in keiner Weise beleidigt, sondern ihm nur meine Meinung mitgeteilt. Nicht mehr und nicht weniger. Die Suspendierung musste ich dann akzeptieren.
SPOX: Es folgte die Ausleihe nach Dänemark zu Sönderjysk Elitesport, wo Sie ein erfolgreiches halbes Jahr verbrachten. War das der Wendepunkt in Ihrer Karriere?
Okotie: Es war in jedem Fall ein extrem wichtiger Schritt. Ich habe schon vor der Suspendierung kaum gespielt, umso wichtiger war es, dass ich in Dänemark gute Leistungen zeige. Das ist mir gelungen.
SPOX: Wann kam dann der erste Kontakt zu 1860 zustande?
Okotie: Den ersten Kontakt gab es schon 2012, als Florian Hinterberger noch Sportdirektor und Alexander Schmidt Trainer war. Aber damals hat es vom Bauchgefühl her noch nicht hundertprozentig gepasst. Dann kam im Sommer 2014 Gerhard Poschner auf mich zu. Eine Woche später gab es gemeinsame Gespräche mit Sportdirektor und Trainerstab. Da fiel dann die Entscheidung für 1860.
SPOX: Haben Sie sich vorher von Ihrem Nationalmannschaftskollegen David Alaba Tipps zu München geholt?
Okotie: Aus meiner Zeit beim FC Nürnberg kannte ich München, weil ich öfter hier war. Tipps habe ich also keine benötigt. Aber ich habe ihm von der Option erzählt. Und er riet mir, nach München zu kommen.
SPOX: Alaba gab einst sein Debüt für die erste Mannschaft von Austria Wien, als er für Sie eingewechselt wurde. War damals schon erkennbar, was für ein außergewöhnliches Talent er ist?
Okotie: Ja, das war nicht zu übersehen. Mit 15 war er im Trainingslager in Marbella dabei. Ich war damals selbst erst 19 Jahre alt. Viele sind bei den ersten Einheiten mit den Profis nervös. Aber Alaba hat mittrainiert, als ob er schon ewig dabei gewesen wäre. Zum Beispiel beim Ballhalten auf engem Raum: Da steht man unter Druck, muss schnelle Entscheidungen treffen. Er hat kaum einen Ball verloren, er hat fast immer alles richtig gemacht.
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SPOX: Im November vergangenen Jahres hat sich Alaba verletzt. In österreichischen Medien war teilweise von einer "nationalen Katastrophe" die Rede. Sein Stellenwert ist kaum zu beschreiben, oder?
Okotie: Österreich ist nicht solch ein großes Land. Wenn es dann einen so erfolgreichen Star wie David Alaba hat, dann ist jeder Einzelne stolz. Wenn er sich dann verletzt, leidet jeder mit ihm mit. Er ist der Spieler, um den sich alles dreht.
SPOX: Alaba selbst wurde schon manches Mal mit rassistischen Ressentiments konfrontiert. Auch Sie haben nigerianische Wurzeln. Mussten Sie auch schon derlei Erfahrungen machen?
Okotie: Als ich 1987 geboren wurde, war meine Situation tatsächlich noch ein Stück weit ungewöhnlich. In meiner Volksschulklasse war ich der einzige dunkelhäutige Junge. Aber ich selbst musste Rassismus nie direkt erleben. In meinem Umfeld ist das hingegen schon vorgekommen. Ich kenne viele Leute, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, die damit öfter konfrontiert werden. Außerhalb des Rampenlichts fällt es vielen leichter, ihren Rassismus auszuleben.
SPOX: Sie wurden als Sohn einer Österreicherin und eines Nigerianers in Karatschi geboren, wuchsen in Barcelona auf und zogen dann nach Wien. Was bedeutet für Sie Heimat?
Okotie: Heimat ist dort, wo ich mich wohl fühle. Das sehe ich unabhängig von Herkunft oder Staatsbürgerschaft. Für mich ist Wien meine Heimat. Dort bin ich aufgewachsen und habe den größten Teil meines Lebens verbracht.
SPOX: Sie kamen im Sommer nach München, hatten seitdem sportlich wie privat eine bewegte Zeit gehabt. Ist München eine Art zweite Heimat geworden?
Okotie: Zweite Heimat ist vielleicht zu viel gesagt, schließlich bin ich erst seit einem Dreivierteljahr hier. Aber ich fühle mich sehr wohl in München. Mein Sohn kam hier zur Welt, das ist schon etwas Besonderes.
SPOX: Sie sind einer der besten Torjäger der 2. Liga, in der Nationalmannschaft spielen Sie wieder eine wichtige Rolle. Hätten Sie das vor etwas mehr als einem Jahr für möglich gehalten, als Sie unter Bjelica suspendiert wurden?
Okotie: Natürlich habe ich damals nicht an so etwas gedacht. Ich glaube zwar immer an meine Ziele, aber damals sah es wirklich nicht rosig aus. Da waren meine Träume plötzlich ganz weit weg. Doch nach dem erfolgreichen halben Jahr in Dänemark habe ich Blut geleckt und jetzt bin ich wieder dabei.
SPOX: In der EM-Qualifikation steht Österreich vor Schweden und Russland auf Platz 1 seiner Gruppe. Spiegelt das die aktuellen Machtverhältnisse wieder?
Okotie: Aktuell ist es nur eine Momentaufnahme. Aber wir haben in den Spielen gegen Russland und Schweden bewiesen, dass wir mindestens gleich gut sind. Die EM 2016 bleibt das große Ziel für Österreich.
SPOX: Wissen Sie eigentlich, durch welche Szene Sie im Internet berühmt wurden?
Okotie: Die Sache mit Ibrahimovic? (lacht). Das war eigentlich eine vollkommen normale Szene. Ich war bei einem Eckball ihm zugeteilt. Im Zweikampf habe ich ihn dann kurz weggeschoben. Ich dachte mir kurz: Der schaut ein bisschen komisch. Er sagte noch "Don't touch me". Aber dann musste ich gleich wieder auf den Eckball aufpassen.
SPOX: Gibt er sich denn auf dem Platz auch so, wie er sich sonst als Figur inszeniert?
Okotie: Ich konnte ihn damals 60 Minuten lang von der Bank beobachten, weil ich erst danach eingewechselt wurde. Er ist schon ein Wahnsinnstyp. Man merkt seine Präsenz auf dem Platz. Aber ich erstarre deshalb nicht gleich in Ehrfurcht.
SPOX: Mit Blick auf EM 2016 wäre es nicht unwichtig für sie, höherklassig zu spielen. Waren Sie denn schon einmal in Bremen?
Okotie: Mit 17 Jahren war ich mal in Bremen ja. Da wollte mich Werder holen.
SPOX: Im vergangenen Winter hieß es plötzlich, dass Bremen wieder interessiert sei. Eine Ehre für Sie?
Okotie: Es freut mich, wenn ich das Interesse anderer Vereine auf mich ziehe. Aber ich bin froh, Spieler bei 1860 zu sein. Wir haben uns im Trainingslager in Marbella über eine Vertragsverlängerung unterhalten. Diese Gespräche waren positiv und werden weiter fortgeführt.
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