Im Interview spricht Dutt über die Zeit ohne Fußball, die Rückkehr zu seinen Wurzeln in Bochum, die gehäuften Trainerentlassungen, seinen größten Lerneffekt und die Engagements in Freiburg, Leverkusen und Bremen.
SPOX: Herr Dutt, nach über eineinhalb Jahren Pause sind Sie im Februar Trainer des abstiegsbedrohten VfL Bochum in der 2. Liga geworden. Das kam für viele überraschend. Was wäre denn passiert, wenn es dieses Angebot nicht gegeben hätte?
Robin Dutt: Dann hätte ich wohl weiter versucht, meinen Horizont zu erweitern. Ich hatte zwischenzeitlich mehrere Beraterjobs angenommen, klassische Consultingtätigkeiten. Für einen befreundeten Sportdirektor in der Schweiz habe ich zudem das Nachwuchsleistungszentrum analysiert oder war TV-Experte und Co-Moderator im Radio bei amazon. Vielleicht hätte ich irgendwann gesagt, ich schließe mit dem Operativen ganz ab und versuche stattdessen eines dieser Themen hauptberuflich zu machen.
SPOX: Standen Sie vor der Unterschrift in Bochum kurz vor einer Einigung mit einem anderen Klub?
Dutt: Wenn man in der Bundesliga eine gewisse Vita vorweisen kann, bekommt man aus dem Ausland regelmäßig Anfragen oder Angebote. Das liegt natürlich auch daran, dass die Summe des Auslands größer ist als Deutschland. (lacht) Es gab zwei Klubs, die ich mir hätte vorstellen können, doch aus unterschiedlichen Gründen ist es nicht final dazu gekommen. Den Rest empfand ich als weniger interessant, da ich gewisse Vorstellungen davon hatte, was ich künftig machen möchte. Das hatte viel mit Emotion und neuen Erfahrungen zu tun. Ich war deshalb sehr froh, dass der VfL auf mich zukam. Hier sehe ich vor allem das Thema Emotion sehr gut für mich abgedeckt.
SPOX: Es hat bestimmt nicht jeder erwartet, dass Sie Ihr Comeback im Existenzkampf der 2. Liga geben würden.
Dutt: Ich hatte auch Anfragen aus der 3. und 4. Liga. Dass wir jeweils nicht zusammengekommen sind, hatte nichts mit der Liga zu tun. Wenn es ein langfristig angelegtes Projekt gewesen wäre, das mich überzeugt hätte, wäre die Liga für mich kein Ausschlusskriterium gewesen.
SPOX: War es jetzt einfach auch an der Zeit, um wieder auf das Hamsterrad zu springen?
Dutt: Nein. Mein Wunsch war, wieder operativ zu arbeiten, aber nicht um jeden Preis. Zumal mir die angesprochenen Tätigkeiten in den eineinhalb Jahren Pause richtig Spaß gemacht und eine Herausforderung für mich dargestellt haben. Mir war keineswegs langweilig. Allerdings habe ich jetzt schnell wieder gemerkt, dass das operative Arbeiten dann doch nochmal ein Stückchen mehr Spaß macht.
Dutt über Angebote als Trainer und Sportdirektor
SPOX: Operativ heißt in Ihrem Fall ja: Sportdirektor oder Trainer, da Sie beide Tätigkeiten bereits ausgefüllt haben. Für welche Funktion erhielten Sie mehr Angebote?
Dutt: Eines der zwei Angebote, die konkreter wurden, war eine Stelle in England, in der ich das klassische Modell des Trainers und Managers ausgefüllt hätte. Ich habe eine Zeit lang den Fehler gemacht, mich dazu drängen zu lassen, mich gewissermaßen zu outen. Á la: Bin ich jetzt Trainer oder Sportdirektor? Ich habe dann für mich gemerkt, dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich dabei zu limitieren. Momentan bin ich sehr froh, dass ich als Trainer angefragt wurde. Ich hätte mich aber auch seriös mit Anfragen als Sportdirektor auseinandergesetzt. Fakt ist: Ich hatte in meinem Leben nur zwei Anfragen als Sportdirektor - und bei beiden habe ich zugesagt, weil man jeweils einen Trainer als Sportdirektor haben wollte.
SPOX: Sprich ein reines Angebot als Sportdirektor war nun überhaupt nicht dabei?
Dutt: Man muss unterscheiden zwischen Angebot, konkreter Anfrage und Nachfrage. Im Ausland läuft unglaublich viel über die Berater und Agenten. Es rufen dich Berater an, von denen du noch nie gehört hast, die aber einen Zugang zum Markt haben und dich fragen, ob du dir dieses und jenes vorstellen könntest. Man muss sich selbst auch ein wenig öffnen, denn von alleine bekommt man keinen Zugang beispielsweise zum japanischen Markt. Ich hatte also Anfragen als Sportdirektor, aber es kam nie zu einem Gespräch, bei dem ich mit einem bestimmten Verein an einem Tisch gesessen hätte.
Robin Dutt: Seine Stationen als Trainer und Sportdirektor
Amtszeit | Verein | Funktion |
seit 2018 | VfL Bochum | Trainer |
2015 - 2016 | VfB Stuttgart | Vorstand Sport |
2013 - 2014 | Werder Bremen | Trainer |
2012 - 2013 | DFB | Sportdirektor |
2011 - 2012 | Bayer Leverkusen | Trainer |
2007 - 2011 | SC Freiburg | Trainer |
2003 - 2007 | Stuttgarter Kickers | Trainer |
2002 - 2003 | Stuttgarter Kickers II | Trainer |
1999 - 2002 | TSF Ditzingen | Trainer |
1995 - 1999 | TSG Leonberg | Spielertrainer |
SPOX: Inwiefern waren Sie denn grundsätzlich zuversichtlich gestimmt, dass Sie ein Angebot erhalten, das Ihren Wünschen entspricht?
Dutt: Ich bin nicht wie selbstverständlich davon ausgegangen, da ich mich schon selbst limitiert habe bei den Dingen, die für mich in Frage kommen. Ich habe meinen eigenen Werdegang reflektiert. Vor zehn Jahren wäre ich sicherlich offener gewesen. Ich dachte aber nicht: Ich bekomme keine Chance mehr, sondern habe eher eine neutrale Haltung eingenommen. Durch die regelmäßigen Anfragen aus dem Ausland hatte ich die Option, etwas annehmen zu können, wenn ich es unbedingt gewollt hätte. Dass am Ende der VfL Bochum als eine von 36 Stellen in den ersten beiden Ligen dabei herauskommt und man der Meinung ist, dass es gegenseitig passt, davon darf man heutzutage nicht ausgehen.
Dutt über sein Bild vom VfL Bochum und die Rückkehr zu seinen Wurzeln
SPOX: In dieser Saison verschliss der VfL drei Trainer, Sportvorstand Christian Hochstätter musste gehen und zwei Mitglieder des Aufsichtsrats sind zurückgetreten. In Bochum schrieb man also viele negative Schlagzeilen. Wieso hat Sie das nicht abgeschreckt?
Dutt: Man muss auch sehen, dass hier vor kurzem mit Gertjan Verbeek ein Trainer zweieinhalb Jahre am Stück gearbeitet hat. Das ist eine überdurchschnittliche Zeit im Fußball. Ich habe das letzte halbe Jahr von außen logischerweise als turbulent empfunden, so wie jeder. Vor dieser Zeit ging es jedoch sehr konstant zu. Aus persönlicher Sicht gesehen ist es zudem so: Wenn du als Trainer mitten in einer Saison einsteigst, ist es eher besser, wenn die Mannschaft unter als über ihren Möglichkeiten gespielt hat. Dazu kenne ich Heiko Butscher sehr gut, wir standen in Kontakt und er konnte mir ein paar Informationen geben. Und über allem steht, dass der VfL ein echter deutscher Traditionsverein ist.
SPOX: Welches Bild hatten Sie grundsätzlich vom VfL?
Dutt: Bochum ist Fußball pur. Wenn man in die Region und die Stadt Bochum hineinfährt, hat man den Eindruck, dass hier der Fußball herkommen muss. Weniger Chichi, dafür klarer Fußball - das gefiel mir schon immer sehr gut.
SPOX: Nach Ihren Stationen in Leverkusen, beim DFB, in Bremen und Stuttgart ist Bochum der kleinste Verein, bei dem Sie zuletzt arbeiteten. Inwiefern war das auch Ihr Wunsch, um an einem solchen Standort langfristig etwas aufbauen zu können?
Dutt: Ich will es umdrehen: Vielleicht musste ich hier landen, da es mein Wunsch war, zu einem Verein zu kommen, der mich so nimmt wie ich bin. Der meine Schwächen in Kauf nimmt, aber meine Stärken anerkennt und zusammen mit mir der Meinung ist, dass sie als logische Konsequenz zum Verein passen. Ich habe hier den Eindruck, so sein zu können, wie ich sein will - und wie ich es vielleicht zu meiner Anfangszeit bei den Stuttgarter Kickers oder dem SC Freiburg sein konnte. Ich hatte vom ersten Kontakt an das Gefühl, hier so Trainer sein zu können, wie ich es mir vorstelle.
SPOX: Zurück zu den Wurzeln also?
Dutt: Die neun Jahre bei den Kickers und in Freiburg haben mich in Sachen gemeinsame Entwicklungsarbeit, Förderung junger Spieler oder Kreativität in der Kaderplanung sicherlich geprägt. Teamgeist, Innovation, Forschung und Entwicklung, neue Ideen zu spinnen oder neue Tools zu integrieren - das sind Dinge, die mich interessieren und die ich gerne vorantreibe. Hier habe ich eher die Zeit, parallel zum Tagesgeschäft fußballtaktische Dinge auszuprobieren oder zu versuchen, internationale Einflüsse ins eigene Trainingsprogramm zu integrieren. Wenn du Champions League spielst, ist es im Dreitagesrhythmus schwierig, an solchen Themen zu tüfteln oder mit Leuten aus dem Nachwuchsleistungszentrum zusammenzusitzen. Deshalb habe ich natürlich die Hoffnung, dass sich in Bochum die Geschichte wiederholt.