Tiger Woods ist zurück, aber kann er in Augusta auch gewinnen? SPOX ist skeptisch und sieht andere Spieler vorne. Martin Kaymer äußert sich vor Turnierstart optimistisch.
"Wenn man den Ball nicht optimal trifft, wird es schwierig, ein Par zu retten. Auf allen anderen Plätzen, die man im Laufe des Jahres spielt, ist es so, dass man das Grün auf drei Seiten verfehlen kann und noch die Chance auf ein Par hat. Eine Seite ist meistens tot. In Augusta ist es genau andersrum und das macht den Platz so schwer", erklärt Martin Kaymer kurz vor dem Masters-Start im Gespräch mit SPOX die Schwierigkeiten in Augusta.
Welche Spieler sind 2010 für diese Schwierigkeiten am besten gerüstet? Die Top 10 von SPOX.
1. Steve Stricker
Der beste Golfspieler der Welt ist Steve Stricker. Während Tiger Woods' Auszeit war dieser Satz vollkommen korrekt, Stricker war laut Weltrangliste der beste "aktive" Golfer. Und dennoch hätten viele auf diese Feststellung mit der Frage reagiert: "Wer zur Hölle ist Steve Stricker?!" Als der US-Boy in diesem Jahr ein Spiel der Los Angeles Lakers besuchte, erkannte ihn nach eigenen Angaben genau ein Zuschauer. Einer.
Es gibt wohl keinen Sport-Superstar, der so wenig Beachtung findet wie der überaus sympathische Stricker. Dabei ist seine Lebensgeschichte ein echtes Märchen. Mitte der 90er war Stricker ein aufstrebender Spieler, seine Karriere lief in der Folge ordentlich, doch dann kam ein unglaublicher Knick. Er fiel auf Rang 337 der Weltrangliste zurück, er war ein absoluter Niemand. Ohne Selbstvertrauen, ohne Tourkarte, ohne Zukunft.
Wie er sich seitdem durch harte Arbeit in die Spitze gespielt hat, ist bewundernswert. Stricker, nicht etwa Sergio Garcia zum Beispiel, ist der beste Spieler, der noch nie ein Major gewonnen hat. Es wird Zeit, dass sich das ändert. Warum nicht in Augusta? Das Masters ist ein Putting-Wettbewerb - und Stricker einer der, wenn nicht der beste Putter der Welt.
2. Jim Furyk
Der Freund eines jeden Hobby-Golfers. Hat eine furchtbare Schleife im Schwung, die jedem Golftrainer auf der Welt die Haare zu Berge stehen lassen, macht Mitspieler und Zuschauer mit seiner Putt-Vorbereitung (so tun, als ob er schlägt, dann wieder weggehen) verrückt, aber hey, Furyk ist ein überragender Golfspieler.
Der 39-Jährige hat ein US-Open-Titel auf seinem Konto und steht seit Jahren in den Top 10 der Weltrangliste. In dieser Saison gewann er bei der Transitions Championship sein erstes Turnier seit 2007, es bekam nur kaum einer mit, weil praktisch gleichzeitig ein Interview mit einem gewissen Tiger Woods ausgestrahlt wurde. Furyk gehört vom Abschlag zu den Kürzesten, wenn aber jemand trotzdem in Augusta eine Chance hat, dann ist es er.
Mit zwei vierten Plätzen hat er seine Masters-Tauglichkeit auch schon bewiesen. Sowohl sein langes als auch sein kurzes Spiel sind in ausgezeichneter Verfassung, dazu kommt seine Toughness. Furyk hat die Mentalität, die man braucht, um das Masters zu gewinnen.
Augusta-Platzbeschreibung: Amen Corner entscheidet
3. Ernie Els oder ganz Südafrika
Retief Goosen spielt im Verborgenen eine starke Saison und ist ein ganz heißer Tipp. Tim Clark ist trotz fehlender Länge vom Abschlag fast schon traditionell in Augusta vorne dabei. Dass Clark bei seinen Fähigkeiten noch kein einziges Turnier auf der US PGA Tour gewonnen hat, ist übrigens eine der größten Unfassbarkeiten im Golf. Auf jeden Fall auch auf dem Zettel haben muss man die Youngster Charl Schwartzel und Louis Oosthuizen.
An erster Stelle steht aber natürlich Ernie Els. The Big Easy hat mit seinen beiden Siegen bei der CA Championship und dem Arnold Palmer Invitational eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er nach einer schwierigen Phase in seiner Karriere wieder bereit ist für Major-Siege.
4. Padraig Harrington
Dass Tiger Woods (14 Major-Titel) den Rekord von Jack Nicklaus (18) brechen will, ist klar. aber es gibt auch ein anderes Rennen: Wer etabliert sich als Nummer zwei in der Rangliste der aktiven Spieler? Ernie Els, Phil Mickelson, Vijay Singh und Padraig Harrington haben alle drei Major-Siege auf dem Konto.
Wer holt als erster Spieler den vierten? Sehr gut möglich, dass es Harrington ist. Trotz seiner drei Major-Siege und trotz seiner guten Form sprechen vor dem Masters wenige über den Iren. Wenn es um einen möglichen europäischen Sieger geht, scheint es sexier zu sein, auf Rory McIlroy, Lee Westwood oder Ian Poulter zu setzen. Ein Fehler.
Der Europäer mit den besten Chancen ist Harrington. Weil er mental stark ist, weil er auf den Grüns stark ist - und weil es in der Finalrunde auf den zweiten neun Löchern kaum einen Spieler gibt, der mit mehr Entschlossenheit ans Werk geht.
5. Tiger Woods
GettyTiger Woods auf Rang fünf im Ranking? Zugegeben, es ist ungewöhnlich und fühlt sich komisch an, Tiger nicht auf Rang eins zu setzen. Aber Fakt ist, dass TW in diesem Ranking eigentlich überhaupt nichts verloren hätte, wenn er nicht TW wäre.Du kannst nicht ein halbes Jahr in der Wildnis verschwinden, aus der Versenkung auftauchen und dann das Masters gewinnen. Einfach so, ohne vorher auch nur ein Turnier gespielt zu haben. Geht nicht. Punkt. Bei jedem anderen Spieler auf diesem Planeten wären sich alle einig, dass es vollkommen lächerlich ist, einen Sieg überhaupt nur in Erwägung zu erziehen.
Nicht so bei Tiger Woods. Ihm ist schließlich alles zuzutrauen. Fakt ist, dass es in der Geschichte noch nie einen Golfer gab, der eine solche Drucksituation meistern musste, wie sie Woods beim Masters erleben wird. Der Druck wird unmenschlich sein, wenn die ganze Welt auf ihn schaut. Bei diesem Druck reihenweise Zwei-Meter-Tester auf den schweren Grüns von Augusta zu lochen, wird eine hammerharte Aufgabe.
Fakt ist aber auch, dass Woods bei keinem Turnier antritt, wenn er nicht glaubt, dass er es gewinnen kann und dass es niemanden gibt, der so gut mit Druck umgehen kann. Er wird unglaublich trainiert haben in letzter Zeit und ja, es ist nicht ausgeschlossen, dass er gewinnt. Aber SPOX bleibt skeptisch. Top 10: ja. Sieg: nein.
Rang 6-10: Phil, Dustin, Martin, ein Juve-Fan und ein alter Sack
6. Phil Mickelson
Seit Wochen gibt Mickelson immer die gleiche Antwort von sich: "Ich bin nicht weit weg von meiner Topform." Dass er nicht so schlecht drauf sein kann, zeigte eine unfassbare 58er-Runde, die er vor kurzem im Training spielte.
Das Problem ist, dass er es im Turnier noch nicht umsetzen konnte. Bestes Resultat in diesem Jahr ist ein geteilter achter Rang, dazu gab es viele Ergebnisse zwischen Rang 10 und 30. Für einen normalen Spieler sehr solide, für einen Mann des Kalibers von Phil Mickelson aber einfach enttäuschend.
Es gibt auch nicht nur einen Grund für seine Schwierigkeiten. Mickelson trifft in dieser Saison kaum Fairways (188. Rang auf der Tour), wenn sich zu dieser Ungenauigkeit vom Tee auch noch Probleme auf dem Grün gesellen, wird es logischerweise unmöglich, Turniere zu gewinnen. Dennoch sollte man Lefty nicht abschreiben. Augusta gehört in gewisser Weise auch ihm, vom Tee hat er außerdem genug Platz, er wird um den Sieg mitspielen.
7. Dustin Johnson
Sean O'Hair, Anthony Kim, Hunter Mahan - es gibt eine Reihe an jungen Amerikanern, die ihren ersten Major-Sieg feiern wollen. Der beste der Gruppe ist aber ein anderer: Dustin Johnson.
Der 25-Jährige verteidigte in diesem Jahr erfolgreich seinen Titel beim AT&T Pebble Beach National Pro-Am und hat alles, was man braucht, um in Augusta zu gewinnen.
Johnson ist ein Bomber, unwahrscheinlich lang vom Tee, er ist einer der akkuratesten Eisenspieler der Tour, er ist ein teuflisch guter Putter, und er hat keine Angst vor dem Sieg. Kurzum: Der SPOX-Geheimtipp.
8. Martin Kaymer
GettyBernhard Langer hat im Interview erklärt, warum Martin Kaymer beim Masters ganz vorne mitmischen kann. Und auch wenn der Deutsche bei der Generalprobe in Houston den Cut verpasste, ändert das nichts an der Tatsache, dass er gut in Schuss ist. Dass er mittlerweile auch in den USA zurecht kommt, hat 2010 auch schon wieder sein dritter Platz bei der CA Championship demonstriert.Kaymers Selbstbewusstsein ist durch seine vielen Erfolge inzwischen so groß, dass ein Major-Sieg jederzeit möglich ist. "Mittlerweile weiß ich, dass ich ein Turnier gewinnen kann, wenn ich die Chance dazu habe, auch wenn es dann nicht immer klappt. Aber diese Gewissheit, dass man schon mehrmals gewonnen hat, hilft enorm weiter", sagt Kaymer kurz vor dem Masters-Start im Gespräch mit SPOX.
Sein Motto für Augusta lautet wie in den letzten Jahren? Geduld, Geduld, Geduld. "Was anderes gibt es in Augusta nicht. Jedes Loch für sich ist eine Herausforderung, es gibt eigentlich kein Loch, an dem man mal abschalten kann oder einfach so sein Par spielt. Ich fühle mich aber dieses Jahr in guter Form, habe den Platz mittlerweile schon des Öfteren gespielt und auch mein Training etwas mehr auf den Platz abgestimmt. Ich hoffe deshalb, dass es dieses Jahr etwas wird mit dem Cut", so Kaymer weiter. Ein Sieg kommt noch zu früh, aber eine Top-20-Platzierung ist für das deutsche Aushängeschild drin.
9. Edoardo Molinari
Italien ist eine aufstrebende Golf-Macht. Dafür sorgen in erster Linie die Molinari-Brüder Edoardo und Francesco, aber mit Matteo Manassero steht schon das nächste Ausnahmetalent parat.
Die größten Chancen, mal ein ganz Großer zu werden und ein Major-Sieg zu landen, hat Edoardo Molinari. Der US-Amateur-Champion von 2005 steht vor seinem großen Durchbruch. Mit seinem zweiten Rang beim Arnold Palmer Invitational hat er zum ersten Mal auf der US PGA Tour auf sich aufmerksam gemacht.
Der 29-Jährige verfügt über ein sehr gutes Allround-Game und ist in exzellenter Form. Aufgepasst auf den Juve-Fan. Ein echter Sleeper-Pick.
10. Fred Couples
Ein interessanter Außenseitertipp. Der 50-Jährige spielt seit diesem Jahr überwiegend auf der Champions Tour der Senioren. Zum Leidwesen von Bernhard Langer und Co. - denn Couples ist ohne jede Zweifel viel zu gut, um bei den Oldies mitzuspielen.
Aktuell hat er auf der Champions Tour drei Turniere in Folge gewonnen und die Konkurrenz dabei teilweise gedemütigt. Couples ist in Form, Couples schlägt den Ball im Gegensatz zu seinen Altersgenossen noch sehr weit, Couples weiß, wie man das Masters gewinnt.
Ein "alter Sack" spielt ja in den letzten Jahren irgendwie immer um einen Major-Sieg mit. Nach Greg Norman und Tom Watson könnte jetzt Fred Couples dran sein. Nicht wundern, wenn er für eine Sensation sorgt...