Die HBW Balingen-Weilstetten war sportlich schon abgestiegen - und ist dank des HSV Handball wieder zurück in der HBL. Dann bekamen die Hamburger doch noch die Lizenz und die Schwaben mussten plötzlich wieder um den Verbleib in der Bundesliga zittern. Balingen erlebte einen Sommer voller Ungewissheit - und will jetzt die unverhoffte Chance im Oberhaus nutzen, um sich neu zu beweisen.
Bei der Spvg Versmold waren sie in Gedanken auch in Balingen. Die Mannschaft aus der ostwestfälischen Provinz war gleich zwei Mal sportlich aus der sechsklassigen Landesliga abgestiegen - einmal als Tabellenletzter, dann hatte man auch in den Relegationsspielen verloren. Dort durfte man nur spielen, weil ein anderer Verein seine Mannschaft kurzfristig zurückziehen musste.
Dennoch bekommt man auch in der kommenden Saison Landesliga-Handball in Versmold zu sehen. Dank der HBW Balingen-Weilstetten. Da das HBL-Schiedsgericht eine 19. Mannschaft in der Bundesliga zuließ, blieb jeweils der sportlich beste Absteiger in den unteren Spielklassen in der Liga. Das galt sowohl für die HG Saarlouis, die in der 2. Liga bleiben durften, als auch für die Versmolder.
Unruhige Sommerpause
Auch wenn beide Mannschaften vier Spielklassen trennen, so haben beide eine unruhige Sommerpause hinter sich. Besonders in Balingen konnte man lange nicht vernünftig am Kader für die anstehende Spielzeit basteln.
Durch den Lizenzentzug des HSV Handball wäre man trotz Platz 16 in der vergangenen Saison in der Liga geblieben. Als sich die Hamburger dann doch noch in letzter Instanz ihre Teilnahme an der Bundesliga sicherten, drohte der Gang in die zweite Liga.
"Wir waren nicht gelähmt, aber unsere Saisonvorbereitung war stark beeinträchtigt. Unsere Spieler und mögliche Neuzugänge wussten lange nicht, um welche Liga es geht", erklärte Geschäftsführer Bernd Karrer gegenüber SPOX. Erst am 2. Juli, keine zwei Monate vor dem Saisonstart, wusste man sicher: Die HBW spielt ihre neunte Saison in der Bundesliga.
"Der Verein kann am wenigsten dafür"
Einen Groll hegt Karrer aber deswegen nicht gegenüber dem HSV: "Der Verein und vor allem Mitarbeiter, Fans und Spieler können wohl am wenigsten für diese Situation!" Innerhalb kürzester Zeit schafften es die Verantwortlichen dann, den Kader nahezu komplett umzukrempeln. Neun Neuzugängen stehen acht Abgänge, darunter Vereinslegende Frank "Litty" Ettwein, gegenüber.
Die Nummer eins im Kasten der HBW wird der erfahrene Serbe Radivoje Ristanovic sein. Mit Matej Asanin kam zudem ein weiterer Keeper, der gemeinsam mit Ristanovic die Abgänge von Bastian Rutschmann und Nikolas Katsigiannis kompensieren soll.
Auf Linksaußen steht neben Patrick Weber nun Denni Djozic zur Verfügung, der von den Rhein-Neckar Löwen auf die Schwäbische Alb wechselte. Dasselbe gilt auf der anderen Seite für Dennis Wilke, der die durch den Abgang von Florian Billek auf Rechtsaußen entstandene Lücke füllt. Der 28-Jährige spielte bereits von 2006 bis 2012 auf der schwäbischen Alb.
Trumpfkarte Lima?
In der Mitte steht mit Olivier Nyokas nun ein weiterer Akteur zur Verfügung, der Fabian Böhm und Martin Strobel unterstützen soll. Zudem konnten mit Yann Polidore, Niklas Ruß, Thorben Kirsch und Gianluca Lima vier junge Talente verpflichten, die die Frischzellenkur des Kaders in diesem Sommer vollenden.
Vor allem Lima, der mit der Empfehlung von 280 Tore in drei Jahren beim Schweizer Zweitligisten BSV Stans nach Balingen wechselt, könnte im rechten Rückraum direkt eine echte Verstärkung sein.
"Es war unser Wunsch der Mannschaft ein neues Gesicht zu geben. Wir wollen mit Spielern in die Runde gehen, die darauf brennen beim HBW in der ersten Liga zu spielen", begründet Karrer die Sommer-Transfers. Zudem kann man auch noch auf einige talentierte Spieler in der eigenen Reserve zurückgreifen, die in der dritten Liga auf Torejagd geht.
Das Ziel: Platz 15
Trotz der Freude über den unverhofften Klassenverbleib hört man keine großen Töne von den Balingern. "Wenn wir unser Ziel, nämlich Platz 15, erreichen, dann sind wir sehr glücklich", antwortete Karrer auf die Frage nach seinen Erwartungen für die kommende Saison.
Der Klassenverbleib der HBW war nicht nur für den Verein, sondern auch für die Region wichtig. Die "Gallier von der schwäbischen Alb" spielen immerhin seit 2006 ununterbrochen in der Bundesliga - trotz nur 33.000 Einwohnern und einem Mini-Etat von rund 2,5 Millionen Euro. Nur die drei Aufsteiger Friesenheim, Erlangen und Bietigheim verfügen über geringere finanzielle Mittel. Trainer Markus Gaugisch ist zudem nebenbei noch Lehrer an einem Gymnasium in Nehren.
Das Konzept des Vereins ist dabei seit jeher gleich. Viele junge Talente, die darauf brennen sich zu beweisen, gepaart mit ein paar Veteranen. Besonders die ehemaligen Nationalspieler Christoph Theuerkauf am Kreis und Martin Strobel in der Mitte sollen das Team in der neuen Spielzeit führen.
"Der Verbleib war absolut wichtig. Unser Umfeld lebt diese Zugehörigkeit zu Liga eins", erklärte Karrer. Die Fans in der Balinger Sparkasse-Arena sind bekannt für ihre frenetische Unterstützung. Besonders der THW Kiel hat unangenehme an die Hölle Süd. 2009 reiste man als ungeschlagener Tabellenführer in die Provinz und kassierte beim 39:37 die erste Saisonniederlage.
Defensive überzeugt
Damit man in diesem Jahr auch sportlich die Klasse halten kann, muss vor allem an der eigenen Offensive geschraubt werden. Mit 905 Toren lag man im unteren Ligadrittel, nur die Absteiger Eisenach und Emsdetten, sowie die HSG Wetzlar und Gummersbach waren vor dem gegnerischen Tor noch weniger effektiv.
In der Vorbereitung zeigte sich die Mannschaft von Markus Gaugisch allerdings schon gut in Form, beim traditionsreichen S-Cup in Altensteig konnte man erstmals den Titel abräumen und unter anderem die Schweizer Erstligisten Pfadi Winterthur und den TSV St. Otmar St. Gallen bezwingen. Auch im letzten Testspiel am Donnerstag gegen den slowakischen Rekordmeister Tatran Presov gelang ein starkes 28:25.
"Mich hat beispielsweise die Qualität unserer Defensive beim Turnier in Altensteig überrascht. Die neuen Leute sind bereits gut integriert, die Spieler sind ein richtiger Haufen. Das gefällt mir gut", bilanzierte Trainer Gaugisch nach der Vorbereitung.
Volle "Hölle Süd"
Am 26. August beginnt für die HBW die neue Spielzeit, in Melsungen darf man erstmals beweisen, dass man zurecht eine weitere Chance in der HBL bekommen hat.
Zum Duell mit dem HSV Handball kommt es bereits am fünften Spieltag. Dann begrüßen die HBW die Hamburger in der Sparkassen-Arena. Geschaftsführer Karrer will die Partie aber nicht dramatisieren: "Es wird ein Spiel über 60 Minuten, zwei Punkte werden vergeben. Wir erleben eine hoffentlich volle Hölle Süd mit begeisterten Fans."
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