Spieler, Trainer und Funktionäre hatten mit dem gleichen Problem zu kämpfen: Niemand wusste so genau, was man von dieser Niederlage gegen Dänemark denn nun zu halten hat.
Einerseits waren sich alle Beteiligten einig, dass es der bislang beste deutsche Auftritt bei diesem Turnier war. Andererseits hatten sich die Bad Boys erneut haarsträubende Aktionen geleistet, weshalb der Weg ins Halbfinale noch steiniger geworden ist.
"Wir haben einen großen Kampf geliefert, in der Abwehr taktisch hervorragend agiert. Es hat letztlich nicht gereicht, weil wir zwei, drei Fehler zu viel gemacht haben, die mit einfachen Gegentoren bestraft wurden", analysierte Bundestrainer Christian Prokop, der seiner Mannschaft ein teilweise "naives Verhalten" attestierte.
Im 7:6 trumpft Mikkel Hansen auf
Deutschland hatte die Partie gegen den Olympiasieger über weite Strecken völlig ausgeglichen gestaltet. Die Abwehr um Finn Lemke, Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek packte in aller Konsequenz zu. Die Torhüterleistung war - sieht man einmal vom unglücklichen Drei-Minuten-Auftritt von Silvio Heinevetter (0 von 4) ab - in Person von Andreas Wolff (11 von 31, 35 Prozent) ordentlich.
Erst als Trainer Nikolaj Jacobsen ab Mitte der zweiten Halbzeit mit dem siebten Feldspieler agieren ließ, verschafften sich die Dänen den entscheidenden Vorteil. Davon profitierte vor allem Superstar Mikkel Hansen (5 von 10), der nach einer fürchterlichen ersten Hälfte nach der Umstellung die sich bietenden Räume gnadenlos ausnutzte.
"Im 6:6 haben wir überragend verteidigt, erst mit dem siebten Feldspieler wurde es schwierig", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning: "Bei Hansen musst du rausrücken aus der Abwehr, was quasi in Unterzahl schwierig ist. Er hat in seinem Wurf im letzten Moment noch diesen Handgelenksrichtungswechsel. Da ist für die Torhüter nichts zu machen, wenn die Abwehr nicht rausgeht."
Rune Dahmke: "Ich bin ein bisschen sprachlos"
Auch im Angriff funktionierten nach einem mauen Start einige Dinge ganz brauchbar. Von den Halbpositionen im Rückraum kam wesentlich mehr Dampf als in den Partien zuvor. Allen voran der zuletzt neben sich stehende Julius Kühn, der mit sechs Toren bester Werfer des DHB-Teams war, ragte dabei heraus.
Über Rechtsaußen konnte Tobias Reichmann (ein Tor) kaum Akzente setzen. Auf Linksaußen überzeugte der nachnominierte und früh für den schwachen Kapitän Uwe Gensheimer gekommene Rune Dahmke (4 von 5) dafür umso mehr.
"Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir es wirklich packen können. Wir haben alles reingelegt und viel richtig gemacht", meinte der Kieler.
Paul Drux fällt monatelang aus
Die große Schwachstelle war die Rückraum-Mitte-Position, auf der vor allem Philipp Weber große Unsicherheiten offenbarte. Der 25-Jährige wirkte gegen einen mit allen Wassern gewaschenen Gegner wie Dänemark teilweise noch überfordert.
"Am Ende wissen wir, dass wir im Angriff immer noch Luft nach oben haben. Kühn und Dahmke waren stark, phasenweise auch Steffen Weinhold. Aber gerade dort, wo das Spiel gesteuert wird, also auf Rückraum Mitte, müssen wir zulegen", sagte Prokop.
Umso schlimmer, dass sich mit Paul Drux ein Mann gegen die Dänen verletzt hat, der ebenfalls als Spielmacher eingesetzt werden kann. Der Berliner verletzte sich erneut am Meniskus, reist am Montag zurück nach Deutschland und wird noch diese Woche operiert. Er fällt mindestens für drei Monate aus.
Die Hoffnung auf ein Finale
Was bleibt ist die Hoffnung, dass diese letzte Partie in Varazdin gegen Spanien ein echtes Endspiel sein wird. Es gibt unzählige Varianten, wie es noch zum Erreichen des Halbfinales in Zagreb reichen kann.
Vereinfacht gesagt geht es darum, dass Mazedonien aus seinen letzten beiden Spielen nicht mehr als zwei Punkte holt. Verliert der Tabellenerste der Vorrundengruppe C gegen Tschechien, hat die deutsche Mannschaft schon am späten Dienstagabend Gewissheit.
Bei einem Sieg der Mazedonier müssen die Dänen einen Tag später, unmittelbar vor der Neuauflage des EM-Finales von 2016 zwischen Deutschland und Spanien, Schützenhilfe leisten.
Die Möglichkeit, dass Mazedonien mindestens einmal verliert, ist gegeben. Schließlich ist Starspieler Kiril Lazarov verletzt, sein Einsatz in den verbleibenden beiden Spielen steht in den Sternen.
Fällt dem DHB-Team die Vorrunde auf die Füße?
"Diese Leistung gegen Dänemark hilft uns, wenn es darum geht, nach vorne zu schauen", sagte Weinhold: "Mit ein bisschen Glück geht es noch einmal um alles." Und Wolff ergänzte: "Wir haben ein tolles Spiel gemacht. Viele Spieler haben ein anderes Gesicht gezeigt. Ich bin mir sicher: Wenn es gegen Spanien ein Endspiel gibt, werden wir erneut eine gute Leistung zeigen."
Sollte es so kommen, würde Deutschland von der deutlich längeren Regenerationszeit im Vergleich zu den Spaniern profitieren. Läuft es nicht wie gewünscht, fällt dem DHB-Team die maue Vorrunde auf die Füße, als mancher Punkt leichtfertig verspielt wurde.
Dieses Szenario spukte auch Hanning durch den Kopf: "Wir sind jetzt von anderen Resultaten abhängig, was einfach keinen Spaß macht. Gegen Dänemark war alles top, aber wir hätten aus der Vorrunde einen Punkt mehr mitnehmen müssen. Da waren wir nicht gut genug."