Mit einem Transfer zum FC Bayern fing die Misere an! Red Bull Salzburg plant einen bemerkenswerten Kurswechsel

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National von Sturm Graz entthront, international deklassiert: Salzburg steckt in einer tiefen Krise und plant nun die Abkehr von der Erfolgsstrategie.

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Es ist nur knapp drei Jahre her, da rief der damalige Sportdirektor Christoph Freund bei RB Salzburg "den größten Tag unserer Vereinsgeschichte" aus: Mit rasantem Fußball und Toptalenten hatte sich der Konzernklub erstmals für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert. Dort setzte es dann zwar das Aus gegen den FC Bayern München, national gelang aber das vierte Double hintereinander.

Wie kaum ein anderer Klub Europas verband Salzburg jahrelang sportlichen Erfolg mit einer spektakulären Spielweise und der stetigen Entwicklung talentierter Spieler und Trainer. Dank der finanziellen Mittel von Red Bull, dank eines von Ralf Rangnick implementierten und anschließend immer weiter optimierten Scouting- und Talententwicklungs-Systems und dank der provinziellen Ruhe vor Ort. Toptalente, Titel, Umbruch. Toptalente, Titel, Umbruch. Und nochmal!

Die Gesichter änderten sich Jahr für Jahr, Strategie und Erfolg blieben. Egal ob Roger Schmidt, Adi Hütter, Marco Rose, Jesse Marsch oder Matthias Jaissle an der Seitenlinie stand. Egal ob Sadio Mané, Nicolas Seiwald, Konrad Laimer, Naby Keita, Xaver Schlager, Dayot Upamecano, Erling Haaland, Dominik Szoboszlai, Karim Adeyemi oder Benjamin Sesko spielte. In Österreich war Salzburg unschlagbar, im Europapokal stets für Sensationen gut.

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RB Salzburg: In Österreich entthront, international deklassiert

Drei Jahre nach dem größten Tag der Vereinsgeschichte wirkt RB Salzburg entzaubert. Der Klub steckt in der größten Krise seit der Ankunft von Visionär Rangnick 2012 und dem Beginn einer zehn Jahre andauernden Meisterserie. Bereits in der vergangenen Saison verlor Salzburg beide nationalen Titel an Sturm Graz und scheiterte klar in der Champions-League-Gruppenphase.

Der Start in diese Saison misslang: Von den vergangenen 13 Pflichtspielen gewann Salzburg nur vier. In der Meisterschaft liegt die Mannschaft von Trainer Pep Lijnders auf Rang vier, auch mit Siegen in den beiden Nachholspielen kann sie Sturm nicht von der Tabellenspitze verdrängen. In der Champions League setzte es drei deutliche Pleiten gegen die vermeintlich einfachsten Gegner Sparta Prag, Stade Brest und Dinamo Zagreb. Torverhältnis 0:9.

Um noch realistische Chancen auf den Einzug in die Zwischenrunde zu haben, braucht es am Mittwoch einen Auswärtssieg gegen Feyenoord Rotterdam. Danach warten Bayer Leverkusen, Paris Saint-Germain, Real und Atlético Madrid.

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Ausgangspunkt der Misere: Christoph Freunds Wechsel zum FC Bayern

Ausgangspunkt des Abwärtstrends war der Sommer 2023. Nach dem bis dato letzten Titel folgte der Umbruch aller Umbrüche. Salzburg verlor nicht nur mehrere Schlüsselspieler und Trainer Jaissle, sondern auch Sportdirektor Freund, den es zum FC Bayern München zog. Als Rangnicks Gelehrter war er das Gehirn hinter Salzburgs Erfolgsstrategie. Welch Wichtigkeit Freund für den Klub hatte, zeigt sich seit seinem Abschied überdeutlich.

Nachbesetzt wurde sein Posten intern durch Bernhard Seonbuchner. Aufgrund der ausbleibenden Erfolge steht der 41-jährige Deutsche längst in der Kritik. Zuletzt kursierten Spekulationen über eine Verpflichtung des Manager-Veteranen Jörg Schmadtke, die Salzburgs Geschäftsführer Stephan Reiter aber "ganz klar" dementierte: "Da gibt es keine Gespräche."

Genau wie an Seonbuchner will Reiter auch an Trainer Pep Lijnders festhalten. Nach Jaissles Abschied 2023 hatte zunächst Gerhard Struber übernommen. Er wurde aber bereits im Frühling entlassen. Im Sommer folgte schließlich Lijnders. Zuvor hatte der 41-jährige Niederländer jahrelang als Co-Trainer von Jürgen Klopp beim FC Liverpool gearbeitet.

Anfang Januar kommt es zur Wiedervereinigung der beiden, dann fängt Klopp als Global Head of Soccer bei Red Bull an. "Er wird für uns keine Probleme lösen oder Entscheidungen treffen, das tun wir weiterhin selbst", sagte Reiter. "Aber er kann uns mit Sicherheit auf unseren Weg unterstützen."

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"An die Grenzen gekommen": RB Salzburg strebt bemerkenswerten Kurswechsel an

Dieser Weg soll einen bemerkenswerten Kurswechsel beinhalten, wie Reiter jüngst in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten ankündigte. "Unser System ist bereits seit längerer Zeit immer mehr an die Grenzen gekommen", erklärte der Geschäftsführer. Der Salzburger Überfall-Fußball sei "berechenbar geworden", die Entwicklung von Talenten kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern "Trend im gesamten europäischen Fußball". So stecke auch "in vielen Bundesliga-Klubs ein bisschen Red Bull drin".

Und nun? "Wir müssen uns von diesem Dogma, extrem jung zu sein, ein Stück weit verabschieden und nach und nach Erfahrung in den Kader zuführen", findet Reiter. Man wolle zwar weiterhin auch Talente entwickeln, "gleichzeitig werden wir nach Spielern suchen, die grundsätzlich die Idee haben, 100 oder 200 Spiele für Red Bull Salzburg zu machen, und hier Identifikationsfiguren werden können, sogenannte Ankerspieler".

Das Bedürfnis nach erfahrenen Ankern unterstreicht auch, dass bei der Talentsuche zuletzt die Trefferquote nachgelassen hat. Mit Regisseur Oscar Gloukh (20) oder Toptorjäger Karim Konaté (20) verfügt Salzburg zwar weiterhin über hochtalentierte Hoffnungsträger. Sie scheinen aber nicht über die Spitzenklasse und Widerstandsfähigkeit ihrer Vorgänger zu verfügen. Reiter stellte gar "infrage, ob die Qualifikation für die Champions League der jungen Mannschaft in dem Entwicklungsprozess geholfen hat". Einst diente gerade die Königsklasse als Bühne, wo sich die Talente ganz besonders ins Rampenlicht spielten.

Auch der Übergang zwischen dem Farmteam FC Liefering und den Profis - lange ein Salzburger Erfolgsrezept - funktioniert nicht mehr so reibungslos wie früher, was jüngst auch Rangnick anmerkte. "Es gab dort eine lange Zeit, die habe ich auch mitinitiiert, da war Nomen Omen - Liefering hat geliefert", sagte Österreichs Teamchef. "Das ist keine Kritik, aber ich erlaube mir die Frage zu stellen: Wird dort noch auf dem gleichen Anspruchsniveau gearbeitet?"

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Politikum Schlager: Pep Lijnders erfüllt den Wunsch der Fans

Aktuell verfügt Salzburg wie auch in der erfolgreichen Vergangenheit über einen jungen und internationalen Kader. Das Durchschnittsalter beträgt 21,9 Jahre. Von 31 Spielern sind nur drei Österreicher, darunter mit Salko Hamzic und Alexander Schlager zwei Keeper. Die Personalie Schlager entwickelte sich im Laufe dieser Saison zum Politikum.

Der gebürtige Salzburger und österreichische Nationalkeeper gilt als eine der wenigen echten Identifikationsfiguren in der Mannschaft. Entsprechend herrschte bisweilen Unverständnis, als im Sommer mit dem 33-jährigen Janis Blaswich per Leihe von RB Leipzig ein weiterer etablierter Keeper kam und von Lijnders sogar direkt zum Kapitän ernannt wurde.

Schlager verpasste den Saisonstart verletzt und musste sich dann hinter Blaswich einreihen - sehr zum Missfallen der Fans. Als Blaswich bei der 0:4-Pleite gegen Brest patzte, verhöhnten sie ihn und skandierten Schlagers Namen. Wenig später erfüllte Lijnders den Wunsch der Fans und stellte Schlager ins Tor. Bei seinem zweiten Spiel als neue, alte Nummer eins sah Schlager gegen Zagreb aber die Rote Karte, beim darauffolgenden Meisterschaftsspiel fehlte er dann verletzt.

Beides passt ganz wunderbar ins Salzburger Gesamtbild. Beim 0:0 am Wochenende gegen den Grazer AK sahen auch Joane Gadou und Trainer Lijnders (wegen Meckerns) die Rote Karte. Zudem sind aktuell zwölf Spieler verletzt oder erkrankt.

Personalmangel gibt es in Salzburg aber nicht nur im Kader, sondern auch auf den Rängen. Beim Viertelfinal-Einzug im ÖFB-Cup gegen die WSG Tirol kamen vergangene Woche nur 2437 Zuschauer in die Red Bull Arena mit ihren rund 30.000 Plätzen. Womöglich etwas sarkastisch meinte Lijnders: "Es hat sich angefühlt, als wären 25.000 im Stadion gewesen."