Blackouts, Nackenschläge und eine Attacke von Uli Hoeneß: Marc-André ter Stegens Pech in der deutschen Nationalmannschaft

Von Christian Guinin
Marc-André ter Stegen
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Nur wenige Wochen nach seiner Beförderung zur Nummer eins in der deutschen Nationalmannschaft hat sich Marc-André ter Stegen bei einem Ligaspiel des FC Barcelona schwer am rechten Knie verletzt. Das drohende Saisonaus ist dabei nur einer von mehren Rückschlägen, welche der 32-Jährige in den letzten Jahren im DFB-Team erleiden musste.

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"Ich glaube, dass es eine sehr schwere Verletzung ist. Als er sich auf den Boden gelegt hat, konnte man es direkt sehen", hatte Barça-Trainer Hansi Flick bereits unmittelbar nach dem überzeugenden 5:1-Sieg gegen den FC Villarreal bei DAZN erklärt.

Ter Stegen hatte beim Stand von 2:1 für die Katalanen eine etwas zu weit geratene Ecke zunächst problemlos abgefangen, bei der Landung kam er dann allerdings unglücklich mit seinem rechten Bein auf. Er blieb unter Schreien am Boden liegen, ehe die Teamärzte herbeieilten.

Im Anschluss musste er mit einer Trage vom Platz und in ein Krankenhaus gebracht werden, welches er erst in der Nacht in einem Rollstuhl samt gestütztem und hochgelegtem Bein verlassen konnte.

Wie die Katalanen mittlerweile nun auch offiziell bestätigten, hat sich der 32-Jährige die Patellasehne gerissen. Das bedeutet, dass ter Stegen monatelang ausfallen wird - seine Saison ist damit so gut wie sicher beendet.

Angesichts des langfristigen Ausfalls blickt SPOX auf die Pleiten und Pannen zurück, die der Keeper in der Vergangenheit in Bezug auf das DFB-Team erlitt.

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Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Unglückliches Debüt gegen die Schweiz

Nachdem ter Stegen vom damaligen Bundestrainer Joachim Löw in den vorläufigen Kader der deutschen A-Nationalmannschaft für die Europameisterschaft 2012 berufen worden war, gab er am 26. Mai 2012 im St. Jakob-Park gegen die Schweiz sein A-Länderspieldebüt.

Bei der 3:5-Niederlage gegen die Eidgenossen erwischte ter Stegen allerdings keinen allzu guten Tag. Gleich bei mehreren Gegentoren sah er unglücklich aus und war damit mindestens mitverantwortlich für die Pleite gegen den Nachbarn.

Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Joachim Löw zieht für die EM 2012 Ron-Robert Zieler vor

Ob die schwache Vorstellung gegen die Schweiz der Hauptgrund für die letztliche Nicht-Nominierung in den deutschen Kader für die EM 2012 war, ist nicht bekannt. Unbedingt geholfen hat es aber mit Sicherheit nicht.

Am 28. Mai 2012 gab Löw bekannt, dass ter Stegen im Gegensatz zu Ron-Robert Zieler, der schon einige Monate früher für das DFB-Team debütiert hatte, nicht zum endgültigen Kader für die Endrunde 2012 gehöre.

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Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Böser Patzer bei US-Reise 2013

Auch danach ging es für ter Stegen in der Nationalmannschaft nicht unbedingt rosig weiter. So dürfte bei vielen Fans noch die USA-Reise des DFB-Teams im Jahr 2013 im Kopf sein, bei der der Torhüter eher unfreiwillig eine Hauptrolle spielte.

Im Testspiel gegen die USA erwischte ter Stegen nämlich einen fürchterlichen Tag. Beim 0:1 unterlief ihm ein böser Patzer, der noch Jahre seinen Weg in der Nationalmannschaft zu brandmarken schien. Bei einem eigentlich harmlosen Rückpass von Benedikt Höwedes schaute sich der Torhüter nach einem geeigneten Abnehmer für seine Weitergabe um ließ den Ball dabei ins Tor kullern.

In der Folge zeigte sich ter Stegen äußerst verunsichert und sah schließlich auch bei den weiteren drei Gegentreffern - Deutschland verlor die Partie mit 3:4 - nicht gut aus. Die gesamte USA-Reise beendete der Torhüter mit zwölf Gegentoren in drei Spielen.

Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Nicht-Nominierung für die WM 2014

Trotz einer starken Saison bei Borussia Mönchengladbach, welche letztlich auch in einem Wechsel zum FC Barcelona mündete, fand sich ter Stegen auch im Aufgebot für die WM 2014 nicht wieder. Stattdessen zog Löw einmal mehr Zieler vor.

"Natürlich ist man traurig, wenn man ein solches Großereignis verpasst. Aber ich muss die Entscheidung des Bundestrainers respektieren. Und das tue ich auch", erklärte ter Stegen.

Schon damals kam die Frage auf, ob er nicht für ewig ein Dasein als zweite Wahl fristen könne: "Das muss man abwarten, das ist nicht meine Entscheidung. Für mich ist wichtig, dass ich konstant weiter meine Leistung bringe. So, wie ich das auch in dieser Saison getan habe. Mich freut es ungemein, dass ich so meinen Beitrag für das Erreichen des Europapokals geleistet habe - das war mein primäres Ziel."

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Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: 2016 und 2018 nur Nummer zwei hinter Manuel Neuer

In den Jahren nach der gewonnenen WM 2014 fand sich ter Stegen zwar regelmäßig, also auch bei großen Turnieren, im Aufgebot des DFB-Teams wieder, an Manuel Neuer gab es jedoch kein Vorbeikommen.

Höhepunkt dieses überdeutlichen Nummer-zwei-Status war die WM 2018, die der Torhüter ebenfalls nur von der Bank aus mitverfolgte. Obwohl er beim Confederations Cup im Jahr zuvor sowie bei Barcelona durchweg gute Leistungen erbrachte und sich Neuer darüber hinaus im September 2017 einen Mittelfußbruch zuzog und erst kurz vor der WM 2018 wieder zur Mannschaft stieß, traute ihm Löw nicht zu, in Russland den deutschen Kasten zu hüten.

Später erzählte ter Stegen in einem Interview, seinen Nummer-zwei-Status nur "sehr schwer" akzeptiert zu haben. "Aber man muss die Entscheidung des Trainers respektieren." Weite Teile der Presse kritisierten, vor allem nach dem sang und klanglosen Aus in der Gruppenphase, aber schon damals Löws Wahl pro Neuer.

Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Attacke von Uli Hoeneß

Doch auch nach dem blamablen WM-Abschneiden änderte sich nichts. Neuer blieb weiterhin die Nummer eins im Kasten, auch wenn es, speziell nach dem Turnier 2018, erstmals eine breite öffentliche Debatte über die passende Besetzung der Torhüterposition im DFB-Team gab.

Das bewegte unter anderem Bayern-Patron Uli Hoeneß dazu, im September 2019 zum Rundumschlag gegen die seiner Meinung nach unverhältnismäßige Berichterstattung sowie ter Stegen auszuholen. Die Forderung, dass der Barcelona-Keeper Neuer als Stammtorhüter ablösen müsse, bezeichnete er als "Witz".

So würde die "westdeutsche Presse" ter Stegen "extrem unterstützen, als ob er schon 17 Weltmeisterschaften gewonnen hätte". Neuer würde von der "süddeutschen Presse" hingegen "gar keine Unterstützung" erhalten, schimpfte Hoeneß.

"Ich finde es unmöglich, dass man so ein Thema in die Öffentlichkeit bringt. Er hat überhaupt keinen Anspruch, dort zu spielen. Man kann im Tor nicht ständig hin- und herwechseln. Manuel Neuer ist die Nummer eins", schoss der langjährige Bayern-Manager weiter in Richtung ter Stegen.

Dieser nahm die Debatte sowie die Hoeneß-Aussagen hingegen äußert gelassen "Kann ich Uli Hoeneß wirklich übel nehmen, dass er seinen Torwart verteidigt hat? Nein, kann ich nicht. Eigentlich finde ich es fast schon gut, dass man beim FC Bayern gesagt hat: 'Komm, wir stellen uns hinter unseren Torwart. Koste es, was es wolle.' Die Wortwahl von Uli Hoeneß war aber nicht die richtige. Das kann ich ihm vorwerfen und das fand ich in diesem Moment nicht lustig. Denn es gibt eine Grenze."

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Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Knieverletzung bei der EM 2021 und Reservistenrolle in Katar

Das Pech blieb ter Stegen auch beim kommenden Turnier auf den Fersen. Wegen einer Knie-Operation im Mai 2021 war der Torhüter bei der EM im selben Jahr nur zum Zuschauen verdammt. Wieder stand Neuer als Nummer eins im Kasten.

Dabei bleib es auch bei der WM 2022 in Katar, die ter Stegen, nun unter dem neuen Trainer Hansi Flick, ebenfalls nur von der Bank aus verfolgte. In den drei Gruppenspielen kam er nicht zum Einsatz.

Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Erneute Degradierung vor der EM 2024

Im Jahr 2023 vertrat ter Stegen das ganze Jahr lang Manuel Neuer als Nummer eins der Nationalmannschaft, als dieser kurz nach der Weltmeisterschaft einen Skiunfall erlitt und bis zum Anfang der Saison 2023/24 ausfiel.

Der Barcelona-Keeper durfte sich somit ein weiteres Mal berechtigte Hoffnungen auf ein Turnier als Stammkraft machen, der erst unmittelbar zuvor ins Amt berufene Julian Nagelsmann machte diesem Plan aber einen Strich durch die Rechnung. Wenige Monate vor der EM 2024 erklärte der Bundestrainer, dass Neuer rechtzeitig zur Mannschaft zurückkehren würde und deshalb bei der Heim-EM auch als Nummer eins an den Start gehen werde.

Erneut blieb ter Stegen keine andere Wahl als ins zweite Glied zurück zu rücken. Erneut ließ er im Anschluss durchblicken, äußerst enttäuscht über die Entscheidung zu sein: "Das war schon ein Schlag ins Gesicht für mich. Vor allem der Tag danach ist dann auch so, dass du irgendwo auch zusammensackst", erklärte er und merkte an, dass die Trainingseinheiten danach von der Motivation her schwierig waren.

Gleichzeitig zeigte er sich abermals sportlich und nahm Nagelsmanns Wahl ohne böse Anmerkungen hin. "Für mich kam es überraschend. Am Ende sind es Entscheidungen, die der Trainer treffen muss. Das ist nun mal sein Job. Ich als Spieler muss das akzeptieren und respektieren, auch wenn ich vielleicht nicht einer Meinung bin", so der Barca-Keeper.

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Marc-André ter Stegens Pech im DFB-Team: Schwere Verletzung nach Beförderung zur Nummer eins

Nach den vielen Jahren der Enttäuschung schien ter Stegens Moment dann im Spätsommer 2024 endlich gekommen. Nachdem Neuer nach der EM seinen Rücktritt in der Nationalmannschaft erklärte, machte Nagelsmann den Barcelona-Keeper endlich auch im DFB-Team zum Stammtorhüter: "Marc ist jetzt verdientermaßen die klare Nummer eins."

Bei der offiziellen Verkündung war ter Stegen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Es habe immer wieder "enge Entscheidungen" gegeben, "die dann meistens in die Richtung von Manuel Neuer gingen", sagte ter Stegen zwei Tage vor seinem Spiel als neue Nummer eins in Düsseldorf gegen Ungarn, welches er dann auch von Beginn an bestritt.

Nun wird er abermals zurückgeworfen - dieses Mal aufgrund einer schweren Verletzung, die ihn wohl bis zum Ende der Saison kein Spiel mehr bestreiten lässt.

Ter Stegen wird sich, auch im Hinblick auf die WM 2026 in Mexiko und den USA, zurück kämpfen müssen, um seinen eigentlich sicher geglaubten Nummer-eins-Status erneut zu erobern. In der Zwischenzeit werden sich allerdings andere Kandidaten in den Vordergrund spielen können.