Pep Guardiola und sein Einfluss auf den Weltfußball: Musterschüler erobern Europa

Von Justin Kraft
pep
© getty

Pep Guardiola hat in Europa und auf der Welt nicht nur seine Fußspuren hinterlassen, sondern den Fußball nachhaltig geprägt. Dazu gehören auch viele Trainer. Einige davon erobern derzeit die Ligen, in denen sie arbeiten. Ein Überblick zu den Musterschülern der Pep-Schule - und jenen, die zumindest von ihm beeinflusst wurden.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Was haben Vincent Kompany, Xavi und Mikel Arteta gemeinsam? Sie alle stehen mit ihren Klubs derzeit auf dem ersten Tabellenplatz. Was vielleicht nur eine Momentaufnahme ist, wird aber durch eine andere Linie viel enger miteinander verbunden. Denn jeder von ihnen hat auf unterschiedliche Art und Weise von Pep Guardiola gelernt.

Guardiola hat den europäischen Fußball so sehr geprägt wie kaum ein anderer auf der Welt. Seine taktischen Ideen und Innovationen haben nicht nur seine jeweiligen Klubs und Teams beeinflusst, sondern weit über diesen Kosmos hinaus gewirkt. Damit hat der Katalane automatisch eine ganze Reihe an neuen und modernen Trainern im Profifußball inspiriert.

Drei davon sind eben Kompany, Xavi und Arteta. Doch auch in Deutschland gibt es Fußballlehrer, die sich Guardiola einst zum Vorbild nahmen und so zu dem wurden, was sie heute sind. SPOX wirft einen Blick in das Klassenzimmer der Pep-Schule.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Vincent Kompany: Der verlängerte Arm von Pep Guardiola

Jahrelang war Vincent Kompany Kapitän bei Manchester City. Seit 2008 kickte er für die Skyblues und entwickelte sich dort zu einem der besten Innenverteidiger der Welt. Zwischen 2016 und 2019 arbeitete er mit Guardiola zusammen, ehe er zum RSC Anderlecht wechselte und dort zunächst als Spielertrainer arbeitete.

Später wurde der Belgier Cheftrainer. Zwei dritte Plätze und ein Pokalfinale sollen dem Klub nicht gereicht haben und es kam zur Trennung. Viele Fans in Belgien sahen das damals anders und hätten gerne erlebt, wie es weitergegangen wäre. Kompany aber ging zurück nach England - diesmal zum FC Burnley, der aus der Premier League abgestiegen war. Nach 28 Spieltagen steht Kompany in der Championship auf dem ersten Platz - fünf Punkte vor Verfolger Sheffield United. Es sieht so aus, als würde er Burnley zurück in die Erstklassigkeit führen.

"Fußballtaktik. Raumlehre. Die Nutzung des Raums und dessen Auswirkung auf das Gesamtspiel. Das Managen des Raums ist das Größte, was ich von Pep gelernt habe", erklärte Kompany 2019. Die Art und Weise, mit der Burnley Spiele gewinnt, dürfte auch Guardiola gefallen. Der 36-Jährige steht für einen offensiven und dominanten Stil. Im Schnitt hat sein Team 63,2 Prozent Ballbesitz, eine Passquote von 84,6 % und mit 55 Toren die mit Abstand meisten der Liga.

Kompany legt viel Wert auf ein engmaschiges Positionsspiel, das dem Team ein schnelles, aber dennoch risikominimierendes Passspiel ermöglicht. Die hohe Direktheit, die vielen Kurzpässe und die gut aufeinander abgestimmten Rochaden auf dem Platz erinnern stark an die Philosophie von Guardiola - wenn auch auf einem ganz anderen Niveau. Gerade deshalb ist die Leistung von Kompany aber so bemerkenswert. Er widerlegt die sich hartnäckig haltende These, dass die Spielidee von Guardiola lediglich mit den besten Spielern funktionieren würde.

Der Belgier profitiert davon, dass er seine Schritte als Trainer weise wählt und nicht sofort bei einem Top-Klub eingestiegen ist. Und er profitiert davon, dass er Guardiola jahrelang über die Schulter blicken konnte.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Xavi: Pep Guardiolas Musterschüler

Ob Xavi ein wenig eifersüchtig wurde, als Guardiola zu Beginn seiner Zeit beim FC Bayern München anfing, Philipp Lahm in den allerhöchsten Tönen zu loben? "Philipp Lahm ist für mich der intelligenteste Spieler, den ich je in meiner Karriere trainiert habe", sagte der heutige City-Trainer 2013.

Dabei galt Xavi über viele Jahre als der Musterschüler schlechthin in der Pep-Schule. Seine Genialität, mit der er die Strippen im Mittelfeld des FC Barcelona zog, war unvergleichlich. Der Spanier gewann alles, was es zu gewinnen gab. Nun will er das auch als Trainer schaffen.

Schon 2019 sagte Guardiola voraus, dass Xavi eines Tages an der Seitenlinie Barças stehen wird. In einem Interview mit Catalunya Radio sagte er: "Früher oder später wird es passieren. Er ist noch sehr jung, aber es wird passieren. Er versteht Fußball und hat viel Leidenschaft und Engagement. Er ist mutig und sagt die Dinge sehr klar."

So kam es. Xavi ist heute Trainer des FC Barcelona und steht ebenso wie Kompany in der zweiten englischen Liga auf dem ersten Platz. Nachdem es gerade zu Beginn viel Kritik hagelte, findet sich die Klublegende immer besser ein. In vielen Kernelementen des Spiels lassen sich auch bei Xavi Parallelen zu Guardiola ziehen. Die hohe Kontrolle im Spiel nach vorn erinnert beispielsweise an den Ansatz, den das legendäre Barça-Team einst verfolgte, dem der heutige Trainer selbst angehörte.

Kritikerinnen und Kritiker äußerten Bedenken, inwiefern der bisweilen etwas tempoarme Ansatz in die Moderne passe. Doch aktuell hat Xavi eine gute Balance gefunden. Auch deshalb, weil er das Team in der Arbeit gegen den Ball entscheidend weiterentwickelt hat. Der FC Barcelona hat unter ihm das etwas tiefere und abwartendere Verteidigen gelernt. Etwas, das nicht unbedingt in der Guardiola-Schule gelehrt wird, das Xavi und seinem Team aber gut zu Gesicht steht.

Zumal die Kernidentität des Ballbesitzfußballs grundsätzlich weiterbesteht. Auch wenn der 43-Jährige international weiterhin einen Nachweis seiner Qualität schuldig ist, so scheint er auf einem guten Weg zu sein. Sein einstiger Lehrer dürfte das aus Manchester gespannt beobachten.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Mikel Arteta: Aus dem Schatten von Pep Guardiola in die Sonne des FC Arsenal

Guardiola hat manchmal dieses Grinsen im Gesicht, wenn er auf bestimmte Persönlichkeiten des Fußballs angesprochen wird. Wenn er nach Mikel Arteta gefragt wird, gerät der Katalane ins Schwärmen. Aber nicht in das 1000-Dantes-Schwärmen, das von Beobachterinnen und Beobachtern kaum mehr ernstgenommen wird, weil es so austauschbar ist. Bei Arteta kann man sich sicher sein, dass Guardiola es genauso meint, wie er es sagt.

"Ich kenne seine unglaubliche Qualität als Mensch und vor allem als Manager", sagte der City-Trainer beispielsweise im Dezember 2020, als er Artetas Arsenal mit 4:1 besiegte: "Es ist nur eine Frage der Zeit, und er wird es gut machen." Auch diese Prophezeiung bewahrheitete sich - vielleicht schneller, als es Guardiola lieb wäre. Arteta steht mit den Gunners auf dem ersten Platz der Premier League und hat seinen ehemaligen Chef mittlerweile auf fünf Punkte distanziert - bei einem Spiel weniger.

Arbeitsmoral, eine riesige Erfahrung als Topspieler und ein riesiges fußballerisches Grundverständnis - das sind die Dinge, die Guardiola bei Arteta in diversen Interviews immer wieder hervorhob. Zusätzlich lobte er ihn mehrfach als großartigen Menschen. Und auch die Arsenal-Legende spricht in den höchsten Tönen von seinem Lehrmeister. "Wir haben uns getroffen, als ich 15 Jahre alt war", sagte Arteta im Dezember bei Sky: "Er war mein Idol, er war derjenige, den ich nachahmen wollte, um bei Barcelona ein Spieler der ersten Mannschaft zu sein. Und von da an haben wir eine Beziehung aufgebaut."

Guardiola habe sich später als Trainer mehrfach bei ihm gemeldet, um zu erfahren, wie manches englische Team spielt. Als Arteta 2016 seine Spielerkarriere beendet hatte, hätte er beim FC Arsenal in der Jugend arbeiten können. Stattdessen rief Guardiola und er folgte ihm zu Manchester City. Ein bedeutender Schritt, wenn man bedenkt, wie sehr Arteta die Gunners liebt.

"Er ist Arsenal-Fan. Er hat dort gespielt und war Kapitän. Er liebt den Verein", sagte Guardiola im Vorfeld des direkten Duells mit Arteta im FA Cup am Freitag (21 Uhr) und zeigte Verständnis dafür, dass sein Co-Trainer den Schritt zum Cheftrainer ging. Arteta habe als City-Mitarbeiter jedes Tor gefeiert - mit der Ausnahme eines Teams: Arsenal. Über die kommenden Gegner werden sich die beiden am Telefon wohl nicht mehr austauschen. Aber klar ist, dass diese Beziehung besonders ist.

Und auch Artetas Arsenal hat viel von dem, was Guardiolas Philosophie beinhaltet. Er ist ein weiterer Trainer auf einer langen Liste jener, die sich vom Katalanen inspirieren ließen. Nur wenige dürften ihm dabei aber so nahegekommen sein.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Pep Guardiolas Einfluss auf Thomas Tuchel

Von einer solchen Nähe hat auch der eine oder andere deutsche Trainer schon geträumt. Thomas Tuchel beispielsweise, der schon oft von der Leichtigkeit und Eleganz des FC Barcelona unter der Regie Guardiolas schwärmte - und sich daran teilweise orientierte.

Deutsche Medien bezeichneten den aktuell vereinslosen Coach in der Vergangenheit oft als "deutschen Guardiola". Nicht nur, weil er sich nach seinem Engagement beim FSV Mainz 05 - wie einst Pep - ein Sabbatjahr nahm, um die Akkus wieder aufzuladen und sich weiterzubilden. Sondern auch, weil es sowohl Parallelen im taktischen Bereich als auch im Wesen der beiden gibt. Tuchel gilt ebenso wie Guardiola als sehr akribischer, fast schon verbissener Analytiker - im Positiven wie im Negativen.

Die direkten Duelle in der Bundesliga und in der Premier League waren stets geprägt von hohem Tempo, taktischen Anpassungen und viel Dynamik. Guardiola und Tuchel - wie zwei Schachmeister, die ihre Figuren in einem Wahnsinnstempo über das Brett schieben. Spektakulär und zugleich taktisch hochkomplex - Duelle, die zu mehr als nur gegenseitigem Respekt führten.

2015, so erzählt man sich in München noch heute, sollen Salz- und Pfefferstreuer im Schumann's so stark geglüht haben, dass sich die Bedienung kaum noch an den Tisch der beiden Trainer getraut habe. Es war die erste persönliche Begegnung zwischen ihnen. Tuchel habe seinen Gegenüber gefragt, warum er gegen Gladbach mit einer Viererkette aufbaut und nicht mit einer Dreierkette.

"Er hat es mir erklärt, und ich habe das Glas genommen und gesagt: Aber die spielen doch so. Er hat es verschoben und gesagt: Nein, dieser Spieler muss da stehen und dieser auf jeden Fall hier", berichtete Tuchel der Sport Bild: "Und ich habe das alles aufgesogen und gespürt, mit welcher Intensität, Detailverliebtheit und Überzeugung er coacht und welchen Erfahrungsschatz er hat."

Als Tuchel den BVB trainierte, wurde die Inspiration wohl am deutlichsten. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihm, aus einem durch Jürgen Klopps Gegenpressing-Fußball geprägten Team Ballbesitzexperten zu machen. Mit 78 Punkten spielte Dortmund unter ihm die zweitbeste Saison der Klubgeschichte. Im direkten Duell mit Guardiola verlor Tuchel mit seinen Teams sechs von zehn Spielen. Das wichtigste aber gewann er. Im Champions-League-Finale 2021 besiegte er mit dem FC Chelsea Manchester City und jenen Mann, zu dem er lange aufblickte.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Pep Guardiola: Besondere Rivalität mit Jürgen Klopp

Einfluss hatte Guardiola auch auf andere deutsche Trainer. Jürgen Klopp hat zum Beispiel eine grundlegend andere Idee vom Fußball. Doch der Teamchef des FC Liverpool hat sich von seinem großen Kontrahenten einiges abgeschaut, um sich und seine Mannschaft in Ballbesitz zu verbessern.

Auf der anderen Seite hat sich Guardiola auch von Klopp inspirieren lassen. Der BBC sagte der City-Coach 2021: "Jürgen ist eine Inspiration für mich." Er habe ihn zu einem besseren Trainer gemacht.

Und Klopp? Der ist zwar keiner, der in das Klassenzimmer der Pep-Schule passt, aber auch er hat großen Respekt vor Guardiola und dürfte ähnlich darüber denken. "Er ist der beste Trainer der Welt. Das beweist er die ganze Zeit", sagte er 2022 auf einer Pressekonferenz: "Es ist etwas Besonderes, was er tut, und ich respektiere das." Klopp und Guardiola - eine faire Rivalität, die dazu geführt hat, dass beide sich nochmal weiterentwickelt haben.

Pep Guardiola, Manchester City, Einfluss, Trainer, Julian Nagelsmann, Mikel Arteta, Vincent Kompany, Xavi, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel
© imago images

Pep Guardiola: Inspiration für junge Trainer in Deutschland

Julian Nagelsmann ist ein weiteres Beispiel in der langen Liste. Auch er hat nie direkt mit Guardiola zusammengearbeitet, sich bei ihm aber einige Ideen abgeholt. "Als er Coach des FC Barcelona war, habe ich sehr viele Spiele angeschaut", erzählte der Bayern-Trainer vor einem Duell mit Manchester City in den USA: "Er war jung, hat einen neuen Fußball spielen lassen. Ballbesitz, Gegenpressing. Das Gegenpressing war beeindruckend. Als Gegner hattest du keine Sekunde Zeit."

Der Zentrumsfokus und ein enormer Druck im Gegenpressing lassen sich auch in der Philosophie von Nagelsmann erkennen. Auch Xabi Alonso ist in der Bundesliga gerade dabei, die Herzen der Fans zu erobern. "Pep ist seiner Zeit voraus", sagte der ehemalige Mittelfeldspieler des FC Bayern 2016 im Gespräch mit SPOX und GOAL: "Er fordert sich und uns alles ab. Das lernst du, sobald du mit seiner Herangehensweise in Berührung gerätst. Er mag es, das Heft in der Hand zu halten, weil er denkt, es ist der beste Weg, um zu gewinnen." Und wer die Entwicklung in Leverkusen verfolgt, könnte auf den Gedanken kommen, dass Alonso eine ähnliche Idee verfolgt.

Guardiolas Spuren in Europa und auf der Welt sind unverkennbar. Drei seiner Schüler erobern gerade Ligen auf unterschiedlichen Niveaus. Viele weitere haben ihre Ideen auf dem aufgebaut, was er seit vielen Jahren vorlebt. Die Champions League mag der Katalane seit seiner Zeit beim FC Barcelona nicht mehr gewonnen haben. Der Fußball aber hat durch ihn gewiss gewonnen.

Artikel und Videos zum Thema