Ein Leihgeschäft ist, wenn es gut läuft, für alle Beteiligten eine Win-Win-Win-Situation: Der Spieler bekommt Einsatzzeiten, die er bei seinem Stammverein wohl nicht erhalten hätte. Der Leihklub kann einen talentierten Kicker einsetzen, den er sich wohl ansonsten nicht hätte leisten können oder wollen, und ihn auf Herz und Nieren testen. Und der abgebende Verein spart in aller Regel einen Teil des Gehalts bei einem Spieler, auf den der Coach höchstwahrscheinlich ohnehin nicht gesetzt hätte - um dann möglicherweise einen besseren Kicker nach Ablauf der Leihe zurückzubekommen.
Soweit die Theorie: In der Praxis verläuft natürlich nicht jedes Leihgeschäft nach diesem Plan. Hier kommen aber Leihspieler, die in der Anfangsphase der laufenden Saison bei ihrem neuen Klub überzeugt haben - und die, die bislang enttäuscht haben, werden ebenfalls erwähnt.
Enthalten in der Top-11 sind nur Spieler von größeren Klubs aus den fünf europäischen Top-Ligen.
Tor - DAVID RAYA (Arsenal, ausgeliehen von Brentford)
Arsenal-Trainer Mikel Arteta hatte in der letzten Saison mit Aaron Ramsdale einen hervorragenden Keeper als Rückhalt, der die Gunners lange vom Titel in der Premier League träumen ließ. Die Ausleihe von Brentfords David Raya kam deshalb durchaus überraschend, aber der Coach begründete den Deal damit, dass er einen Zweikampf um die Nummer eins haben wollte.
Und den hat er bekommen: Zunächst begann Ramsdale zwischen den Pfosten - und dann löste ihn Raya ab. Der Spanier spielt stark und ist mit dafür verantwortlich, dass das Team punktgleich mit dem Tabellenführer Tottenham auf dem zweiten Platz liegt. Eine feste Verpflichtung sollte kein großes Problem für die Londoner werden, Mikel Arteta hat wohl seinen Stammkeeper für die kommenden Jahre gefunden.
Abwehr - JOÃO CANCELO (FC Barcelona, ausgeliehen von Manchester City)
Mit Leihen kennt sich João Cancelo aus: Bereits in der vergangenen Saison war er von Manchester City für die Rückrunde an den FC Bayern verliehen. Nach einem vielversprechenden Start beim deutschen Rekordmeister wurden die Leistungen etwas schwächer - und mit einer festen Verpflichtung wurde es, auch aufgrund der hohen Ablöseforderung der Citizens, nichts.
Nun ist Cancelo in Barcelona gelandet, das sich ihn, wenn man sich die finanziellen Probleme der Katalanen anschaut, wohl auch nur auf Zeit leisten kann. Bei Barça macht Cancelo die Dinge, die man von ihm erwarten kann: Als Außenverteidiger hat er seine Stärken auf dem Weg nach vorne und im Passspiel - und ist damit genau das, was Trainer Xavi haben möchte.
Abwehr - ROBIN KOCH (Eintracht Frankfurt, ausgeliehen von Leeds)
Eintracht Frankfurt stellt mit nur fünf Gegentoren nach sieben Partien überraschenderweise die beste Defensive der Bundesliga - und das, obwohl das Abwehrzentrum der Hessen neu zusammengestellt wurde. Robin Koch kam vom Premier-League-Absteiger Leeds und half der SGE sofort weiter.
Zusammen mit dem Kolumbianer Willian Pacho stabilisiert er die Deckung, die, zugegebenermaßen, auch noch nicht die Bundesliga-Gegner aus dem allerhöchsten Regal bespielen musste. Macht Koch so weiter, wie er die Saison begonnen hat, dürfte er auch wieder ein großes Thema für das DFB-Team werden - und das rechtzeitig vor der EM im eigenen Land.
Abwehr - DIEGO LLORENTE (Roma, ausgeliehen von Leeds)
Schon seit Ende Januar läuft Kochs ehemaliger Leeds-Teamkollege aus der Innenverteidigung, Diego Llorente, für José Mourinhos Roma auf. Der mit seinen 30 Jahren routinierte Spanier ist ein fester Bestandteil des Teams aus der Hauptstadt, das sich allerdings in dieser Saison noch etwas schwertut.
Am Ende der Saison greift für die Römer eine Kaufpflicht für fünf Millionen Euro, wenn Llorente mehr als die Hälfte aller Pflichtspiele absolviert. Aktuell sieht es schwer danach aus, dass der Deal zustande kommt, denn Mourinho möchte ungerne auf den Abwehrmann verzichten und setzt ihn regelmäßig ein. Sollte Llorente über den Sommer hinaus bleiben, wäre das nicht das schlechteste Geschäft der Römer.
Abwehr - KIERAN TIERNEY (Real Sociedad, ausgeliehen von Arsenal)
Ein Schotte in Spanien - das kommt auch nicht oft vor. Bei Arsenal stand Tierney in der vergangenen Saison Neuzugang Oleksandr Zinchenko im Weg. Um dem Ukrainer genau aus diesem zu gehen, entschied sich der Linksverteidiger für die Leihe zu Real Sociedad. Und dort kommt er immerhin im Vergleich zu seiner Zeit bei den Gunners regelmäßiger zum Einsatz.
Arsenal-Kapitän Martin Ödegaard, selbst mit Real-Sociedad-Vergangenheit, empfahl Tierney die Leihe. Angesichts der Ambitionen der Gunners ist eine Rückkehr des Linksfußes nach London nur schwer vorstellbar. Tierney kämpft deshalb um eine feste Verpflichtung im Baskenland - bislang mit ordentlichem Erfolg.
Mittelfeld - MORGAN SANSON (Nizza, ausgeliehen von Aston Villa)
OGC Nizza ist in Frankreich eine der positiven Überraschungen der bisherigen Saison. Der Klub aus Südfrankreich ist das einzige noch ungeschlagene Team der Ligue 1 und belegt den zweiten Tabellenplatz hinter Monaco. Sanson stand siebenmal in der Anfangself, über ihn lief in der Nizza-Zentrale bislang eine Menge.
Als vielseitiger und laufstarker Mittelfeldmann macht er in seinem Heimatland wieder auf sich aufmerksam, nachdem sein Stammverein Aston Villa allem Anschein nach nichts mehr mit ihm anfangen kann. Bereits in der vergangenen Saison war er nach Straßburg in die Ligue 1 ausgeliehen worden - doch diesmal könnte die Leihe eine echte Erfolgsgeschichte werden.
Mittelfeld - SOFYAN AMRABAT (Manchester United, ausgeliehen von Fiorentina)
Sofyan Amrabat war einer der am heißesten gehandelten Spieler des Winter-Transferfensters 2023. Kein Wunder: Nach seinen Spielen bei der WM in Katar, als er mit Marokko ins Halbfinale stürmte, wollten zahlreiche Top-Klubs den kampfstarken Mittelfeldspieler haben. Die Fiorentina ließ ihn aber nicht ziehen - im Gegensatz zum Sommer, als er auf den letzten Drücker doch noch bei Manchester United auftauchte.
Erst Ende September sammelte er seinen ersten Einsatz für die Red Devils, die wieder einmal enttäuschend unterwegs sind. Das liegt aber nicht unbedingt an Amrabat, der seine Stärken als Nebenmann Casemiros bislang auf den Platz bringen kann. Dass es am Ende eine feste Verpflichtung des 27-Jährigen wird, deutet sich aber noch nicht an.
Mittelfeld - XAVI SIMONS (RB Leipzig, ausgeliehen von PSG)
Xavi Simons kennt das schon: Er spielt stark auf - und dann wird in der Öffentlichkeit über den Inhalt seines Vertrages spekuliert. Das war schon zu seiner Zeit bei der PSV in Eindhoven so, als sich PSG eine Rückkaufoption gesichert hatte. Und das ist nun auch bei RB Leipzig so, wo sich der Leihvertrag angeblich um eine weitere Saison verlängert, falls Xavi Stammspieler bleibt und sich die Sachsen für die Champions League qualifizieren.
Stammspieler zu bleiben, dürfte bei der aktuellen Form des Niederländers kein großes Problem sein: Xavi begann alle RB-Partien in der Bundesliga und Champions League und steuerte bislang drei Tore und vier Vorlagen bei. Zahlen, die sich die Leipziger vom kreativen Offensivmann erhofft hatten.
Angriff - JOSELU (Real Madrid, ausgeliehen von Espanyol)
Wenn man das Erbe des aktuellen Ballon-d'Or-Siegers antreten muss, ist das mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Aber genau das muss Joselu bei Real Madrid tun, denn in der Sturmmitte müssen die Königlichen in dieser Saison nach langen Jahren ohne Karim Benzema auskommen. Und diesen anspruchsvollen Job vor den anspruchsvollen Fans im Santiago Bernabéu soll ein Angreifer von einem Absteiger ausfüllen?
Joselu nahm die Herausforderung an, kam von Espanyol in die Hauptstadt und lieferte bislang fünf Tore und zwei Assists in der Liga. Die Schlagzeilen gehören in Spanien Jude Bellingham, doch auch der wuchtige Joselu zeigt, dass er mit seiner Kopfballstärke durchaus eine Waffe für Real sein kann.
Angriff - ROMELU LUKAKU (Roma, ausgeliehen von Chelsea)
Im Sommer sah es so aus, als ob es sich Romelu Lukaku mit allen Klubs Europas verscherzt habe. Mit seinen Aussagen verärgerte er vor allem Inter und Juventus - und in London wollte ihn bei Chelsea ohnehin niemand mehr haben. Kurz vor dem Ende der Transferphase fand sich mit der Roma und Trainer José Mourinho doch noch ein Abnehmer für den Belgier.
Und der zeigt sich in der Serie A ziemlich unbeeindruckt von all dem Wirbel der jüngeren Vergangenheit. Fünf Tore in sechs Liga-Spielen, dazu noch zwei Treffer in zwei Europa-League-Duellen - Lukaku erledigt seinen Job bei der Roma. Und das Mourinho-Team darf darauf hoffen, den Stürmer fest verpflichten zu können, da ihn Chelsea angeblich unbedingt loswerden will.
Angriff - JOÃO FÉLIX (FC Barcelona, ausgeliehen von Atlético Madrid)
Dass João Félix einer der talentiertesten Kicker überhaupt ist, daran besteht kein Zweifel. Dass es für den 23 Jahre alten Portugiesen bei seinem Stammverein Atlético nicht mehr weitergeht, wird auch immer deutlicher. Die Frage ist: Wer kann sich den Portugiesen, der einmal 127 Millionen Euro gekostet hat, leisten. Barça nur auf Leihbasis - aber genau dieses Leihgeschäft haben die Katalanen abgeschlossen.
Und Félix macht aktuell das Beste aus seiner Situation. Mit drei Toren und drei Vorlagen in acht Duellen in Liga und Champions League liefert er schon jetzt mehr, als er es noch für Chelsea in der vergangenen Saison, ebenfalls als Leihspieler, getan hat.
Weitere bekannte Leihspieler
Die Spieler der Top-11 waren natürlich nicht die einzigen Kicker mit großen Namen, die in dieser Saison auf Leihbasis für einen anderen Klub auflaufen: Keeper Kepa verließ den FC Chelsea und schloss sich - trotz des Interesses des FC Bayern München - Real Madrid an, wo er solide Leistungen abliefert.
Etwas schwerer tut sich Gonçalo Ramos bei PSG, der angesichts der Konkurrenz durch Kylian Mbappé und Randal Kolo Muani noch nicht so oft und so gut zum Zug kommt, wie sich die Pariser das vom Benfica-Spieler erhofft hatten.
Richtig enttäuschend verläuft die Leihe von Ansu Fati. Das ehemalige Mega-Talent des FC Barcelona bekommt bei Brighton auch keinen Fuß an die Erde: 117 Einsatzminuten in der Premier League zeigen, dass er nur Ersatzspieler ist. Ein einziges Tor erzielte er - es war der Ehrentreffer beim 1:6 bei Aston Villa.
Und auch Villa hatte sich von einem Leihspieler mehr erwartet: Nicolò Zaniolo muss sich augenscheinlich noch an die Premier League gewöhnen. Der Italiener, der von Galatasaray gekommen ist, wartet noch auf seinen ersten Scorerpunkt in England.