SPOX: Ihre erste Profi-Saison ist nur wenige Wochen alt, und schon hatten Sie Ihre erste brenzlige Situation: Im Vorbereitungsspiel gegen Roter Stern Belgrad lieferten Sie sich ein Handgemenge mit dem ehemaligen College-Superstar und zweimaligen NBA-Champ Adam Morrison, woraufhin sie beide vom Spiel ausgeschlossen wurden. Was ist passiert?
Bogdan Radosavljevic: Im Grunde war es ein Missverständnis. Nach dem Boxout beim Rebounding sind wir gemeinsam zur Mittellinie gelaufen. Dann fasste er mich am Trikot und ich wollte nur seinen Arm wegdrücken - was er wiederum als Ellbogencheck auffasste. Daraufhin ging er sofort auf mich los.
SPOX: War das der aufgehitzten Stimmung in Belgrad geschuldet?
Radosavljevic: Das kann sein. Ich weiß, wie es bei Roter Stern oder Partizan zugeht, aber für einen Spieler, der aus den USA gekommen ist, war es wohl etwas ganz Neues. Vermutlich hat er so etwas noch nie erlebt.
SPOX: Trotz der Hinausstellung erzielten Sie gegen Roter Stern 9 Punkte und wurden explizit von Trainer Dirk Bauermann gelobt. Gegen Braunschweig und Tübingen bekamen Sie hingegen nur wenige Anteile, in Göttingen wurden Sie gar nicht eingesetzt.
Radosavljevic: Insgesamt kann ich mit dem Saisonstart dennoch sehr zufrieden sein. Ich bekomme wie in Belgrad meine Minuten und kann mich versuchen. Ich werde von Spiel zu Spiel immer sicherer.
SPOX: Ohne Sharrod Fords Weggang wären Ihre Einsatzzeiten nicht möglich gewesen. Wie haben Sie seine Flucht erlebt?
Radosavljevic: Es ist einfach nur schade. Ich bekomme zwar mehr Verantwortung, aber ich hätte es bevorzugt, wenn er geblieben wäre, denn die gesamte Mannschaft litt unter der Situation. Es kam so plötzlich für uns alle und dann verletzten sich auch noch Robin Benzing und Bastian Doreth. Wir haben eine schwere Zeit hinter uns.
SPOX: War Ford tatsächlich so stark?
Radosalvjevic: Absolut. Sehr beweglich, super Defense, sehr guter Wurf aus der Mitteldistanz. Er wäre mit Sicherheit einer der besten oder der beste Center der BBL gewesen. Ich habe in den Trainingseinheiten sehr viel von ihm gelernt. Er ist zwar kleiner, dafür jedoch unglaublich athletisch und sprungstark. Deswegen musste ich mich anpassen und ihn mehr mit Köpfchen als mit Power verteidigen. Eine gute Lektion.
SPOX: Sie wirken mit 18 körperlich wie auch mental sehr reif. Was fehlt noch?
Radosavljevic: Noch eine Menge. Vor allem muss ich kräftiger werden, um mich in der Zone besser wehren zu können. Und hin und wieder verliere ich die hundertprozentige Konzentration, was Turnover zur Folge hat.
SPOX: Sie nahmen zuletzt am All-Star-Game der besten U-18-Basketballer Europas teil und lieferten 8 Punkte und 8 Rebounds. Welche Erkenntnis nahmen Sie mit?
Radosavljevic: Dass ich mithalten kann und auf einem ähnlichen Niveau spiele wie alle anderen Talente, die dabei waren. Interessant fand ich vor allem das Duell mit dem Polen Przemyslaw Karnowski. Er gilt also so etwas wie der Star in unserem Jahrgang und hat eine ähnliche Statur wie ich, ist aber Linkshänder, was das Verteidigen schwerer macht. Ich denke, ich habe ordentlich ausgesehen.
SPOX: Welche Center beobachten Sie am meisten?
Radosavljevic: An erster Stelle steht Chris Kaman. Von ihm schaue ich mir das meiste ab. Er ist genau der Center-Typ, der mir gefällt: beweglich, schnelle Füße, körperlich robust, dazu ein guter Wurf. Serbiens Nenad Krstic sehe ich mir auch sehr gerne an.
SPOX: Ist Ihnen bei der EM der Senioren ein gewisser Jonas Valanciunas aufgefallen?
Radosavljevic: Klar! Ich kannte ihn vorher gar nicht, aber es war schon krass, wie gut er für Litauen war. Das gleiche gilt für Türkeis Enes Kanter - und beide sind erst 19! Am Fernseher sieht es vielleicht gar nicht so schwer aus, doch es ist nicht hoch genug zu bewerten, in dem Alter auf dem Level mitzuhalten.
SPOX: Ihnen selbst gelang in den letzten beiden Jahren ein großer Sprung, nachdem Sie die zwei Jahre zuvor international gesperrt waren. Was sind die Hintergründe?
Radosavljevic: Ich hole etwas weiter aus: Ich bin in Serbien in der Nähe von Belgrad bei meiner Mutter aufgewachsen. Mein Vater ging nach Deutschland, als ich ein Kleinkind war. Mit 14 haben wir uns dazu entschlossen, dass ich zu meinem Vater nachziehe.
SPOX: Und dann?
Radosavljevic: Mein Vater, der früher in Jugoslawien Erstliga-Profi war und mittlerweile in der Nähe von Nürnberg eine Mannschaft trainiert, kannte Dirk Bauermann und erzählte ihm von mir. So kam es, dass ich zur deutschen U 16 eingeladen wurde. Gleichzeitig wollten mich aber auch die Serben nominieren und erzwangen dann, dass ich wegen des Nationalitätswechsels zwei Jahre gesperrt werde, weil ich lieber für Deutschland spiele.
SPOX: Es ist erstaunlich: Bis Sie 14 waren, sprachen Sie kein Wort deutsch, nun stehen Sie vor der Mittleren Reife. Wie sind die weiteren Planungen? Kam das College nie in Frage?
Radosavljevic: Ich gehe in die zehnte Realschulklasse und wollte nächstes Jahr überlegen, ob ich mit der Mittleren Reife aufhöre oder das Abitur mache. Die Entscheidung hat dennoch nichts damit zu tun, was ich danach mache. Das College interessiert mich überhaupt nicht. Ich bin im europäischen Basketball besser aufgehoben.
SPOX: Aber der Traum von der NBA existiert? Sie werden von Scouts der NBA-Teams und aus der Euroleague beobachtet.
Radosavljevic: Ich habe zwar schon mit Ruben Boumtje Boumtje über die NBA gesprochen, aber Gedanken mache ich mir überhaupt keine. Jeder will in die beste Liga der Welt, jedoch ist es nicht das alles Entscheidende. Was bringt es einem, sich NBA-Profi zu nennen und nie zu spielen?
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