SPOX: Anfang Oktober sorgten Sie mit Ihrem neuen Klub Fenerbahce für Aufsehen: Ihr Team bezwang die Boston Celtics 97:91 und Sie selbst spielten gegen Gegenspieler Rajon Rondo überragend. War der Sieg eine Sensation - oder nur ein willkommener Prestigeerfolg?
Bo McCalebb: Schwer zu sagen. Wir hatten bereits die gesamte Vorbereitung absolviert, während die Celtics erst ein paar Tage zuvor erst ihr erstes Training überhaupt hatten. Daher ist es unerheblich, wie wir den Sieg bezeichnen. Entscheidend war, dass wir erstmals sahen, wie gut wir sein können, wenn wir als Team zusammenspielen. Für uns als neuformierte Mannschaft war es eine wichtige Erkenntnis.
SPOX: Sie erreichten mit Partizan Belgrad und Montepaschi Siena bereits zweimal das Final-Four-Turnier der Euroleague. Ist Fener nach den Verpflichtungen von Ihnen, Romain Sato, David Andersen und Coach Simone Pianigiani schon so weit, zu den vier besten Teams Europas zu gehören?
McCalebb: Wir besitzen definitiv das Potenzial dafür. Aber noch ist es zu früh, zu viel von uns zu erwarten. Wir sind immer noch in der Findungsphase.
SPOX: Sie wechselten zusammen mit Pianigiani von Siena zu Fener. Haben Sie sich miteinander beraten?
McCalebb: Der Trainer war natürlich ein wichtiger Grund, ebenfalls in Istanbul zu unterschreiben. In Siena zeigte er mir, wie ich mich zu verhalten habe - nicht nur als Basketballer, sondern auch als Mensch. Ich bin in den letzten zwei Jahren unter ihm gewachsen. Pianigiani ist ein großartiger Coach.
SPOX: Dem breiten Publikum sind Sie seit der EM 2011 bekannt, als Sie Mazedonien sensationell ins Halbfinale führten. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie für Mazedonien spielen?
McCalebb: Die Geschichte dahinter ist ziemlich unspektakulär: Der mazedonische Verband fragte an, ob ich die Staatsbürgerschaft annehmen will. Ich nahm das Angebot sofort an, flog einen Tag später nach Skopje und bekam gleich den Pass ausgestellt. Seitdem helfe ich der mazedonischen Nationalmannschaft und habe gleichzeitig den Vorteil, dass ich in den europäischen Ligen mit einer Beschränkung für US-Profis nicht unter die Regelung falle, was gut für meinen Marktwert ist.
SPOX: Trotz Ihrer fabelhaften Leistungen in den letzten Jahren gibt es in der NBA Vorbehalte wegen Ihrer angeblich zu geringen Größe von offiziellen 1,83 Metern. Wie oft hören Sie, dass Sie zu klein sind?
McCalebb: Ich habe gelernt, einfach wegzuhören. Ich weiß, dass man fehlende Zentimeter mit Leidenschaft kompensieren kann.
SPOX: 2008 versuchten Sie, sich über die Summer-League-Mannschaft der Sacramento Kings für die NBA anzubieten. Doch Sie saßen fast durchgängig auf der Bank.
McCalebb: Diese Zeit war sehr hart für mich. Nach dieser Erfahrung sagte ich zu mir selbst, dass ich in meinem Leben nie wieder in der Summer League spielen werde. Das ist es mir nicht wert, nur um in der NBA vielleicht einen Minimum-Vertrag zu bekommen.
SPOX: Stattdessen wagten Sie das Abenteuer Europa. Träumten Sie als Kind davon, die Welt zu bereisen?
McCalebb: Ich habe nie daran gedacht, irgendwann in Europa zu landen. Ich verbrachte mein gesamtes Leben in New Orleans - und dann spielte ich plötzlich in Serbien. Die ersten Wochen waren schwer für mich, aber mit der Zeit fühlte ich mich immer wohler und nach Serbien, Italien und jetzt der Türkei habe ich mich endgültig an das Leben in Europa gewöhnt.
SPOX: Dennoch verwunderte es, dass Sie so wenig Interesse daran zeigten, in Ihre Heimatstadt zu den New Orleans Hornets zu wechseln. Angeblich hatte sich das Front Office mit Ihnen beschäftigt.
McCalebb: Für mich ist New Orleans keine Option. Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich mich dort nicht komplett auf den Basketball konzentrieren könnte, weil die Verwandten immer in meiner Nähe wären. Ich bin ein totaler Familientyp und wenn die Familie ruft, gibt es für mich nichts Wichtigeres. Daher werde ich aus Selbstschutz niemals für ein NBA-Team in New Orleans spielen.
SPOX: Ihre Verbundenheit zu Ihrer Familie geht so weit, dass Sie an der University of New Orleans blieben, obwohl Sie nach dem Hurricane Katrina wie die anderen Leistungssportler zu einem besseren College hätten wechseln können. Was steckte dahinter?
McCalebb: Die Familie bedeutet mir alles. Mich interessierte es nicht, dass Katrina die komplette Stadt verwüstet hat. Mein einziger Wunsch war es, zuhause zu sein. Viele Sportler sind von der University of New Oreleans abgehauen, weil irgendein großes College anrief. Mein Bleiben sollte hingegen ein Signal sein an die Stadt. Ich möchte als derjenige in Erinnerung bleiben, der New Orleans die Treue gehalten hat.
SPOX: Dachten Sie nicht daran, dass Ihre NBA-Chancen um ein Vielfaches gestiegen wären, wenn Sie zu einem erstklassigen College-Team gegangen wären?
McCalebb: Niemals! Was die Leute über mich wissen sollten: Ich ticke irgendwie anders als die meisten. Ich wollte immer anders sein. Ich plane auch nicht so weit voraus wie viele Menschen und denke nicht nur an die Karriere. Ich schaue von Tag zu Tag. Deswegen war es mir egal, ob ein großes College mir irgendwelche Vorteile gebracht hätte.
Der gesamte Spielplan der Euroleagiue