Ein ambitionierter Basketball-Regionaligist will sich nach dem wahrscheinlichen Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse nicht an Ausländerbeschränkungen halten. Die Verantwortlichen der Panthers Schwenningen berufen sich auf EU-Recht und wollen für ihre Philosophie notfalls gegen die Liga klagen. Erinnerungen an den Fall Bosman, der die Sportwelt vor 22 Jahren in ihren Grundfesten erschütterte, werden wach. Droht die nächste Revolution?
Wer sich mit Alen Velcic über seine Panthers austauscht, merkt rasch, dass da jemand für seine Aufgabe brennen muss. Emotional, argumentativ, ausdauernd: Der Trainer der Panthers Schwenningen, der vor fünf Jahren mit dem langfristigen Ziel angetreten ist, Zweitligabasketball am östlichen Rand des Schwarzwalds zu etablieren, macht im Gespräch mit SPOX seinen Standpunkt deutlich: "Ja, das entspricht den Tatsachen. Notfalls wollen wir klagen, um mit unseren Jungs den Weg fortzuführen."
Seine Jungs. Das sind die souveränen Tabellenführer der Regionalliga Südwest. Vier Punkte Vorsprung bei noch sieben ausstehenden Spielen - der Aufstieg, das wissen die Verantwortlichen der ausgegliederten Spiel-GmbH des Gesamtvereins, nimmt immer mehr Konturen an.
Verantwortlich für den sportlichen Erfolg in Schwenningen sind vornehmlich EU-Ausländer: vier Slowenen, zwei Bulgaren, ein Litauer und ein Ungar. Ein US-Amerikaner und zwei Deutsche vervollständigen den Kader. Eine Liga weiter oben dürfte das Team so nicht auflaufen.
Oder etwa doch?
In den Statuten der vor zehn Jahren gegründeten zweiten Basketball-Bundesliga, die sich in die Pro A (zweite Liga) und der zweigleisigen Pro B (dritte Liga) aufteilt, ist eine Ausländerbeschränkung festgehalten - Paragraph 24, Einsatzpflicht für deutsche Spieler. In der Pro A müssen demnach immer zwei Spieler mit einem deutschen Pass auf dem Parkett stehen. In der Pro B, also der wahrscheinlich neuen Spielklasse der Panthers, sind es gar derer drei. So soll jungen deutschen Spielern Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau garantiert werden.
"Regelung ist nur ein Gentlemen's Agreement"
"Niemand kann und wird behaupten, dass diese Ausländerbeschränkung EU-konform ist. Es fällt eher in die Kategorie Gentlemen's Agreement", behauptet der Pressesprecher der Panthers, Matthias Busse. Der ist hauptberuflich Rechtsanwalt und berät seinen Verein ehrenamtlich in Rechtsfragen.
Die Aussagen wecken Erinnerungen an den Fall Bosman. Der belgische Fußballprofi Jean-Marc Bosman hatte 1995 mit seiner erfolgreichen Klage nicht nur durchgesetzt, dass Profisportler nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei zu anderen Vereinen wechseln dürfen. Darüber hinaus brachte das Urteil bis dato geltende Ausländerbeschränkungen, sofern es EU-Bürger betraf, im Fußball und anderen Sportarten zu Fall.
Der europäische Gerichtshof hat mit dem damaligen Urteil eine rechtsverbindliche Linie vorgegeben. Demnach darf die "Freizügigkeit der Arbeitnehmer" im EU-Ausland nicht eingeschränkt werden. Bedeutet: In der EU sind Sportler aus dem jeweiligen Inland und EU-Ausländer auf dem Arbeitsmarkt gleich zu behandeln.
Bosman-Urteil gibt Richtung vor
"Wir verpflichten seit Jahren Spieler, die sich hier integrieren und Familien gegründet haben. Sie arbeiten Vollzeit bei unseren Sponsoren und zahlen Steuern, haben sich hier etwas aufgebaut", fasst Head Coach Velcic zusammen. "Und jetzt soll ich diesen Jungs sagen: Danke, aber das war es. Ihr müsst wieder gehen?'"
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In den vergangenen Tagen und Wochen sei er oft kontaktiert worden mit der Begründung: Er mache den Basketball kaputt. "Wenn ich dann sachlich argumentiere, haben die Leute zumindest Verständnis", sagt er.
Die Verantwortlichen der 2. Basketball-Bundesliga betrachten die Lage eher nüchtern. "Das Vorgehen des Vereins in der Geschichte der Liga ist einmalig", erklärte der Vorstandsvorsitzende Hansjörg Tamoj gegenüber SPOX.
Liga: "Keine separate Vereinbarung mit einem Aufsteiger"
Tamoj, selbst hauptberuflich Anwalt, berichtet von einem Treffen vergangenen Montag in Köln. "Dort hat der Verein das Vorhaben nochmals bekräftigt. Ich möchte aber ausdrücklich betonen: Das war lediglich ein Austausch und keine Verhandlung. Wir werden definitiv keine separate Vereinbarung mit einem Aufsteiger eingehen", bekräftigt er.
Pro A und Pro B sehen sich als Ausbildungsliga. "Wir sind weiter davon überzeugt, dass es richtig ist, jungen deutschen Spielern Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau zu ermöglichen", so Tamoj.
Velcic selbst kann die Liga und den Verband zwar verstehen. Aber: "Es spielen in den unteren Topligen nur circa 20 Prozent an in den eigenen Vereinen ausgebildete Deutsche. Das eigentliche Problem ist die schlechte Trainerausbildung", betont er. Er habe in Frankreich und Kroatien hospitiert, das sei taktisch und trainingstechnisch eine andere Welt. "Da gilt es anzusetzen. Dann setzen sich deutsche Spieler auf natürliche Weise durch."
Panthers-Coach kritisiert Ausbildung
Sein Verein wolle langfristig eine Basketballmacht in Südwestdeutschland werden, erklärt Velcic selbstbewusst. Nur mit Jugend forscht gehe das aber nicht. Obwohl der Gesamtverein mittlerweile alle Jugendmannschaften mit 150 Kids besetzt hat.
Auch das DEL-Team, die Schwenninger Wild Wings, würden publikums- und sponsorentechnisch in der 90.000-Einwohner-Stadt ein echtes Problem darstellen: "Wir müssen bei Heimspielen ein echtes Happening anbieten."
Ob es den in dieser Konstellation geben wird, bleibt abzuwarten. In der rechtsverbindlichen Linie des europäischen Gerichtshof geht es auch um Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Dort heißt es: "Nur wenige Ziele des Sports könnten demnach zur Rechtfertigung einer beschränkenden Maßnahme der Sportverbände herangezogen werden (z.B. Nachwuchsförderung)".
Liga-Vertreter Tamoj bestätigt, dass im Zuge des All-Star-Games auf einer Sitzung mit allen Vertretern der Liga trotz dieser möglichen Auslegung kontrovers über die Panthers diskutiert wurde: "Daraufhin haben wir eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Pro A und Pro B gegründet, die Möglichkeiten einer Veränderung des Paragraphen 24 prüft."
Der Rechtsanwalt betont im gleichen Atemzug jedoch: "Das werden Veränderungen sein, die Schwenningen nicht sonderlich helfen werden. Überdies bedeutet das nicht, dass wir nicht bereit wären, uns vor Gericht zu verteidigen."
Verein bereitet Klage vor
Nach Ansicht der EU-Kommission soll jegliche direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit untersagt werden - sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich (Velcic bestätigte gegenüber SPOX, dass es auch im Fall eines Aufstiegs keine Vollprofis bei den Panthers geben werde).
Kommt es zu einer Verhandlung müsste ein Gericht entscheiden, welche Prioritäten gesetzt werden: Bedingungslose Gleichberechtigung von Profi- und Amateursport oder das Beibehalten einer Verhältnismäßigkeit im Sinne der Nachwuchsförderung.
Schwenningen jedenfalls will die ganz große Lösung: "Nachwuchsförderung kann zwar ein Tatbestand für Einschränkungen wie die Belegung bestimmter Kaderplätze sein", erklärt Panthers-Rechtsbeistand Busse. Eine "Homegrown"-Regelung hat etwa die UEFA 2006 eingeführt. So müssen im Kader eines Fußballteams von 25 Spielern mindestens acht Spieler sein, die bei Vereinen der gleichen Liga ausgebildet wurden - vier davon gar in der eigenen Jugend.
"Es gibt aber keine Grundlage für blockierte Startplätze. Das Ziel der Jugendförderung wird in unseren Augen so eher zur Komfortzone der Spieler und ist kontraproduktiv", führt Busse weiter aus. "Wir bereiten uns auf eine Klage vor, haben uns Hilfe mit ins Boot geholt, um das verfahrenstechnisch ordentlich vorzubereiten."
"Wenn wir in dieser brisanten Zeit als Gesellschaft europäisch denken wollen, dürfen wir nicht parallel solche Beschränkungen aufrecht erhalten", argumentiert Velcic. Der Panthers-Coach brennt für das Fernziel Pro A in Schwenningen, soviel ist deutlich. Ob er das mit seinem bisherigen Team angehen darf, könnte bald vor Gericht entschieden werden. Dann wird nicht nur die Basketballszene genau hinsehen: Auch in anderen Ligen und Sportarten könnte es fortan zu einer Revolution kommen.