Kein Grund, um (nur) zu jammern

Ole Frerks
28. August 201713:36
Dennis Schröder soll die deutsche Mannschaft zum Erfolg führenimago
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Trotz aller Absagen und Ausfälle reist das DBB-Team mit einer schlagkräftigen Truppe nach Tel Aviv zur EuroBasket 2017. Wie weit kann Dennis Schröder die deutsche Mannschaft tragen? SPOX analysiert den Kader - und gibt eine Prognose ab.

Der Backcourt des DBB-Teams: Dennis Schröder, Maodo Lo, Karsten Tadda und Co.

Man muss nicht groß überlegen, um zu folgendem Schluss zu kommen: Dennis Schröder ist mehr noch als 2015 endgültig der Boss der deutschen Nationalmannschaft und der Spieler, von dem die Chancen am allermeisten abhängen. Natürlich auch deshalb, weil nach Dirk Nowitzkis Abschied umso mehr der Hawks-Guard im Fokus der Berichterstattung stehen wird.

Die starken Leistungen, die er vor zwei Jahren mit 21 in Berlin zeigte, bestätigte er unlängst in den NBA-Playoffs mit noch besseren Zahlen (24,7 Punkte, 7,7 Assists) - gegen keinen geringeren als John Wall. In Gruppe B, womöglich sogar im ganzen Teilnehmerfeld der EuroBasket, ist Schröder der vielleicht gefährlichste Spieler überhaupt auf der Eins.

Wichtiger als seine eigenen Punkte, die Schröder ohnehin machen wird, sind indes die Vorlagen - er wird den Ball primär in der Hand halten und muss daher auch verstärkt dafür sorgen, dass Daniel Theis, Johannes Voigtmann, Lucca Staiger und Co. gefüttert werden.

Das Einbeziehen der Mitspieler war vor zwei Jahren, gerade in den Schlussphasen, das einzige, was man bei Schröders Spiel wirklich bemängeln konnte, allerdings sind die Voraussetzungen in diesem Jahr besser - nicht zuletzt deshalb, weil die Truppe diesmal etwas tiefer besetzt ist und weil auch Schröder natürlich gereift ist. Er verstehe das internationale Spiel heute viel besser, sagte er im Gespräch mit BIG.

Sein Backup, häufig aber wohl auch sein Nebenmann, wird in erster Linie Maodo Lo sein. Der Bamberger ist ebenso wie Schröder pfeilschnell, hat einen guten Distanzwurf und kann sowohl mit Ball als auch abseits davon Gefahr ausstrahlen. Wenn Schröder mal pausiert, kann Lo auch den Ballvortrag übernehmen, ohne dass das Spiel großartig langsamer wird.

Je nachdem, wie der Gegner im Backcourt aufgestellt ist, dürfte aber auch Karsten Tadda gelegentlich neben Schröder starten, um defensive Spezialaufgaben zu übernehmen. Selbiges wird auch auf Ismet Akpinar zukommen, dem Überraschungs-Nominierten von ratiopharm ulm.

Komplettiert wird die Backcourt-Rotation durch Edelschütze Lucca Staiger (letzte Saison wettbewerbsübergreifend über 50 Prozent 3FG für Bamberg), der von der Bank kommend locker mal ein Viertel entscheiden kann, wenn er heiß läuft.

Die Forwards des DBB-Teams: Daniel Theis, Robin Benzing und die fehlende NBA-Power

Während im Backcourt tatsächlich alle Spieler zumindest mehr oder weniger fit sind, zeigt sich im Frontcourt und insbesondere bei den Forwards, dass sich doch wieder sehr viele Spieler verletzt oder aus anderen Gründen abgemeldet haben, die dem DBB-Team extrem geholfen hätten.

Nowitzki klammern wir mal aus - aber von der jüngeren Generation fehlen mit Maxi Kleber (Mavericks), Paul Zipser (Bulls) und Niels Giffey (Alba) drei Spieler, die im Normalfall wohl Leistungsträger gewesen wären. Während Giffey verletzt ist, haben Kleber und Zipser bekanntlich deshalb abgesagt, weil sie bei ihren jeweiligen NBA-Teams um ihren Platz fighten wollen.

Auf der Drei wurde dadurch eigentlich Robin Benzing zum de-facto-Starter, zumal der Routinier eine richtig gute Saison in der ACB hinter sich hat, allerdings verletzte sich Benzing prompt beim ersten Supercup-Spiel und trainierte seither nur individuell. Dennoch wird natürlich mit ihm gerechnet - zumal er im Idealfall die zweite oder dritte Offensiv-Option sein sollte.

Ebenfalls viel Spielzeit auf der Drei dürfte Patrick Heckmann (Bamberg) sehen, auch wenn der Youngster ein schweres zweites Jahr hinter sich hat und zuletzt weniger Einsatzzeiten bekam. Eigentlich steht dem Team sein intelligentes Spiel und sein guter Distanzwurf aber gut zu Gesicht. In kleineren Lineups dürfte auch Staiger mal auf die Drei aufrücken, Benzing ist zumindest offensiv auch als Vierer geeignet.

Dort startet wiederum der nach Schröder größte Hoffnungsträger des DBB-Teams in Daniel Theis. Auch beim Neu-Celtic war lange spekuliert worden, ob er das Turnier absagt, sein Jugendfreund Schröder allerdings hat ihn überzeugt und nun dürfte das Pick'n'Roll der beiden eine der zentralen Waffen des Teams werden.

Mit seiner Energie und seiner Athletik ist Theis auch defensiv einer der wichtigsten Spieler des Teams, wenngleich er sich etwas zügeln muss: Im Verein neigt er mit seinem aggressiven Spiel öfter mal zu Foul-Problemen, dies wäre in Ermangelung von Spielern wie Kleber oder auch Zipser allerdings schwieriger zu kompensieren.

Theis ist aber natürlich nicht der einzige, der auf der Vier zu Einsatzzeiten kommen wird. Da ist einerseits noch Bayern-Big-Man Danilo Barthel, der gerade am Korb nur schwer zu stoppen ist, aber auch einen sehr guten Wurf mitbringt, und andererseits noch das große Mysterium des Kaders in Isaiah Hartenstein.

Der erst 19-Jährige hat seinen Platz zwar noch nicht sicher, beim Supercup allerdings zeigte er gute Ansätze und ließ immerhin schon mal Routinier Alex King hinter sich, der schon vor dem letzten Lehrgang aus dem Kader entlassen wurde. Hartenstein hat nach der etwas unglücklichen Saison in Kaunas wenig "Wettkampferfahrung", sein Talent ist jedoch unbestritten. Vielleicht geht Fleming das Wagnis schon jetzt ein, ansonsten sollte dem künftigen Rocket aber die Zukunft gehören.

Die Center des DBB-Teams: Johannes Voigtmann und viel Small-Ball?

Die Verletzung von Maik Zirbes hat das DBB-Team wie schon 2015 schwer getroffen. Etwas kurios wirkte auf der Oberfläche, dass Tibor Pleiß (ab nächster Saison FC Valencia) trotzdem nicht nominiert wurde, aber eben nur auf der Oberfläche: Das Verhältnis zwischen ihm und Fleming bleibt angespannt. Vielleicht erhält Pleiß unter Flemings Nachfolger Henrik Rödl eine neue Chance, für diese EuroBasket blieb ihm jedoch nur die Zuschauerrolle.

Dementsprechend klein ist auch die Center-Rotation der Deutschen. Johannes Voigtmann wird gesetzt sein - der Big Man von Saski Baskonia hat sich vergangene Saison auch auf allerhöchstem EuroLeague- und ACB-Niveau bewiesen und wird auch von Schröder als einer der Leader des Teams gesehen. Ihm kommt eine wichtige Rolle zu - als Scorer, der das Feld für Schröder und Lo mit dem Wurf auseinanderziehen kann, aber auch als Rebounder.

Option zwei und drei auf Center dürften Theis und Barthel sein, wenn sich Fleming für Small-Ball entscheidet, was bei dem vorhandenen Spielermaterial auch Sinn ergeben würde. Deutschland verfügt über viele mobile Bigs und mit Schröder und Lo über zwei der schnellsten Guards des gesamten Turniers - da kann es nicht schaden, viel zu rennen.

Einen Mann fürs Grobe hat Fleming aber sonst auch noch in der Hinterhand. Johannes Thiemann gehört noch zu den unerfahrensten Spielern im deutschen Team, auch er wird aber seine Einsätze bekommen - insbesondere gegen Gegner wie Georgien, die Ukraine oder auch Litauen, bei denen klassische Brettcenter unterm Korb wüten und in Schach gehalten werden müssen.

Fazit: Die Aussichten des DBB-Teams

Es gibt einige Gründe zum Lamentieren. Da sind die Ausfälle, da ist die schwierige Vorbereitung, zu der Schröder und Theis erst sehr spät anreisten, da ist das generelle Problem, dass viele der Leistungsträger bisher kaum zusammengespielt haben. Alles legitim, alles nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem ist die Aussicht für das deutsche Team eine gute.

Es ist eine ganze Weile her, dass Deutschland so viel Talent beisammen hatte wie jetzt. Es fehlen drei NBA-Spieler, es sind aber trotzdem zwei dabei! Und einer, der soeben gedraftet wurde. Dazu mehrere ACB-Legionäre und etliche Euroleague-erprobte Spieler, die trotzdem jung und hungrig sind. Diese Mannschaft hat Potenzial.

Wie gut alles am Ende zusammenpassen wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. 2015 trat das Team nicht als Einheit auf - das muss sich ändern, dafür sieht sich aber auch gerade Schröder in der Pflicht. "Nur wenn es passt, auch außerhalb des Feldes, können wir alles erreichen", sagte der Star des Teams der BIG.

Als Mindestziel wurde von Schröder das Erreichen der K.o.-Phase in Istanbul ausgegeben - eine realistische Einschätzung. In Gruppe B ist Litauen eindeutig favorisiert, einen der drei anderen Plätze fürs Weiterkommen sollte Deutschland aber erreichen können.

Dann würde dummerweise das Cross-Match mit der starken Gruppe A - mit Frankreich, Griechenland und Slowenien - winken, favorisiert wäre das DBB-Team wohl gegen keinen dieser Gegner.

Aber: "In Istanbul ist alles möglich. Es sind 40 Minuten. Wer besser verteidigt und die besseren Würfe rausspielt, der gewinnt das Spiel. Es liegt an uns", sagt Schröder. Wenn das ganze Team diese Mentalität annimmt und als Einheit auftritt, dann ist vielleicht wirklich mal wieder eine Medaille drin.

SPOX-Tipp: Deutschland erreicht das Achtelfinale.