"Geld spielt in der Umkleide keine Rolle": DBB-Nationalspieler Oscar da Silva im Interview

Von Martin Fünkele
Oscar da Silva gab 2023 sein Debüt für den DBB.
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Oscar da Silva startet heute mit dem FC Barcelona in die Playoffs der EuroLeague. Der Nationalspieler spricht im Interview über seine Werbung mit der Commerzbank, seinen NBA-Traum und was er nach seiner Karriere plant.

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Außerdem verrät der DBB-Spieler, ob es in der Kabine Neid-Debatten gibt und wie die Duell mit seinem Bruder Tristan da Silva verliefen. Das komplette Interview mit Oscar da Silva lest Ihr in BIG #137.

Oscar, du hast deinen ersten Profivertrag nach deinem College-Abschluss erst mit 21 Jahren in Ludwigsburg unterschrieben. Hast du den Moment, der dich zum Profi gemacht hat, damals genossen?

Oscar da Silva: Das war schon ein besonderer, ein merkwürdiger Moment. Wenn du dein erstes Gehalt auf dem Konto hast, realisierst du: Jetzt bist du Profi. Mein Lebensstil hat sich dadurch aber nicht großartig verändert. Materielle Dinge sind mir genauso unwichtig, wie Kohle beim Feiern auf den Putz zu hauen. Aber auch wenn sich durch meinen ersten Vertrag nicht viel für mich geändert hat, ist es schon cool, wenn du mit deinem Hobby ganz gutes Geld verdienen kannst.

Hast du dir von deinem ersten Geld etwas Besonderes gekauft?
da Silva: Nein, ich habe es gespart. Im Sommer nach meiner Zeit in Ludwigsburg war ich bei einem NBA-Pre-Draft-Camp in Amerika. Dafür brauchte ich ein kleines Polster. Außer für Basketball-Sachen habe ich also nichts ausgegeben.

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© BiG

Oscar da Silva: "Geld spielt in der Umkleide keine Rolle"

Deine nächste Station war dann Berlin - inklusive EuroLeague und einem größeren Gehaltsscheck. Macht die Höhe des Gehalts etwas mit dem eigenen Selbstbewusstsein?

da Silva: Vielleicht kurzfristig. Als Sportler holst du dir dein Selbstvertrauen aber im Wettkampf. Es ist zwar toll, wenn du einmal im Monat gut bezahlt wirst, auf dem Basketballfeld hilft dir das aber nicht.

Wie würdest du dein Verhältnis zu Geld generell beschreiben?

da Silva: Ich versuche, vernünftig und smart mit meinem Geld umzugehen. Ich will mir in der kurzen Zeit, in der ich als Basketballer Geld verdiene, ein Polster anlegen, das mich über meine aktive Zeit hinausträgt. Wenn ich Geld ausgebe, dann meistens für Erlebnisse, die ich mit Freunden teilen kann - Essen gehen, verreisen, so was. Gute Beratung und Bildung sind wichtig, um das kurze Zeitfenster, das du als Sportler hast, gut zu nutzen.

Welche Rolle spielt das Gehalt in der Umkleidekabine?

da Silva: Keine. Höchstens, dass man mal einen Witz darüber macht. Wenn ich einen, der in der NBA ein paar Millionen verdient hat, darum bitte, mir am Flughafen ein Wasser zu kaufen, dann ist das im Spaß gemeint.

Oscar da Silva: Seine Stationen

JahreTeam
2017-2021Stanford (NCAA)
2021MHP Riesen Ludwigsburg
2021-2022Alba Berlin
Seit 2022FC Barcelona

Berlins Sportdirektor Himar Ojeda hat neulich gesagt, dieses Jahr gäbe es in der EuroLeague erstmals fünf Point Guards, die mehr als zwei Millionen Euro netto verdienen. Dein Teamkollege Nicolas Laprovittola ist vermutlich einer davon. Gibt es Neid-Debatten, wie wir sie aus der Gesellschaft kennen, auch in einem Profi-Team?

da Silva: Dadurch dass die Gehälter in der EuroLeague nicht öffentlich sind, muss man mit den Zahlen immer ein bisschen vorsichtig sein. Klar, sprichst du mal darüber, dass der oder der so und so viel verdienen soll. Als Neid-Debatte habe ich das nie erlebt. Dazu kommt, dass es in der EuroLeague einen Haufen sehr guter Spieler gibt, die ihr Geld auch wert sind. Shane Larkin gehört sicher zu den Zwei-Millionen-Euro-Spielern, das hat er sich aber auch verdient. Man kann natürlich grundsätzlich darüber diskutieren, wie viel Sport wert ist. Als Mbappé vor Jahren für über 100 Millionen bei Paris Saint-Germain unterschrieben hat, war das ein großes Thema, weil es die grundsätzliche Frage aufwirft, wie viel Sportler verdienen sollen.

Du bist einer von ganz wenigen deutschen Profi-Basketballern, die Werbung für eine bekannte Marke machen. Wie kam es zu deinem Deal mit der Commerzbank?

da Silva: Ich habe, seit ich 15 bin, ein Konto bei der Commerzbank. Durch meine Leute in München habe ich gute Kontakte zur Bank und habe in der JBBL auch mit dem Sohn von Dr. Knof (Vorstandsvorsitzender der Commerzbank; die Red.) zusammengespielt. So habe ich davon erfahren, dass die Commerzbank eine Testimonial-Kampagne plant, wofür ich dann meinen Hut in den Ring geworfen habe. Ich muss ihnen so gut gefallen haben, dass sie meinen Anruf entgegengenommen haben. Bei der Kampagne geht es ja darum, mit Menschen zu werben, die bereits Kunden sind und eine spannende Geschichte erzählen können. Ein junger, international studierter Sportler ist ja nicht so häufig, das muss sie überzeugt haben. Ich bin super stolz, da mitmachen zu dürfen und fühle mich auch ziemlich geehrt.

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Oscar da Silva: Möchte Deutschland bei einem großen Turnier vertreten

Wie oft haben dir deine Freunde schon Fotos von dem Plakat geschickt, auf dem du lachend für die Bank wirbst?

da Silva: Das kam schon vor. Häufiger waren allerdings die Screenshots, mit immer demselben Bild, das den Leuten beim Onlineshopping angezeigt wird. Wenn ich so etwas geschickt bekomme, muss ich jedes Mal lachen.

Bekanntlich lässt sich auch in der EuroLeague mittlerweile sehr gutes Geld verdienen, die ganz großen Verträge gibt's aber in der NBA. Ist das auch ein Grund, warum die NBA dein ultimatives Ziel ist?

da Silva: Schon auch. In erster Linie geht es um den Wettkampf und darum, zu dieser Gruppe der Besten dazuzugehören. Anderseits geht es aber auch um die Möglichkeit, Verträge abschließen zu können, die dein Leben und das deiner Familie verändern können.

Wenn du dich entscheiden müsstest: eine Medaille bei Olympia oder ein Multi-Millionen-Deal mit den Oklahoma City Thunder?

da Silva: Das eine muss das andere ja nicht unbedingt ausschließen, oder?

Nein, aber wenn du dich entscheiden müsstest: Was würdest du wählen?

da Silva: Dann würde ich mich ganz egoistisch für den Deal mit Oklahoma entscheiden.

Es in den Olympia-Kader zu schaffen, ist dieses Jahr wahrscheinlich ähnlich schwer, wie einen NBA-Deal zu ergattern. Du wirst es trotzdem versuchen, oder?

da Silva: Auf jeden Fall. Der letzte Sommer hat mir großen Spaß gemacht. Auch wenn ich am Ende nicht bei der WM dabei war, habe ich mich als Teil der Mannschaft gefühlt. Früher oder später möchte ich Deutschland unbedingt bei einem großen Turnier vertreten. Selbst wenn es diesen Sommer wieder nicht klappen sollte, will ich dabei sein. Wenn die Veteranen etwas kürzertreten wollen und meine Zeit reif ist, will ich mit Schwung angreifen können.

Was macht den Reiz der Nationalmannschaft für dich aus?

da Silva: Es ist etwas sehr Außergewöhnliches, zu dieser besonderen Auswahl zu gehören und sein Heimatland vertreten zu können. Darüber hinaus geht es bei der Nationalmannschaft um Basketball in einer sehr puren Form. Geld spielt keine Rolle, auch den Druck, gewinnen zu müssen, habe ich nicht so stark wahrgenommen. Das ist einfach ein sehr schönes Projekt, bei dem ich gerne dabei sein möchte.

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© imago images

Oscar da Silva über seinen Bruder Tristan: "Körperlich bin ich im Vorteil"

Dein Bruder Tristan, mit dem du irgendwann zusammen in der Nationalmannschaft spielen willst, ist drei Jahre jünger. Er hat wie du in München für die IBAM gespielt und ist jetzt, wie du es warst, am College. Seid ihr basketballerisch zusammen groß geworden?

da Silva: Wir haben viel miteinander gespielt. Nie in derselben Mannschaft, dafür oft auf dem Freiplatz. Ich kann mich auf jeden Fall noch an einige hitzige Partien erinnern, bei denen schon mal die Fetzen geflogen sind. Aber je heißer es zwischen Geschwistern zugeht, desto mehr schweißt sie das zusammen.

Wer gewinnt, wenn ihr heute gegeneinander spielt?

da Silva: Körperlich bin ich noch im Vorteil. Ich bin es gewohnt, gegen erwachsene Männer zu spielen. Die EuroLeague ist im Vergleich zum College schon eine andere Hausnummer. Aber was die Skills und das Talent angeht, hat Tristan mittlerweile die Oberhand. Um zu gewinnen, muss ich mich ziemlich anstrengen.

Wenn der kleinere Bruder die eigene Leidenschaft kapert, kann das zu Stress führen - gab's den bei euch?

da Silva: Nee, überhaupt nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendwann sauer war, nur weil Tristan denselben Sport wie ich machen wollte.

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© getty

Du hast das College in Stanford mit einem Abschluss in Biochemie beendet. Hat dir das Studium geholfen, Prozesse im Leistungssport besser zu verstehen?

da Silva: Das Studium hat mir generell in puncto Konzentration und im Umgang mit strategischen Dingen geholfen. Im Studium lernst du, dich intensiv mit Themen zu beschäftigen und sie nicht im nächsten Moment schon wieder vergessen zu haben. Langfristig profitiere ich aber auch stark davon, Leistungssportler zu sein. Am College haben sie uns oft gesagt, dass Arbeitgeber Sportler gerne einstellen, weil für uns Tugenden wie Belastbarkeit oder Teamwork zur zweiten Natur geworden sind.

Die akademischen Anforderungen in Stanford sind sicher hoch, du hast sie trotzdem mit einer Karriere als College-Athlet verbinden können. Als Profi wirst du intellektuell deutlich weniger herausgefordert - fehlt dir das?

da Silva: Schon ein bisschen. Ich vermisse es nicht, Monat für Monat eine Fünf-Tage-Woche zu haben. Aber ich vermisse die Vorlesungen und den Reiz, neue Dinge zu lernen. Das ist im Berufsleben schwer zu replizieren.

Gibt es Alternativen, etwas, das dich geistig herausfordert?

da Silva: An erster Stelle lesen. Außerdem mache ich einen Online-Informatikkurs, bei dem ich mehr über das Coden lerne. Mit Computer Science habe ich an der Uni angefangen. Es ist vergleichbar mit einer Sprache: Wenn du nicht dranbleibst, verlernst du es wieder. Und ich spiele Saxofon. Begonnen habe ich damit am Gymnasium. In Amerika hatte ich das Saxofon nicht dabei, es dann aber wieder bei meiner Oma auf dem Dachboden entdeckt und beschlossen, es mit nach Barcelona zu nehmen. Das sind meine drei Strategien, um die Birne freizubekommen.