Tyrese Rice war vor der Saison die große Verpflichtung von Brose Bamberg. Der hochdekorierte Point Guard sprach nun im Interview mit SPOX über den Beginn seiner Karriere, eine Scoring-Explosion gegen Kevin Durant sowie über die aktuelle Situation in Bamberg.
Um 20 Uhr trifft Brose Bamberg im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League auf den türkischen Vertreter Banvit. Das Spiel wird im Livestream auf SPOX und auf DAZN übertragen.
Mr. Rice, Sie haben sich selbst als Overachiever bezeichnet, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Ist es richtig, dass Sie als High School-Spieler kaum Anfragen für das College bekommen hatten?
Tyrese Rice: Das stimmt, ich weiß nicht, warum das so war. Ich dachte, ich hätte genug gemacht. Allerdings waren meine Noten in der High School nicht gut. Ich musste mich also auf der Schulbank, neben und auf dem Court ordentlich ranhalten, um zu zeigen, dass ich es wert bin. Das hat letztlich gut funktioniert.
Was hätten Sie gemacht, wenn es nicht funktioniert hätte?
Rice: Für mich gab es nur Basketball oder nichts. Ich habe keine Ahnung, was passiert wäre. Zum Glück werden wir es nie herausfinden.
Stimmt eigentlich die Geschichte, dass sie letztlich ein Stipendium bekommen haben, weil sie gegen Oak Hill, das einen gewissen Kevin Durant in seinen Reihen hatte, 30 Punkte machten?
Rice: Nicht ganz. Boston College hatte schon vorher ein gewisses Interesse, aber hatte noch kein Angebot gemacht. Das ging auch gar nicht, weil meine Noten so schlecht waren. Aber nach dem Spiel kamen jede Menge Angebote von großen Schulen, wie zum Beispiel von Arizona. Eigentlich war es nicht das erste Mal, dass ich gegen einen guten Gegner wie Durant so stark spielte. Das Problem war, dass es niemand gesehen hatte, weil das im Sommer war. Dieses Spiel hat meine Karriere nicht definiert, aber hat dafür gesorgt, dass ich auf dem Radar war.
War es für Sie dennoch klar, dass es Boston College werden würde?
Rice: Nein, sie hatten immer Interesse und ich wollte nur wegen einem Spiel nicht meine Meinung ändern. Ich war mir sicher, dass es eine gute Wahl war, auch in schlechten Zeiten. Ich habe mich dort wohl gefühlt, habe eine gewisse Loyalität gespürt. Ich wollte eine faire Chance, direkt wichtig zu sein, damit ich eine erfolgreiche Karriere haben kann.
gettySie beschrieben die Zeit häufiger als die beste Zeit in ihrem Leben. Warum ist das so?
Rice: Es ist einfach eine besondere Erfahrung, du bist erstmals in deinem Leben auf dich allein gestellt, meilenweit von daheim weg. Kaum jemand kann dir helfen, du wächst mit deiner Aufgabe. Es war so etwas wie ein Wendepunkt für mich in meinem Leben. Hinzu kam, dass ich schon einen Sohn hatte, es war also wichtig für mich, dass ich schnell erwachsen werde.
Spielten Sie eigentlich mit dem Gedanken, früher das College zu verlassen? In ihrem Junior Year spielten Sie groß auf, machten unter anderem einmal 46 Punkte gegen North Carolina.
Rice: Wegen meines Abschlusses bin ich natürlich nicht geblieben, auch wenn ich ihn geschafft habe. Ich war in den Mocks kein garantierter Erstrundenpick und wollte nicht irgendwo spät in der zweiten Runde gezogen werden, um dann in der D-League zu spielen. Wichtiger war aber: Ich wollte gewinnen und das haben wir nicht, trotz meiner starken Saison. Wir haben es nicht einmal zur March Madness mit unserer jungen Mannschaft geschafft, das wollte ich hinbiegen. Ich dachte damals, dass das eine gute Idee ist.
Letztlich wurden Sie leider nicht gedraftet. Wissen Sie noch, was ihr gängiger Draft-Vergleich war?
Rice: War es Mo Williams?
Absolut richtig.
Rice: Ja, wir hatten einige Gemeinsamkeiten und er wurde damals von Utah gedraftet. Ich dachte übrigens auch, dass die Jazz mich nehmen würden. Ich glaube, sie hatten den 37. Pick in dem Jahr. Das war aber auch das Jahr, als Minnesota die ganzen Point Guards gedraftet hatte. In dem Moment wusste ich, dass es nichts wird, dachte aber, dass ich sicher noch eine Chance bekommen werde.
Das dachten Sie sicherlich auch, als Sie später Summer League spielten. Sie waren bei den Washington Wizards, die ein, nennen wir es mal buntes Team mit Nick Young und JaVale McGee an den Start brachten. Das waren sicher wilde Wochen.
Rice: Ja, das war ein verrücktes Team. Wir hatten auch noch Andray Blatche, Javaris Crittenton und Dominic McGuire, das war unglaublich. Aber was man auch sagen muss: Wir haben kein Spiel in diesem Jahr verloren und alle Partien mit 20 Punkten gewonnen. Das hat echt Spaß gemacht, auch wenn letztlich nicht alle eine große Karriere hatten.
Wie war das für Sie als Spielmacher, der alle einsetzen und dafür sorgen muss, dass alle ihre Würfe bekommen?
Rice: Ja, das war nicht einfach, aber ein paar von ihnen kannte ich schon aus dem vergangenen Sommer in Los Angeles. Es war also Respekt füreinander da und nicht so sehr ein Konkurrenzkampf. Sie hatten alle ihre Verträge und die Sicherheit, die ich nicht hatte und haben versucht zu helfen, dass ich auch einen Vertrag bekomme.
Dachten Sie, Dass Sie genug gezeigt hatten, um einen Vertrag zu bekommen?
Rice: Nicht unbedingt von Washington, aber ich dachte, dass andere Teams vielleicht Interesse hätten. Summer League ist immer ein bisschen schwierig. Es braucht nur ein Team, das dich mag und dir einen Vertrag gibt. Da sind dann alle anderen 29 Teams völlig egal.
Die D-League war also auch keine Option?
Rice: Überhaupt nicht. Ich hatte eine Familie zu ernähren, hatte schon einen Sohn. Ohne ihn hätte es vielleicht anders ausgesehen, aber ich habe letztlich das gemacht, was ich machen musste. Ich war die eine Person, die allen helfen konnte und musste mein eigenes Ego zurückstellen.
Einige schnelle und kurze Fragen: Was waren für Sie ihre größten Momente in Europa?
Rice: Natürlich vor allem der Sieg in der Euroleague mit Maccabi. In dem Jahr haben wir alles gewonnen, mit dem Preseason-Pokal sogar insgesamt vier Titel. Und so ging es auch weiter. Ich gewann mit Khimki die VTB und den Eurocup, das sind tolle Erinnerungen. Gewinnen macht alles einfacher.
Ihr härtester Gegenspieler?
Rice: Schwierig. Ich würde entweder Milos Teodosic oder Nando DeColo sagen. Sie waren beide unglaublich tough, groß und konnten auf dem Feld gefühlt alles. Und die haben auch noch lange zusammengespielt. Hast du einen gestoppt, hat eben der andere übernommen.
War CSKA dann auch das beste Team, gegen das Sie gespielt haben?
Rice: Nein, nicht ganz. Das CSKA-Team einige Jahre vorher war noch besser. Sie hatten Andrei Kirilenko, Teodosic, Sonny Weems, Sasha Kaun, das war ein unfassbar gutes Team, das war unglaublich. Sie haben damals kein Spiel bis zum Finale verloren, erst Olympiakos hat sie überraschend geschlagen. Das war mit Abstand das beste Team, gegen das ich in Europa gespielt habe.
Wo hatten Sie ihre beste Zeit in Europa?
Rice: Wahrscheinlich in Tel Aviv, auch wenn es teilweise richtig hart war. Es war eine Achterbahnfahrt, wir hatten den Start richtig verpennt. Ich wurde beinahe entlassen, Coach David Blatt wäre fast gefeuert worden. Dass wir dann am Ende den Titel geholt haben, war unglaublich und deswegen auch mein schönster Titel.
War das dann auch ihr wildestes Erlebnis hier in Europa?
Rice: Nein, aber das war auch in Tel Aviv. Nach einem Shootaround saß ich in einem Restaurant und bekam einen Anruf von einem anderen GM. Der sagte mir, dass er mich verpflichten würde. Ich war völlig geschockt. Ich hatte doch eigentlich an dem Tag ein Spiel. Ich dachte also, dass es mein letztes Spiel sei und spielte dann sogar 28 Minuten in dieser wichtigen Partie. Ich war also quasi schon weg und dann hat sich auf einmal alles in acht Stunden verändert.
Sie betonen immer, dass sie gewinnen wollen. Wie beurteilen Sie den Status Quo in Bamberg? Der Coach, Ainars Bagatskis, wurde im Januar gefeuert, es scheint ständig zu brodeln.
Rice: In jeder Saison gibt es Rückschläge, das ist bei uns nicht anders. Wir haben einige bittere Niederlagen einstecken müssen, vor allem daheim. Aber: Wir haben den Pokal gewonnen, sind in der Champions League weitergekommen und haben in der BBL eine Ausgangsposition, auf der man aufbauen kann.
Was war das Problem mit dem Coach? Gab es Probleme mit dem Team oder kam das alleine vom Management? Angeblich sollen sich Spieler beschwert haben
Rice: Davon weiß ich nichts, von meiner Seite gab es da keine Probleme. Ich will Spiele gewinnen, darauf liegt mein Fokus.
Was macht denn der neue Coach Federico Perego anders als es Bagatskis gemacht hat?
Rice: Er ist absolut detailversessen, versucht alle einzubinden. Er treibt uns jeden Tag an, dass wir besser werden. Wenn jemand meint, es leichter zu nehmen oder rumzualbern, toleriert er das nicht. Ich kann versichern, dass er dafür sorgt, dass wir unseren Job angemessen erledigen.
Die Statistiken von Tyrese Rice in der Saison 2018/19
Wettbewerb | Spiele | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists |
BBL | 20 | 29 | 15,4 | 2,2 | 6,4 |
BBL-Pokal | 4 | 25 | 18,8 | 3,3 | 4,5 |
Champions League | 13 | 28 | 15,2 | 2,8 | 4,8 |
War das vorher vielleicht ein Problem in der Champions League? Sie galten als einer der Favoriten vor dem Start, kassierten einige überraschende Niederlagen und wurden nur Dritter in ihrer Gruppe.
Rice: Nein, ich glaube nicht, dass wir jemanden unterschätzt haben. Die Niederlage im ersten Spiel war etwas, was ich so in meiner Karriere noch nie erlebt hatte. Natürlich war eine Pleite wie die in Litauen unnötig, aber das war in einer Phase, wo es für uns allgemein nicht lief. Wir sind jetzt nur Dritter in unserer Gruppe geworden, aber wir sind weiter, das ist das Wichtigste. Die beiden Teams vor uns, AEK Athen und Jerusalem waren keine Blinden. Ich würde sagen, dass sie auch Favoriten auf den Titel sind, da gibt es vielleicht fünf Teams im Wettbewerb, die dies von sich behaupten können.
Zum Abschluss noch etwas über Sie. Ich habe gehört, dass sie sich vor jedem Spiel die letzten drei Spiele ihres Gegners geben lassen und Tape studieren. Da gibt es wahrscheinlich nicht viele US-Amerikaner, die das machen.
Rice: Ja, zwei bis drei Spiele, völlig egal, wer der Gegner ist. So habe ich mich immer vorbereitet, egal, ob der Gegner aus der dritten Liga oder aus Holland kommt. Ich werde mir immer gewisse Teile der Spiele der Gegner anschauen, damit ich weiß, was auf mich zukommt. Meistens schaue ich, wie mein Gegenspieler das Spiel beginnt und aus der Pause kommt. Natürlich passieren danach auch andere Dinge, aber darauf achte ich eben.